Krawalle begleiten Castor-Start Aktivisten kritisieren Sicherheitslücken

Gorleben/Valognes · Der Atommüll-Transport aus Frankreich hat nach Informationen von Kernkraftgegnern in Nordfrankreich gegen 04.30 Uhr die Stadt Reims mit zwei Stunden Verspätung erreicht. Im Laufe des Tages soll er Deutschland erreichen. Der Start am Mittwochabend war von Krawallen verzögert worden. Aktivisten kritisierten derweil Sicherheitsmängel des Transports.

Wann und wo der Zug über die Grenze nach Deutschland und dann Richtung Gorleben fährt, ist noch unklar. Aktivisten kündigten Protestaktionen entlang der Strecke an. Laut den Atomkraftgegnern gibt es drei verschiedene Routen.

Die Aktivisten kritisierten, es habe eine "inakzeptable" Sicherheitslücke in Longueau gegeben, als ein Fotograf unbehelligt rund zehn Minuten lang entlang des dort haltenden Castor-Transports gelaufen sei. Dabei sei der Mann weniger als zehn Meter von dem Zug entfernt gewesen. Zudem sei der Hubschrauber, der den Konvoi begleiten soll, wegen Nebels am Boden geblieben, erklärte das Netzwerk weiter.

Etwa fünfhundert Personen hatten am Mittwoch versucht, die Abfahrt des Zuges in Frankreich zu verhindern. Es kam zu Auseinandersetzungen. Mehrere hundert Demonstranten, die teilweise Masken und Schutzanzüge trugen, versuchten bereits am Vormittag, nahe Valognes die Gleise zu besetzen und aus dem Gleisbett Schotter abzutragen. Die Polizei ging daraufhin mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Atomkraftgegner aus mehreren Ländern vor, die nach Angaben der Präfektur ihrerseits Steine und Molotowcocktails einsetzten.

Dabei wurden den Atomkraftgegnern zufolge mindestens drei Demonstranten verletzt und zwölf festgenommen. Die Demonstranten wurden von der Polizei auf Distanz gehalten, so dass sie die Abfahrt des Zuges erst mit zehnminütiger Verspätung mitbekamen. Die Präfektur hatte am Dienstag einen Sicherheitsabstand von 500 Metern zu den Gleisen verfügt.

Greenpeace verurteilt Gewalt

Wenige Kilometer von Valognes entfernt geriet ein Polizeifahrzeug in Brand, das als Essenswagen diente und mit einer Gasflasche ausgestattet war. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die sich nicht an den Blockaden beteiligte, verurteilte die Gewalt auf beiden Seiten.

Valognes liegt rund 35 Kilometer von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague entfernt, die zum letzten Mal hoch radioaktiven Atommüll nach Deutschland zurückschickt. Ab 2014 sind noch Transporte aus der britischen Aufbereitungsanlage Sellafield geplant. Drei Jahre später soll im Zuge des Atomausstiegs dann Schluss mit der Wiederaufbereitung deutschen Atommülls im Ausland sein. Insgesamt kamen aus La Hague, wo weiter mittel und schwach radioaktiver deutscher Atommüll aufbereitet wird, seit 1996 108 Transportbehälter zurück.

Die Transporte waren auf deutscher Seite stets von heftigen Protesten begleitet. Im vergangenen Jahr hatten bis zu 50.000 Menschen gegen den Castor demonstriert, auch dieses Jahr werden zehntausende Atomkraftgegner erwartet. Wann und wo der Zug mit den elf Behältern diesmal die deutsche Grenze passieren wird, ist noch nicht klar. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) forderte die Demonstranten zur Gewaltlosigkeit auf. "Es gibt ein Recht auf Demonstrationsfreiheit, es gibt aber kein Recht auf Gewalt", erklärte Röttgen am Mittwoch in Berlin.

Seine französische Kollegin, Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, zeigte wenig Verständnis für die Proteste. "Wir schicken diesen Müll ins Ausland zurück. Wollen die Demonstranten, dass wir ihn behalten?", fragte sie. Röttgen versicherte, dass die Bundesregierung zu ihrer Verpflichtung stehe, die bei der Nutzung der Atomenergie in Deutschland angefallenen radioaktiven Abfälle auch hierzulande zu entsorgen. Dazu gehörten auch die Abfälle, die am Wochenende in Gorleben erwartet werden. Ein Endlager für den deutschen Atommüll gibt es nicht - die Eignung des Salzstockes Gorleben ist umstritten.

Kretschmann: Demonstrationen unnötig

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält die bevorstehenden Demonstrationen gegen den Castor-Transport nach Gorleben für verzichtbar. "Protest macht jetzt eigentlich keinen Sinn mehr. Beschlossen ist: Deutschland steigt aus der Atomkraft aus", sagte Kretschmann der Wochenzeitung "Die Zeit".

Mit dem Ausstieg sei die Endlagerfrage neu eröffnet worden, da nun bekannt sei, über wie viel Atommüll insgesamt geredet werde. "Alle Bundesländer haben zugestimmt. Deshalb muss man jetzt nicht nur protestieren, sondern auch zusehen, dass es gemacht wird", fügte Kretschmann hinzu.

(AFP)
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