Neue Anhörung angeordnet Weitere Wendung im aus „Serial“ bekannten Fall Adnan Syed
Annapolis · Verwicklungen weiterer Verdächtiger und DNA-Tests hatten nach 20 Jahren Haft zu einer Aufhebung des Urteils über Adnan Syed geführt, dessen Fall durch den Podcast „Serial“ bekannt wurde. Nun scheint es ein Verfahrensproblem gegeben.
Neue Volte im Justizdrama um den einst wegen Mordes verurteilten US-Amerikaner Adnan Syed: Ein Berufungsgericht im Staat Maryland hat die Aufhebung des Schuldspruchs zurückgenommen und eine neue Anhörung zu dem Fall angeordnet, der durch den Podcast „Serial“ weltweite Bekanntheit erlangt hat. Grund sei, dass eine niedrigere Instanz die Familie des Opfers nicht mit genügend Vorlaufzeit über den Gerichtstermin im September informiert habe, bei dem das Urteil gegen Syed gekippt wurde, befand das dreiköpfige Richtergremium am Dienstag (Ortszeit).
Der Schuldspruch und die Verurteilung zu lebenslanger Haft hätten nunmehr wieder Gültigkeit, hieß es weiter. Doch bleibt Syed vorerst auf freiem Fuß. Der Beschluss des Berufungsgerichts wird nämlich erst in 60 Tagen wirksam, damit beide Seiten nun in Ruhe entscheiden können, ob sie die Anordnung anfechten oder das Verfahren auf den Weg bringen. Syeds Anwältin Erica Suter kündigte bereits an, dass sie den Obersten Gerichtshof von Maryland um Prüfung des Falls bitten werde.
Im Februar 1999 war die Leiche einer 18-Jährigen in einem Park in Baltimore entdeckt worden. Im Jahr darauf wurde ihr Ex-Freund Syed für schuldig befunden, die Jugendliche erwürgt zu haben. Er erhielt eine lebenslange Haftstrafe.
Die Journalistin Sarah Koenig arbeitete den Fall später zusammen mit Kollegen auf. Die Recherchen wurden in der ersten Staffel des Podcasts „Serial“ von 2014 veröffentlicht. Die Mischung aus investigativem Journalismus und dramatischer Präsentation machte „Serial“ weit über die USA hinaus ungemein populär.
Die „Serial“-Rechercheure fanden unter anderem heraus, dass Syeds Anwalt wichtiges Material zur potenziellen Entlastung seines Mandaten ungenutzt gelassen hatte. Der Fall wurde auch in einer Doku des US-Bezahlsenders HBO von 2019 aufgearbeitet.
In einem überraschenden Schritt gab dann im vergangenen September die oberste Staatsanwältin von Baltimore bekannt, die Aufhebung des Urteils gegen Syed beantragt zu haben. Als Grund nannte sie „neue Informationen“ zu zwei möglichen anderen Verdächtigen. Außerdem gebe es Zweifel an der Exaktheit von Funkzellenabfragen, mit denen Syeds Aufenthaltsort am Tag des Mordes nachgewiesen werden sollte.
Die Staatsanwaltschaft räumte ein, „das Vertrauen in die Richtigkeit des Urteils verloren“ zu haben. Die zuständige Richterin urteilte schließlich, eine Aufhebung des Urteils sei „im Interesse der Justiz und der Fairness“. Sie hob das Hafturteil gegen Syed auf und ordnete dessen Entlassung in den Hausarrest an. Später ließ die Staatsanwaltschaft die Anklage fallen. Nun gehen die rechtlichen Auseinandersetzungen in eine neue Runde.
Der Bruder des Opfers war an einem Freitagnachmittag über die für den folgenden Montag angesetzte Anhörung informiert worden, die Syed die Freiheit schenken sollte. Damit habe der in Kalifornien lebende Angehörige nur einen Werktag vor dem Gerichtstermin und damit nicht genügend Zeit gehabt, um persönlich erscheinen zu können, befand das Berufungsgericht. Einen Antrag des Bruders des Opfers auf Vertagung der Anhörung um eine Woche, um ihm eine Teilnahme zu ermöglichen, lehnte die damals zuständige Richterin ab. Er musste sich letztlich via Zoom zuschalten lassen.
Marylands Gesetze räumten Opfern das Recht ein, mit ausreichender Vorlaufzeit über Anhörungen über eine Aufhebung von Schuldsprüchen benachrichtigt zu werden, doch sei das dem Bruder des Opfers verwehrt worden, erklärte das Berufungsgericht. Es ordnete zudem an, dass die neue Anhörung transparenter sein müsse. Dies bedeute, dass Beweise, die der Aufhebung des Urteils zugrunde lägen, präsentiert werden müssten und das Gericht seine Beweggründe für seine Entscheidung offenlegen müsse.
Zur neuen Wendung im Fall sagte Syeds Anwältin Suter, es gebe keinen Grund, ihren Mandanten zu retraumatisieren, indem man ihm wieder den Status eines verurteilten Verbrechers überstülpe. „Fürs erste bleibt Adnan ein freier Mann.“