Bundesregierung spricht erstmals direkt mit Taliban Aufschlag in Kabul

Meinung | Berlin · Erstmals seit der Machtübernahme durch die Taliban verhandelt die Bundesregierung in Kabul direkt mit den Taliban. Die rdaikalen Islamisten müssen Grundrechte garantieren und dem Terrorismus abschwören, sonst kann es keine Zusammenarbeit geben.

 Taliban prägen das öffentliche Bild in der afghanischen Hauptstadt: Ein Religionskrieger in Kabul (Symbolbild).

Taliban prägen das öffentliche Bild in der afghanischen Hauptstadt: Ein Religionskrieger in Kabul (Symbolbild).

Foto: AP/Petros Giannakouris

Afghanistan steht vor einem Hungerwinter. Die Wirtschaft liegt am Boden. Gehälter von Staatsbediensteten sind seit Monaten nicht bezahlt. Viele Menschen wollen lieber heute als morgen das Land verlassen. In Afghanistan regiert wer? Die Taliban. Jetzt hat die Bundesregierung erstmals seit der Machtübernahme durch die radikal-islamistischen Religionskrieger hochrangige Diplomaten zu Verhandlungen mit der De-Facto-Regierung nach Kabul geschickt. In Afghanistan wird deswegen der Frieden nicht ausbrechen, ebenso wenig wie in den 20 Jahren, in denen eine Nato-geführte internationale Militärallianz versucht hat, das Land zu demokratisieren und die Taliban von der Macht fernzuhalten. Beides ist gründlich misslungen, wie die Welt spätestens seit der Eroberung von Kabul durch die Taliban und dem fluchtartigen Abzug des Westens inklusive der Bundeswehr erfahren hat.    

Tausende Ortskräfte und Schutzbedürftige konnten die Nato-Truppen mitausfliegen. Aber ebenso sind noch Tausende Afghanen im Land, bei denen die Bundesregierung im Wort steht, sie in eine sichere Zukunft nach Deutschland zu bringen. Dazu braucht die Regierung auch die Taliban, zumindest jedoch den Dialog mit den religiösen Islamisten, die selbst unter hohem Druck stehen – auch durch die Konkurrenz durch die Terrormiliz Islamischer Staat in Afghanistan stehen. Eine hungernde und frierende Bevölkerung wird ihnen nicht glauben, erst recht nicht folgen. Die Menschen wollen wissen, dass es ihnen auch unter der neuen Regierung, die sie nicht herbeigesehnt haben, so gut geht, dass sie zumindest ihr Leben bezahlen können. Und das ist im Moment für die Taliban-Regierung eine echte Hürde.

Es ist richtig, dass die Bundesregierung den Menschen in Afghanistan vor diesem Hungerwinter humanitär hilft. Wichtig dabei: Hilfsorganisationen müssen die Hilfe verteilen, nicht die Taliban. Reden mit unbeliebten Machthabern gehört zum politischen Geschäft. Die Taliban-Regierung muss wissen, dass Kooperation daran gekoppelt sein muss, ob sie Zusagen überprüfbar einhält: Zugang zu Bildung für Mädchen und Frauen, freie Ausreise für alle, die das Land verlassen wollen, kein Rückzugsraum mehr für Terroristen auf afghanischem Boden.  

Der Bundestag wird künftig noch genauer überlegen müssen, zu welchen Bedingungen und für welche Ziele er Soldatinnen und Soldaten der Parlamentsarmee Bundeswehr zu Einsätzen ins Ausland schickt. Denn Afghanistan war ein Kampf-, auch ein Kriegseinsatz mit erheblichem Blutzoll für ein am Ende total unbefriedigendes Ergebnis. Eine zentrale Erkenntnis aus diesem Afghanistan-Einsatz dürfte wohl sein, dass der Export einer dem Westen genehmen Staats- und Gesellschaftsform – wir nennen es Demokratie – nicht beliebig in allen Regionen dieser Erde Abnehmer findet. 

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort