Blutbad von Orlando "Es ist einfach unvorstellbar"

Orlando · Ein Mann hat in einer Schwulen-Disco in Florida mindestens 50 Menschen erschossen. Das FBI untersucht die Bluttat als einen möglichen Terrorakt. Womöglich war der Mann Unterstützer der IS-Terrormiliz.

Amoklauf in Orlando: Mindestens 50 Tote bei Schießerei in Disko
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Orlando: Mindestens 50 Tote bei Schießerei in Nachtclub

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Foto: dpa, pt

In der Nacht zum Sonntag um 2.02 Uhr beginnt der Mann, bewaffnet mit einem Sturmgewehr und einer Pistole, in dem beliebten Lokal im Zentrum Orlandos um sich zu schießen. Zu dieser Zeit sind mehr als 300 Gäste im "Pulse", einem Club, zu dessen Stammpublikum Schwule und Lesben zählen. Auf dem Programm steht eine "Latin Night", eine Nacht mit lateinamerikanischer Musik. "Wir tanzten, die Stimmung war auf dem Höhepunkt, und als ich die Schüsse hörte, konnte ich nur daran denken, dass du jetzt in Deckung gehen musst. Stattdessen bin ich nach draußen gerannt", schildert Joel Figueroa, ein 19-Jähriger aus Orlando. "Überall Schreie, und alle rannten in Richtung Ausgang." Gegen drei Uhr nachts warnt das Management des Clubs auf seiner Facebook-Seite: "Verlasst alle das Pulse!"

Es ist das schlimmste Schusswaffen-Massaker der amerikanischen Geschichte. In der Nacht zum Sonntag hat der Angreifer mindestens 50 Menschen getötet und mindestens 53 weitere verletzt. Die amerikanische Bundespolizei FBI spricht von einem möglichen terroristischen Hintergrund. Bei dem Täter handelt es sich um Omar Saddiqui Mateen, einen in den USA geborenen, in der Kleinstadt Port St. Lucie in Florida lebenden 29-Jährigen, dessen Eltern angeblich aus Afghanistan stammen. Mateen soll bei einer privaten Sicherheitsfirma gearbeitet haben.

Um fünf Uhr morgens beschließt eine Sondereinheit der Polizei, das Gebäude zu stürmen. Dabei, so John Mina, der Polizeichef Orlandos, sei es zu einem Feuergefecht zwischen dem Geiselnehmer und neun Beamten gekommen, bei dem der Täter erschossen und ein Ordnungshüter am Kopf verletzt worden sei - ein Kevlar-Helm habe Schlimmeres verhindert. Nach Darstellung Minas hatte der Angreifer zu fliehen versucht, nachdem er im "Pulse" ein Blutbad angerichtet hatte. Ein Polizeibeamter, der nicht im Dienst war und sich offenbar als Türsteher etwas dazuverdiente, soll sich ihm in den Weg gestellt haben. Daraufhin soll der Schütze zurück in das Lokal gerannt sein und Geiseln genommen haben. Nach ungefähr drei Stunden habe sich die Polizei zu einer gewaltsamen Befreiung entschieden und dabei mit schwerem Gerät eine verschlossene Tür des Clubs aus den Angeln gehoben.

Unklar war zunächst, wie viele Menschen starben, als Mateen um 2.02 Uhr zu feuern begann, und wie viele den Versuch der Geiselbefreiung mit ihrem Leben bezahlten. Das Police Department Orlandos sprach von ungefähr 30 Personen, die man durch die Erstürmung des Nachtclubs gerettet habe. Allerdings machten widersprüchliche Angaben, einander in manchen Details widersprechende Darstellungen die Runde. Der Schütze hat nach Angaben der Polizei vor allem ein Gewehr vom Typ AR 15 verwendet. Diese Waffe ist ein Sturmgewehr und quasi identisch mit dem M16, das der Hersteller Colt an das Militär verkauft.

Nach den Worten eines Ermittlers wird das Verbrechen vom FBI als ein möglicher Akt des Terrorismus untersucht. Dabei gehe es auch um eventuelle Verbindungen des Täters zu radikalislamischen Terrorgruppen, nichts werde ausgeschlossen. "Wir prüfen alle Aspekte", sagte Ronald Hopper, der zuständige FBI-Vertreter. Nach CNN-Informationen hatte das FBI den Täter als einen von vielen hundert Unterstützern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf dem Radar. Der Vater des mutmaßlichen Todesschützen hat Schwulenhass als mögliches Tatmotiv nicht ausgeschlossen. Sein Sohn sei vor zwei Monaten wütend geworden, als er gesehen habe, wie zwei Männer sich küssten, sagte er dem Sender NBC News.

Augenzeugen berichten, dass viele im "Pulse" zunächst an einen besonderen Clou glaubten, als die ersten Schüsse fielen. Rosie Feba war zum ersten Mal mit ihrer Freundin im "Pulse". Als Mateen zu feuern begann, versuchte sie, die alarmierte Begleiterin noch zu beruhigen. "Ich sagte ihr, das kann nicht echt sein, das gehört zur Musik. Bis ich sah, dass der Mann wirklich schoss." Eine andere Zeugin berichtet, es habe sich angehört wie ein Feuerwerk. "Pop, pop, pop - und dann liefen alle auseinander."

Als Buddy Dyer, Orlandos Bürgermeister, gestern Vormittag vor ein Mikrofon trat, rang er um Fassung. "Wir haben es mit etwas zu tun, was wir uns nie vorstellen konnten, mit etwas, was einfach unvorstellbar ist", sagte er. "Wir müssen stark bleiben", rief er die Einwohner der Stadt auf. Beim bislang folgenschwersten Massenmord der jüngeren US-Geschichte, dem Amoklauf eines Studenten an der Virginia Tech University in Blacksburg 2007, waren 32 Menschen gestorben. Floridas Senator Marco Rubio und Behördenvertreter riefen zu Blutspenden auf. Schon kurz darauf bildeten sich an mehreren Orten der Stadt Schlangen von Spendenwilligen.

Amok-Alarm gab es auch in Kalifornien: Vor Beginn einer großen Schwulen-Parade in Los Angeles ist in Santa Monica ein bewaffneter Mann festgenommen worden, wie US-Medien berichteten. Eine Sprecherin der Bundespolizei FBI bestätigte, dass die Behörde mit der Polizei ermittle. Die Sicherheitsvorkehrungen bei der Gay-Pride-Parade in West Hollywood waren erhöht worden. Der Bürgermeister von Los Angeles, Eric Garcetti, sagte vor Beginn der Feiern, dass der Umzug wie geplant stattfinden werde. Ein Zusammenhang mit der Attacke in Orlando und der Festnahme in Santa Monica ist nach Angaben der Ermittler nicht festgestellt worden.

(RP)
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