Iris Berben "Als Frau sollte man unabhängig sein"

Düsseldorf · Iris Berben spielt in "Sternstunde ihres Lebens" eine Anwältin, die sich maßgeblich für Gleichberechtigung engagierte. Im Interview mit unserer Redaktion spricht Berben über ihre Rolle und warum sie findet, dass beim Thema Gleichberechtigung in Deutschland noch einiges besser werden muss.

In dem Fernsehfilm "Sternstunde ihres Lebens" spielen Sie die Anwältin Elisabeth Selbert.Was hat Sie an der Rolle gereizt?

Iris Berben Ich muss zugeben, dass ich sie zunächst gar nicht kannte. Auch in meinem Umfeld, aus sehr politischen Kreisen, wusste kaum jemand wer Elisabeth Selbert ist. Nachdem ich mich ein bisschen mit ihrer Biografie beschäftigt hatte, fand ich, dass man die Geschichte dieser Frau einer Öffentlichkeit erzählen muss. Schließlich hat sie mit dem Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" im Grundgesetz etwas ins Rollen gebracht, das bis heute noch nicht beendet ist. Es führte für mich zu einer schnellen Entscheidung, diese Rolle anzunehmen.

Wie nehmen Sie Elisabeth Selbert wahr?

Berben Sie hat kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als Deutschland noch mit dieser schweren Belastung lebte, die Notwendigkeit erkannt, diesen wichtigen Satz ins Gesetz zu bringen. Das fand ich sehr emanzipatorisch zu einer Zeit, in der man hierzulande eigentlich nur an den Wiederaufbau dachte. Mich hat aber auch fasziniert, dass sie einen sehr starken Mann hinter sich hatte. Er ist derjenige gewesen, der sie unterstützt hat — es war ja damals schon ungewöhnlich, dass man den Frauen den Vortritt gegeben hat. Selberts Mann war also ebenso emanzipiert wie sie.

Das Thema Gleichberechtigung ist aktueller denn je. Haben wir in 65 Jahren nicht das geschafft, was Elisabeth Selbert erreichen wollte?

Berben Leider nein. Ich gehöre ja noch zu einer Generation, die wusste, dass Frauen ohne die Genehmigung ihres Mannes keinen Beruf ausüben durften. Wir haben in Deutschland zwar eine Menge erreicht, aber trotzdem ist dieser Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" immer noch nicht erfüllt. Denken Sie zum Beispiel an das Thema Lohngleichheit. Und nun reden wir auch schon wieder über eine Frauen-Quote. Eigentlich hatte doch ein großer Teil von uns Frauen angenommen, dass diese Diskussion nicht mehr geführt werden muss. Einen solchen Geschlechterkampf sollte es in aufgeklärten Ländern wie Deutschland nicht mehr geben. Aber wir sind wohl längst noch nicht angekommen.

Was sollte sich ändern?

Berben Wir kommen nur weiter, wenn wir gemeinsam mit den Männern daran arbeiten. Ich halte nichts davon etwas gegen sie durchzusetzen, denn man muss mit ihnen gemeinsam die Notwendigkeiten erkennen. Zum Glück gibt es da bereits viele kluge Männer.

Es sind also nicht nur Männer, die die Gleichberechtigung bremsen — sondern auch die Frauen?

Berben Wir leben natürlich jetzt in einer Zeit, in der vieles für die Frauen bequemer geworden ist. Heute haben sie so viele Möglichkeiten, die selbstverständlich scheinen und trotzdem muss man ihnen sagen: Nehmt Euch die Rechte, für die andere mühsam gekämpft haben und lehnt Euch nicht bequem zurück, um wieder das Hausmütterchen zu werden.

Die Frauen sind sich also nicht einig?

Berben Von der ewig zitierten "Frauen-Solidarität" ist man nicht immer umgeben. Es wäre eine Traumvorstellung zu sagen: Frauen halten immer zusammen. Viele Frauen haben sehr unterschiedliche Lebensmelodien und Vorstellungen. Und so gibt es wieder das Bild, wo sich Frauen gerne in dieses bequeme Leben fallen lassen und sagen: Alles wunderbar, mein Mann geht arbeiten und ich darf das Geld ausgeben. Mir ist das aber fremd. Ich finde, man sollte als Frau unabhängig und auf Augenhöhe mit dem Mann sein.

Welche Erfahrung haben Sie in Ihrem Leben gemacht?

Berben Ich hatte eine sehr selbstbestimmte, kluge Mutter. Sie war eine Frau, die mir Emanzipation vorgelebt hat, so dass es für mich selbstverständlich wurde. Ich kann deshalb nicht sagen, dass ich mich dem Thema jemals wirklich ausgesetzt fühlte und mich gegen Männer wehren musste. Ich habe immer versucht, sie als Komplizen zu nehmen und musste diese Kämpfe nie führen.

Und so wurden Sie auch zu einem Vorbild für viele andere Frauen...

Berben Das will ich gar nicht. Ich bin ein Mensch, der genauso mit seinen Fragen und Unsicherheiten durchs Leben geht wie jeder andere auch. Manche Dinge macht man richtig und ganz viele Dinge macht man auch falsch. Vorbild kann auch etwas sein, worin man erstarrt und man nur noch als solches wahrgenommen wird. Das möchte ich gar nicht.

Wer einen zielstrebigen Weg vorlebt, kann aber möglicherweise vielen anderen Menschen helfen.

Berben So geradlinig ist mein Weg gar nicht verlaufen, es gab viele Stolpersteine und Abzweigungen. Das finde ich auch richtig. Das müssen wir uns auch wieder leisten wollen. Viele junge Leute leben heute in einer Zeit, in der man überhaupt nicht mehr stolpern darf. Es wird eine Perfektion vorgegeben, die gar nicht eingehalten werden kann. Und das macht es für die jungen Menschen auch schwierig: Sie haben Angst zu scheitern. Dabei ist Scheitern ganz wichtig. Denn es ist ein Weg um einmal analytisch über sich selbst nachzudenken und zu reflektieren.

Beim Thema Gleichberechtigung wird auch immer noch viel über "Familie und Beruf" diskutiert. Auch hier leben Sie vor, dass man Kind und Karriere vereinen kann.

Berben Also ich habe mir damals, als ich meinen Sohn Oliver bekam, diese Frage nie wirklich gestellt. Ich habe damals meine kleinen Gagen dafür aufgewendet, ihn mit zu den Drehs zu nehmen. Aber heute werden viele Frauen durch die Diskussion sehr verunsichert — sie sollen sich immer die Frage stellen, ob sie nun Karrierehexe oder Hausmütterchen sein wollen. Übrigens ein Bild, das viele Frauen sich selbst geben.

Woran hapert es?

Berben Wir haben immer noch eine Ungleichgewichtung, wenn Frauen aus ihrem Beruf aussteigen um ein Kind zu bekommen und später wieder zurückwollen. Da liegt noch vieles im Argen.

Oft auch ein Grund, warum Frauen später Kinder bekommen. Ein Thema, das Sie auch in ihrem Kinofilm "Miss Sixty" aufgreifen. Dort möchte die Hauptfigur im Alter von über 60 Jahren schwanger werden — mit einer eingefrorenen Eizelle. Das ist nicht mehr unrealistisch.

Berben Absolut. Die Gefahr besteht, dass es zu einem Lifestyle wird. Wir wissen, dass es medizinisch möglich ist und man diesen Fortschritt in der Not auch benutzen kann. Aber es kann nicht sein, dass man sagt: Jetzt macht die Frau erst einmal Karriere und mit 40, 50 oder 60 Jahren kann sie dann selbst bestimmen, ob sie noch einmal Mutter wird. Man muss einer Frau die Möglichkeit geben, beides zu machen: Kind und Karriere. Und genau da liegt in unserer Gesellschaft der Knackpunkt.

(RP)
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