Mammut-Prozess in Frankreich 5127 Frauen klagen wegen Billig-Brustimplantaten

Paris · Für zehntausende Frauen sind ihre Brustimplantate zum Problem geworden: Weil die französische Firma PIP drei Viertel ihrer Prothesen mit einem Billig-Gel gefüllt haben soll, mussten sich die Patientinnen ihre Implante wieder entfernen lassen. Jetzt kommt der Fall in Frankreich vor Gericht.

Skandal um PIP-Brustimplantate
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Skandal um PIP-Brustimplantate

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Die Billig-Brustimplantate von PIP haben sich auch in Deutschland etwa 5000 Frauen einsetzen und wegen der Gesundheitsgefahr teils wieder herausoperieren lassen.

Nun beginnt in Frankreich der erste große Strafprozess gegen PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas. Ab Mittwoch muss sich der 73-Jährige im südfranzösischen Marseille wegen des Vorwurfs der schweren Täuschung und des Betrugs vor Gericht verantworten.

Der Prozess - zwei andere Ermittungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung sowie wegen betrügerischen Bankrotts laufen noch - kündigt sich als Mammutveranstaltung an: 5127 Klägerinnen haben sich bis heute bei der Justiz in Marseille gemeldet, zu 95 Prozent Französinnen, aber auch zwei Frauen aus Deutschland sowie weitere aus Argentinien, Österreich, Belgien, Spanien, Großbritannien und der Schweiz.

Implantate illegal mit Billig-Gel gefüllt

Neben Firmengründer Mas müssen sich vier frühere Angestellte seiner südfranzösischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) verantworten. Ihnen drohen insgesamt bis zu sechs Jahre Haft. Mas hat bereits zugegeben, seit 1995 drei Viertel seiner Brust-Prothesen illegal mit einem Billig-Gel gefüllt zu haben, das er mit einem eigentlich für Industrieprodukte bestimmten Silikon des deutschen Chemiegroßhändlers Brenntag zusammenmixte. Dabei soll es sich um ein Gel gehandelt haben, wie es auch für Matratzen und Computer verwendet wird.

Die Billig-Einlagen bekamen vermehrt Risse und werden für Entzündungen bei den Frauen verantwortlich gemacht. Nicht erwiesen ist bisher, ob die Implantate auch Krebs auslösten. Gesundheitsbehörden mehrerer Länder, darunter Deutschlands, hatten ab Ende 2011 die betroffenen Frauen aufgerufen, sich die Silikonkissen vorsichtshalber entfernen zu lassen.

Der Gründer der Firma PIP, die zeitweise zum weltweit drittgrößten Produzenten von Silikoneinlagen aufstieg und seit 2010 aufgelöst ist, weist den Vorwurf der Gesundheitsgefährdung zurück. "Alle Silikongele weisen eine reizauslösende Wirkung auf", ließ Mas die Frauen wissen, die auch andere Silikon-Implantate tragen.

Kontrolleure vom TÜV systematisch getäuscht

Allerdings gestand Mas im Polizeiverhör unumwunden, dass er die Kontrolleure des deutschen TÜV Rheinland, die seine Produkte europaweit zertifizierten, systematisch hinters Licht geführt hatte. Vor deren - angekündigten - Besuchen habe er jedesmal angeordnet, "alle Unterlagen zu verstecken, die einen Bezug zu dem nicht zugelassenen PIP-Gel hatten". Sogar ganze Container mit dem hausgemachten Produkt ließ er verschwinden.

Das Billig-Gel kostete Mas zehnmal weniger als das eigentlich vorgesehene Nusil-Gel - die Firma sparte dadurch laut Staatsanwaltschaft jährlich mehr als eine Million Euro. Auch das gestand Firmengründer Mas ohne zu zögern: "Ich habe das absichtlich getan, weil das PIP-Gel billiger war." Die Klägerinnen aber, meint er, wollten doch nur Geld aus dem Prozess schlagen.

Unklar ist, von wem die Opfer entschädigt werden könnten. Der Firmengründer ist nach eigenen Angaben pleite, auch wenn manche Frauen vermuten, er habe sein Vermögen ins Ausland geschafft. Der TÜV sieht sich selbst als Opfer und tritt in Marseille als Kläger auf. Auch der Versicherer Allianz lehnt Zahlungen mit dem Verweis ab, der Vertrag mit PIP sei wegen des Betrugs nichtig.

Viele Frauen sind der Ansicht, dass auch die französische Arzneimittelbehörde ANSM oder Schönheitschirurgen auf der Anklagebank sitzen müssten. Sie hätten schon lange vor dem Verbot der PIP-Implantate im März 2010 von deren Gefährlichkeit wissen müssen. Und auch die EU mit ihrem Kontrollsystem steht am Pranger. Eine Anwältin forderte, dass die EU "einen Entschädigungsfonds für Opfer von Medizinprodukten schaffen" müsse. In Deutschland sind Klägerinnen mit der Forderung nach Schmerzensgeld wegen der PIP-Implantate bisher vor Gericht gescheitert.

(AFP/jco/sap)
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