Kinderschänder steht vor GerichtDutroux-Prozess: "Ich glaube, Ihr Mandant schläft"
Arlon (rpo). Am Dienstag ist in Belgien der Prozess gegen den mutmaßlichen Kindermörder Marc Dutroux in den zweiten Verhandlungstag gegangen. Gleich am ersten Tag brachte Dutroux die Stimmung im Gerichtssaal gegen sich auf, auch kam es zu einer schweren Sicherheitspanne. Überdies sind neue Spekulationen über einflussreiche Hintermänner aufgekommen. Durch betont unbeteiligtes Verhalten hat er am Montag die Stimmung im Gerichtssaal gegen sich aufgebracht. Der 47-Jährige antwortete am Montag im Schwurgericht im südbelgischen Arlon emotionslos auf Fragen und legte zwischenzeitlich sogar den Kopf auf die verschränkten Arme. Neben Dutroux sind drei mutmaßliche Komplizen angeklagt, darunter auch seine Ex-Frau Michelle Martin. Das Verfahren findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Ein Urteil in dem Mammutprozess mit mehr als 450 Zeugen wird frühestens Anfang Mai erwartet. Dutroux und die drei Mitangeklagten mussten sich zunächst Fragen nach Namen, Alter und Beruf stellen. Dutroux antwortete mit tonloser Stimme. In grauer Jacke, hellem Hemd, grauem Pullover und Krawatte wirkte er über weite Strecken abwesend. "Ich glaube, Ihr Mandant schläft", sagte der in roter Robe gekleidete Präsident des Schwurgerichts, Stéphane Goux, zu einem der Anwälte. Es war Dutroux' erster öffentlicher Auftritt seit seiner spektakulären Flucht aus einem Gerichtsgebäude 1998. Damals konnte ihn die Polizei nach drei Stunden wieder festsetzen. "Diesmal wird er nicht davonkommen""Diesmal wird er nicht davonkommen", zeigte sich der Sicherheitschef von Arlon, Jean-Yves Schul, überzeugt. "Wir sind auf jeden Angriff auf Dutroux oder die Geschworenen vorbereitet." In und um die 24.000-Einwohner-Stadt waren mehr als 300 Polizisten im Einsatz. Zeitweise kreiste ein Helikopter über der Kleinstadt. Dem 47-jährigen Dutroux wird vorgeworfen, 1995 und 1996 sechs Mädchen entführt, vergewaltigt und zum Teil monatelang in Kellerverliesen versteckt zu haben. Vier der Opfer im Alter von acht bis 19 Jahren starben an den Torturen. Das Urteil für Dutroux dürfte lebenslänglich lauten. Wegen Kindesentführung und Vergewaltigung war er bereits 1989 zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Er wurde aber schon 1992 wieder entlassen. Schwere SicherheitspanneAm ersten Tag des Prozesses gegen den mutmaßlichen Kindermörder Marc Dutroux hat eine schwere Sicherheitspanne für Empörung gesorgt. Die Hecktür des grünen Polizeitransporters, in dem Dutroux am frühen Morgen zum Gericht gefahren wurde, stand offen, wie die Brüsseler Polizeisprecherin Els Cleemput am Montag dem belgischen Fernsehsender RTL-TVI bestätigte. Die Beamten hätten dies zwar bemerkt, sie hätten sich aber "aus Sicherheitsgründen" zur Weiterfahrt entschieden. Der Weg von dem nur wenige hundert Meter entfernten Gefängnis zum Gericht in Arlon sei "nicht weit" gewesen. Eine Flucht Dutroux' bezeichnete sie als "unmöglich". Cleemput nannte die Panne einen "winzigen Fleck für einen Ordnungsdienst, der hervorragend funktioniert hat". Die Szene weckt Erinnerungen an Dutroux' erste spektakuläre Flucht aus der Haft 1998. Damals war es ihm gelungen, beim Besuch in einem Gerichtsgebäude einen Polizisten zu überwältigen. Nur durch den sofortigen Einsatz großer Suchtrupps konnte er nach rund drei Stunden festgesetzt werden. Die Panne hatte schwerwiegende Konsequenzen: Die belgischen Minister für Inneres und Justiz mussten zurücktreten.Spekulationen über Pädophilen-NetzwerkZu Beginn des Verfahrens erhielten Spekulationen über ein mögliches Pädophilen-Netzwerk um Dutroux neue Nahrung. Belgische Medien zitierten ein Schreiben Dutroux', wonach sich der 47-Jährige "instrumentalisiert" fühlt. Darin heißt es: "Die Leute wollen glauben, dass ich im Mittelpunkt stehe. Sie irren sich." Weiter heißt es: "Ich habe Dinge getan, für die ich nicht der Antrieb bin. Ich bin von anderen instrumentalisiert worden, die wiederum von Dritten instrumentalisiert wurden." Auch Dutroux' Anwälte bekräftigten, ihr Mandant sei kein Einzeltäter gewesen. In einem siebenseitigen Fax fragen sie suggestiv: "Sollen wir das einzige Land auf der Welt sein, wo Pädophile perverse Einzeltäter sind?" Der Anwalt von Dutroux' mutmaßlichem Komplizen Michel Lelièvre, Olivier Slusny, wies die Netzwerk-These dagegen zurück. "Es ist wie die Ermordung von Präsident Kennedy. Wenn etwas zu groß ist, braucht man eine Erklärung. Ich glaube nicht, dass es eine Mafia-Organisation gibt. Sieben Jahre lang haben sie nach einem möglichen Netzwerk gesucht, und sie haben nichts gefunden." Zwölf Geschworene ausgelostAm Ende des ersten Prozesstags waren die zwölf Geschworenen ausgelost, die über Dutroux und seine Mitangeklagten urteilen sollen. Die sechs Männer und sechs Frauen sollten noch am späten Nachmittag vereidigt werden. Für Dienstag war die Verlesung der 56-seitigen Anklageschrift vorgesehen. Die Anwälte Dutroux' wollten zudem ihre Verteidigungsschrift vortragen.