Vorfall auf Insel der Andamanen Ureinwohner sollen US-Touristen mit Pfeilen getötet haben

Neu Delhi · Ein Tourist aus den USA soll sich einem Verbot widersetzt und eine Insel im Indischen Ozean betreten haben, deren Bewohner ohne Kontakt zur Zivilisation leben. Nun geht die indische Polizei davon aus, dass der Mann tot ist.

Der 27-jährige John Chau war trotz eines Verbots zu einer abgelegenen Insel gefahren, als die dort lebenden Sentinelesen ihn umzingelten und mit Pfeil und Bogen beschossen, wie die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch von Behördenvertretern erfuhr. Der Kontakt zu bestimmten Gruppen von Ureinwohnern in dem Inselparadies im Indischen Ozean ist verboten.

Dennoch machte sich Chau, der bereits mehrmals auf die Andamanen gereist war, auf den Weg: Den Angaben zufolge bestach er Fischer, damit sie ihn zur Insel North Sentinel bringen. Die nur noch 150 dort lebenden Sentinelesen, die als Fischer und Jäger leben, wollen keinen Kontakt zur Außenwelt und unterliegen einem strengen Schutz. Zu ihrer Insel muss ein Abstand von fünf Kilometern eingehalten werden.

Chau, der laut dem indischen Fernsehsender NDTV ein christlicher Missionar war, ließ sich den Angaben zufolge in einem Fischerboot in die Nähe der Insel bringen und fuhr dann alleine mit einem Kanu weiter. Es habe Pfeile auf den Mann geregnet, sobald er die Insel betreten hatte, sagte der Behördenvertreter.

„Er wurde von Pfeilen attackiert, ging aber weiter. Die Fischer sahen, wie die Bewohner Seile um seinen Hals banden und ihn zogen." Vor Angst seien die Fischer geflohen, aber am nächsten Morgen seien sie zurückgekehrt und hätten die Leiche am Ufer gefunden.

Laut indischen Medienberichten erzählten die Fischer in der Regionalhauptstadt Port Blair einem Priester von dem Vorfall. Dieser habe Chaus Familie in den USA kontaktiert. Die indische Polizei leitete nach eigenen Angaben Ermittlungen wegen Mordes gegen „unbekannte Stammesmitglieder" ein. Sechs Fischer und ein weiterer Verdächtiger wurden festgenommen.

Ein Polizeisprecher wies indische Medienberichte zurück, wonach es sich bei Chau um einen Missionar handelte, der die Inselbewohner zum Christentum bekehren wollte. „Er war auf einem fehlgeleiteten Abenteuer in einer geschützten Region, weil er Menschen treffen wollte, die noch keinen Kontakt mit der Zivilisation hatten", sagte Polizist Dependra Pathak der Nachrichtenwebsite "News Minute".

Ein Sprecher des US-Konsulats im indischen Chennai sagte, es wisse von Berichten über einen getöteten US-Bürger auf den Andamanen und Nikobaren. Laut NDTV schickte die Küstenwache einen Hubschrauber los, um den Leichnam zu suchen.

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die Ureinwohner der entfernt gelegenen Inselgruppe. Sie werden von der Außenwelt abgeschirmt, um sie vor Zivilisationskrankheiten zu schützen. Selbst Behördenvertreter dringen nicht zu den Sentinelesen vor, sondern beobachten sie nur aus sicherer Entfernung.

Der Verein Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen bedauerte den Tod des Mannes, der ihren Informationen zufolge Missionar war. Er habe allerdings Schutzbestimmungen missachtet. Deshalb dürfe die Schuld für seinen gewaltsamen Tod nicht nur bei den Ureinwohnern gesucht werden, hieß es in einer Mitteilung der GfbV.

Die Organisation Survival International, die sich dem Schutz indigener Völker widmet, machte den indischen Behörden Vorwürfe: „Diese Tragödie hätte niemals passieren dürfen", erklärte der Direktor der Organisation, Stephen Corry. "Die indischen Behörden hätten den Schutz der Insel durchsetzen müssen, um für die Sicherheit der Sentinelesen und die von Außenstehenden zu sorgen." Die Organisation warf den Behörden vor, das Verbot für Touristen gelockert zu haben. Sie warnte, dass eine Übertragung von Krankheiten die Sentinelesen komplett auslöschen könnte.

Auf den einst zum britischen Kolonialreich gehörenden Andamanen gibt es nur noch wenige Völker, die komplett isoliert von der Außenwelt leben. Dazu zählt der 400-köpfige Jarawa-Stamm. Immer wieder versuchen Touristen, mit Hilfe von Einheimischen solche Ureinwohner zu treffen. Die Inselkette der Andamanen und Nikobaren war ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit geraten, als sie Ende 2004 von der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean betroffen waren.

(felt/dpa/AFP)
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