Düsseldorf Angeklagter schweigt zu Kanzlei-Morden

Düsseldorf · Fünf Monate nach der Mordserie in zwei Anwaltskanzleien in Düsseldorf und Erkrath mit drei Toten und drei Schwerverletzten steht der mutmaßliche Täter vor Gericht. Ungerührt verfolgte er die Aussage eines seiner Opfer.

Der Mann wirkt gefasst, ruhig, aufmerksam. Nervosität oder ein besonderer Leidensdruck ist dem 48-jährigen Angeklagten, gegen den das Düsseldorfer Landgericht seit gestern verhandelt, nicht anzumerken. Auch nicht, als die Mord-Anklage gegen ihn verlesen wird. Bei einem Amoklauf durch Anwaltsbüros in der Landeshauptstadt, in Erkrath und dann in einer Pizzeria in Goch soll er im Februar als Vergeltung für angeblich schlechte Behandlung drei Menschen ermordet haben, vier weitere Mordversuche verübt und dazu noch Feuer gelegt haben, um die Tatorte einzuäschern. Die Anklage spricht von Vorsatz, Heimtücke, niederen Beweggründen. Der angeklagte Koch leiht derweil bei seinen Anwälten einen Stift aus, macht Notizen, mustert aufmerksam die Gesichter im dicht besetzten Zuschauerraum. "Ich schweige heute", sagt er mit fester Stimme.

Nichts deutet an diesem ersten von 17 Prozesstagen um den Amoklauf auf die gespenstische Dramatik des Tattages hin - und darauf, dass der Täter vor fünf Monaten über Stunden hinweg eine blutige Spur der Gewalt von Düsseldorf bis zum Niederrhein gezogen hat. Ausgelöst wurde diese Kette aus Morden, Mordversuchen und Brandstiftungen schon Ende 2011 durch eine banale Ohrfeige, so die Anklage. Die hatte der 48-jährige Familienvater, der aus China stammt und hier als Spezialitätenkoch tätig war, einst einer Kollegin versetzt. Weil sein Schlag das Trommelfell der Kollegin zertrümmerte, war er schriftlich zu 2700 Euro Strafe verurteilt worden. Um dagegen vorzugehen, engagierte er zunächst Anwälte aus Düsseldorf, als das nichts half, wandte er sich an eine Kanzlei in Erkrath. Die Juristen sollten gegen die Düsseldorfer vorgehen, winkten aber ab.

Irgendwann, so die Anklage, ist in dem Ehemann und Vater zweier Kinder der Entschluss gereift, sich gewaltsam an den Beteiligten zu rächen. Bewaffnet mit zwei Pistolen, mit Messern und einem Benzinkanister war der 48-Jährige demnach in ein Düsseldorfer Anwaltsbüro gefahren, hatte dort nach kurzem Gerangel zwei Anwälte durch zahlreiche Stiche in deren Köpfe getötet, dann im Büro Feuer gelegt. Direkt danach hat er angeblich eine Bürogehilfin in der Erkrather Kanzlei gleich an der Tür per Kopfschuss getötet, danach einem dortigen Anwalt, der im Rollstuhl sitzt, in den Bauch geschossen - und den Schwerverletzten zurückgelassen. Erst in letzter Sekunde konnte dieser Anwalt gerettet werden.

Als erster von vielen Zeugen des Prozesses beschrieb der Jurist die Tat gestern betont sachlich: "Der Angeklagte schoss auf mich. Es fühlte sich an, als ob mir jemand einen Stein gegen den Oberbauch wirft." Zuvor hatte der Zeuge miterlebt, wie sein Anwaltskollege vielfach mit dem 48-Jährigen über dessen Rechtsprobleme stritt. Danach habe der Angeklagte "fünfzehn bis zwanzig Mal an einem Tag in der Kanzlei angerufen. Zuletzt wollte er vorbeikommen, sagte noch, wir müssten keine Angst haben, er wolle uns nichts tun, nur mit seinem Anwalt sprechen". Zwei Tage später sei der Angeklagte dann erschienen - und habe sofort um sich geschossen. Das Landgericht kündigte bereits gestern an, im Prozess gegen den 48-Jährigen auch langjährige Sicherungsverwahrung zu prüfen.

(RP)
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