Mysteriöse Tierseuche Rätsel um Elefantensterben in Botswana

Gaborone · Seit Mai sollen im Okavango-Delta rund 400 tote Tiere gefunden worden sein. Forscher suchen nach der Ursache und vermuten eine Seuche. Sie sprechen von einer Katastrophe für die weltweite Population.

 Ein toter Elefant liegt im Okavango-Delta im südafrikanischen Botswana in einem Gebüsch.

Ein toter Elefant liegt im Okavango-Delta im südafrikanischen Botswana in einem Gebüsch.

Foto: dpa/Uncredited

Es sind verstörende Bilder: Elefanten liegen leblos nahe Wasserstellen im Gras oder im Sand, die Körper teils eingefallen, teils aufgebläht, manchmal hat es die Kolosse nebeneinander niedergestreckt. Rund 400 tote Tiere sollen laut der Tierschutzorganisation Elephants Without Borders (EWB) seit Mai im Okavango-Delta in Botswana gefunden worden sein, offizielle Stellen sprechen von mindestens 275 verendeten Elefanten. Noch lebende Exemplare in der Region sollen teils apathisch und desorientiert umherirren. Die Ursachen für das mysteriöse Massensterben sind bislang unklar.

Labore in Südafrika, Simbabwe und Kanada haben Gewebeproben von den toten Elefanten erhalten, um sie zu untersuchen. Dass Wilderer für den Tod der Riesen verantwortlich sind, wird ausgeschlossen. Die toten Tiere hatten vielfach noch ihre begehrten Stoßzähne, auf die es Elfenbeinjäger abgesehen haben, und waren auch sonst äußerlich unversehrt. Lucas Taolo, Leiter der Behörde für Wildtiere und Nationalparks, rief die Bewohner umliegender Gemeinden auf, die Stoßzähne nicht anzufassen.

Es sei „eine der größten Katastrophen, die Elefanten in diesem Jahrhundert heimgesucht haben“, teilte der Leiter der Artenschutzorganisation National Park Rescue, Mark Hiley, mit. Bereits Anfang Mai seien Elefanten in großer Zahl umgekommen, aber zwei Monate später wisse man immer noch nichts über die Gründe. Das neuartige Coronavirus sei vermutlich nicht verantwortlich, aber im Moment könne man noch gar nichts ausschließen, auch nicht die Möglichkeit, dass die Elefanten vergiftet worden sein könnten, schrieb Hiley. Immer wieder werden frei lebende Tiere in Afrika mit Cyanid getötet, oft von Wilddieben, die ihre Spuren verwischen wollen. Aber auch Hirten greifen zum Gift, um ihre Herden vor Raubtieren zu schützen oder Kleinbauern, die ihre Ernte durch die gefräßigen Riesen gefährdet sehen. Ein Elefant frisst bis zu 200 Kilogramm Blätter pro Tag und säuft 70 bis 150 Liter Wasser.

Dennoch sei eine Vergiftung nach Untersuchung der Wasserstellen eher auszuschließen. Außerdem sind nur Elefanten und nicht andere Wildtiere betroffen. Auch Milzbrand kommt nicht infrage. Die Infektionskrankheit wird durch den Erreger Bacillus anthracis verursacht und grassiert in Botswana immer wieder unter Flusspferden und Elefanten. Tests konnten den Erreger jedoch nicht nachweisen.

Betroffen sind sowohl männliche als auch weibliche Tiere, dazu junge wie alte. Mit Hilfe von Luftaufnahmen wurde festgestellt, dass 70 Prozent der verstorbenen Tiere nahe Wasserlöchern verendeten.
EWB-Chef Michael Case berichtete, sie hätten lebende Elefanten angetroffen, die ausgezehrt ausgesehen hätten. Einige von ihnen lahmten und schienen nicht zu wissen, wo sie sich befanden. Dies könne auf eine neurologische Erkrankung zurückzuführen sein. „Wir haben einen Elefanten beobachtet, der im Kreis herumlief und es trotz der Hilfe anderer Tiere aus seiner Herde nicht schaffte, die Richtung zu wechseln“, sagte Case.

Laut May Hogan, Tierärztin und Elefanten-Expertin beim WWF Deutschland, gab es im südafrikanischen Krüger-Nationalpark in der Vergangenheit bereits Fälle von Elefantensterben, die auf ein Virus zurückzuführen waren, das eine Herzmuskel-Entzündung hervorruft. Auch neurologische Symptome seien als Folge möglich. Tierarzt Niall McCann, der für die britische Wohltätigkeitsorganisation National Park Rescue mit afrikanischen Nationalparks zusammenarbeitet, vermutet als Auslöser des Massensterbens eine Seuche, die das Gehirn angreift. Dies würde auch das merkwürdige Verhalten noch lebender Tiere erklären. „Eine so hohe Sterblichkeit, die nichts mit einer Dürre zu tun hat, ist sehr ungewöhnlich“, sagte er der BBC.

Das Fatale: Solange man nicht genau wisse, mit welcher Krankheit man es zu tun habe, solange sei es unmöglich zu sagen, ob eine Gefahr für Menschen bestehe. Denn auch das Coronavirus ist wahrscheinlich von Fledermäusen über Schuppentiere auf den Menschen übergesprungen. „Das Elefantensterben ist eine Katastrophe für den Artenschutz – aber die Gefahr ist nicht auszuschließen, dass es auch zu einer Gesundheitskrise wird“, so McCann. WWF-Expertin Hogan sieht aber eher eine potenzielle Gefahr für Menschen, die direkten Kontakt zu toten Elefanten haben. „Dennoch muss man immer im Hinterkopf haben, dass ein Erreger überspringen kann“, sagt Hogan.

In Botswana leben rund 30 Prozent der afrikanischen Elefanten, zehn Prozent davon sind der Region im Okavango-Delta zuzurechnen. Laut Tierschützern könnte das Massensterben, wenn es weitergehe und die Ursache nicht gefunden werde, einen Einfluss auf die weltweite Elefanten-Population haben. „Gerade wenn solche Phänomene gehäuft an mehreren Orten auftreten“, sagt Hogan.

Der britische „Guardian“ kritisierte, dass die Regierung von Botswana nur sehr langsam reagiert habe. So seien beispielsweise private Hilfsangebote nicht in Anspruch genommen worden. Zudem werde wohl auch wegen der Pandemie einige Zeit vergehen, bis die Ergebnisse der Gewebeproben vorliegen. Zeit, die möglicherweise viele weitere Elefanten das Leben kostet.

(mit Material von ap)
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