Lebensfrohe Frauen mussten sterben Auch die Angehörigen sind Opfer der Darmstädter Steinewerfer

Darmstadt (dpa). Zwei Menschen sind tot, fünf weitere verletzt worden. Von ihnen wird in der Hauptverhandlung gegen die Steinewerfer von Darmstadt nur selten die Rede sein. Die Richter am Darmstädter Landgericht müssen die individuelle Schuld der drei angeklagten amerikanischen Jugendlichen herausfinden, die am 27. Februar dieses Jahres von einer Fußgängerbrücke kiloschwere Steine auf vorbeifahrende Auto geworfen haben. Die Geschichte ihrer zufälligen Opfer spielt für die Juristen keine große Rolle.

Mit Sandra Ottmann (20) und Karin Rothermel (41) wurden zwei lebensfrohe Frauen Opfer der Steinewerfer. Die Justizangestellte und Amerika-Liebhaberin Rothermel hinterlässt ihren Mann Detlef und zwei Kinder im Alter von 13 und 17 Jahren. Denen gehe es nicht besonders gut, berichten Helfer, trotz des erklärten Willens der Familie, in ihrem Leben wieder zur Normalität zurückzukehren.

Der sinnlose Tod der Bad Homburger Auszubildenden Sandra Ottmann hat ihre Familie schwer getroffen. Am schlimmsten mitgenommen hat es die Großmutter, die ein besonders enges Verhältnis zu dem lebenslustigen Mädchen hatte. Dem Magazin "Stern" vertraute die 76 Jahre alte Babette Ottmann an: "Mein Leben ist nicht mehr lebenswert." Bei dem Anschlag auf dem Beifahrersitz selbst schwer verletzt, ist sie körperlich schwer mitgenommen: Kopfschmerzen, nachlassende Sehkraft, Kraftlosigkeit und ein gelähmter rechter Arm sind einige Symptome bei der gebrochenen Frau.

Sandras geschiedene Eltern wollen bei dem Prozess als Nebenkläger auftreten. Heinz-Joachim Ottmann hat sich in Interviews enttäuscht darüber gezeigt, dass die Familien der Täter bislang noch nicht einmal ihr Beileid ausgesprochen haben. Auch sie hätten versagt. Für die Angeklagten empfinde er nichts, sagte er dem "Darmstädter Echo": "Ich verachte sie nur. Ihre Brutalität ist nicht zu entschuldigen."

Dabei ist die Zahl der Opfer noch weitaus größer, berichtet der Polizist Karl J. Kärcher, Vorsitzender der Opferhilfe Südhessen. Mit rund 25 Menschen hat die ehrenamtliche Initiative Kontakt gehabt, die von den Steinewerfern in irgendeiner Form in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Vier von ihnen haben sich inzwischen in psychologische Behandlung begeben, zu fünf Familien haben die Helfer noch regelmäßigen Kontakt.

In den Gesprächen sei es immer wichtig, die Grenze zu erkennen, ab der ein Geschädigter professionelle Hilfe benötige, sagt Kärcher. Ein "küchenpsychologisches Rumdoktern" mit Gewaltopfern dürfe es nicht geben. Wie ernst die psychischen Schäden sein können, belegen die Beschwerden von "Davongekommenen", die unter Angstzuständen leiden. "Einer kann überhaupt nicht mehr richtig Autofahren, ein anderer hat unter jeder Brücke Angst."

Die Opferhilfe hat zudem einige tausend Mark Spenden eingesammelt. Die seien beispielsweise für Beerdigungen und an Autobesitzer weitergegeben worden, deren Schaden die Versicherungen nicht übernommen haben. Auch bei Streitigkeiten zwischen den einzelnen Trägern von Therapien unterstützt die Opferhilfe die Menschen.

(RPO Archiv)
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