Anklage in New York Trumps Märchen von sagenhaftem Reichtum lösen sich in Luft auf

Mit der Infragestellung seines angeblich so sagenhaften Reichtums trifft die Chefanklägerin von New York Ex-Präsident Donald Trump an seiner wundesten Stelle. Unabhängig von den rechtlichen Konsequenzen dürfte James Fazit den Narzissten im Kern erschüttern.

 Der designierte Präsident Donald Trump, links, sein Finanzchef Allen Weisselberg, Mitte, und sein Sohn Donald Trump Jr., rechts, nehmen an einer Pressekonferenz im Trump Tower in New York am 11. Januar 2017 teil. (Archivfoto)

Der designierte Präsident Donald Trump, links, sein Finanzchef Allen Weisselberg, Mitte, und sein Sohn Donald Trump Jr., rechts, nehmen an einer Pressekonferenz im Trump Tower in New York am 11. Januar 2017 teil. (Archivfoto)

Foto: AP/Evan Vucci

Letitia James geht Donald Trump unter die Haut. Nicht nur, weil sie als schwarze Frau mit ihrer Zivilklage den weißen Chauvinisten herausfordert. Mit der Infragestellung seines angeblich so sagenhaften Reichtums trifft die Chefanklägerin von New York Trump an seiner wundesten Stelle. Sie entzaubert ihn als Schaumschläger, der je nach Bedarf seinen Nettowert herauf oder herunterrechnet.

In peinlichen Details legt James offen, wie Trump die Größe seiner eigenen Wohnung auf das Dreifache der tatsächlichen Fläche veranschlagt, gnadenlos den Wert seiner Golfplätze und Mar-a-Lago übertreibt sowie Bargeld-Reserven behauptet, die er nicht hat.

Unabhängig von den rechtlichen Konsequenzen muss James Fazit den Narzissten im Kern erschüttern. Die in seinem Bestseller „The Art of the Deal“ behauptete Geschäftskunst sei in Wirklichkeit nichts anderes als die „Kunst zu stehlen“. Das saß. Denn Trumps Selbstvermarktung als einer, der es in New York aus eigener Kraft ganz nach oben geschafft hat, ist die Glaubwürdigkeit abhandengekommen.

Der Ex-Präsident erscheint in der 220 Seiten starken Klageschrift nicht wie ein erfolgreicher Unternehmer, sondern der Gottvater einer Mafia-ähnlichen Organisation. Das erklärt die Schwierigkeit der Chef-Klägerin von New York, Zeugen wie Trumps jahrzehntelangen Finanzchef Allen Weisselberg zur Aussage zu bewegen.

Doch in Zivilverfahren liegt die Latte niedriger als in Strafprozessen. Und James hat einen Hebel in der Hand. Diesen verdankt sie ihren Kollegen von der Staatsanwaltschaft in Manhattan, die der Trump-Organisation im Oktober wegen Steuerbetrug den Prozess machen. Die haben Weisselberg mit der Androhung von mehr als zehn Jahren Gefängnis so weich gekocht, dass er in Steuerverfahren kooperieren muss. Das könnte James bei ihrer Zivilklage helfen.

Die Konsequenzen einer Verurteilung wären gravierend. Sie könnten das Ende der Trump-Organisation bedeuten, da weder Trump noch seine erwachsenen Kinder in dem Unternehmen weiter tätig sein dürften. Der Mann, dessen Namen in goldenen Lettern auf Wolkenkratzern New Yorks stehen, wäre ein geächteter Outlaw.

Die Bewohner des "Big Apples" haben den Fake-blonden Populisten schon lange durchschaut. Was erklärt, dass in seinem Wahlbezirk von Manhattan 2020 gerade einmal zwölf Prozent ihrem ehemaligen Nachbarn die Stimme gaben. Kein Wunder, dass sich Trump verbittert nach Mar-a-Lago abgesetzt hatte.

Doch auch dort wird es jetzt ungemütlich, nachdem ein Bundesberufungsgericht den Ermittlungen im Umgang mit den dort gehorteten Staatsgeheimnissen neuen Rückenwind verliehen hat. Trump kann vor Justitia einfach nicht davonlaufen. Sosehr er während seiner Amtszeit versucht hatte, diese zu korrumpieren.

Selbst die von ihm bestellten Richter des 11. Bezirks von Atlanta lachten über Trumps Behauptung, er habe Staatsgeheimnisse durch bloßes daran Denken deklassifizieren können. Solchen Unsinn kann er den Superfans seines Kults verkaufen, nicht aber ernsthaften Gelehrten des Rechts. Die Richter setzen für einen abgewählten Präsidenten nicht ihre Reputation aufs Spiel.

Wie schon bei anderer Gelegenheit muss Trump erfahren, dass die dritte Säule der Gewaltenteilung in den USA weiterhin gut funktioniert. Auf Lebenszeit berufene Richter lassen sich nicht so leicht unter Druck setzen, wie etwa der ehemalige Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, der wider aller Evidenz behauptete, noch nie seien so viele Menschen zu einer Amtseinführung gekommen, wie zu der Trumps.

Justitia lässt sich nicht einfach spinnen, dass einem beim Zuschauen schwindelig wird. Sie interessiert sich dafür, ob der Privatmann in seiner Strandvilla ungesichert Atomgeheimnisse und „streng geheime“ Informationen versteckte, die dem Staat gehören. Oder ob er seine Wohnung dreimal so groß machte, wie sie tatsächlich ist, um dadurch günstigere Kreditkonditionen zu erschleichen.

Vor Gericht stoßen Größenwahn, Prahlerei und magisches Denken vor eine Mauer der Wirklichkeit. Auch deshalb ist es wichtig, dass das Justizministerium Trump wegen seiner Rolle bei dem Versuch zur Rechenschaft zieht, den friedlichen Machttransfer in den USA zu verhindern. Eine Anklage und Prozess zwingen den mit sieben Millionen Stimmen abgewählten Präsidenten dazu, sich zu der von ihm propagierten „großen Lüge“ von den angeblich gestohlenen Wahlen zu verhalten.

Die rechtlichen Nöte lassen es für Trump verlockend erscheinen, frühzeitig seinen Hut für eine erneute Präsidentschaftskandidatur in den Ring zu werfen. Das erlaubte ihm, die Prozesse als politisch motiviert darzustellen. Helfen dürfte es ihm jenseits seiner hörigen Anhängerschaft kaum. Die Mühlen der US-Justiz mögen langsam sein, aber sie mahlen.

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