Frankfurt Airbus fliegt mit beschädigtem Rumpf

Frankfurt · Beim Start in Chicago hat ein Lufthansa-Airbus mit dem Heck aufgesetzt. Erst in München wurde der Schaden bemerkt.

In der Luftfahrt spricht man vom sogenannten "tailstrike", wenn ein startendes Flugzeug mit dem Heck die Startbahn berührt (engl. "tail" für Schwanz, "strike" für Schlag). Dies kann geschehen, wenn die Maschine zu steil hochgezogen wird. Auch beim Landen ist ein "tailstrike" möglich, wenn der Pilot die Nase des Flugzeuges zu stark anhebt. Beides gilt als potentiell gefährlich. Mit einem Lufthansa-Airbus A 330 ist es zu einem derartigen Zwischenfall gekommen. Wie jetzt bekannt wurde, hatte die Maschine beim Start am 5. März in Chicago mit dem Heck aufgesetzt und war anschließend nach München geflogen. Die Piloten hatten offenbar nichts bemerkt. Erst nach der Landung stellten Techniker den Schaden am Rumpf fest – der Airbus hatte damit den Atlantik überquert.

Der Zwischenfall wird von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) in Braunschweig als "schwere Störung" eingestuft und gemeinsam mit der Lufthansa untersucht, so die Behörde. Eine "schwere Störung" bewertet die BFU als potentielle Vorstufe eines Unfalls. Die Behörde ist verpflichtet, bei einer derartigen Einschätzung die Umstände zu untersuchen. In diesem Fall hätte die Druckkabine der Passagierkabine beschädigt werden können, mit der denkbaren Folge eines Druckverlusts.

Zu einem Druckabfall in der Kabine des Passagier-Jets mit 221 Sitzen war es aber nicht gekommen. "Die Druckkabine wurde nicht beschädigt", sagte gestern ausdrücklich Lothar Müller, Pilot und BFU-Unfalluntersucher. Der Aluminium-Rumpf des Flugzeuges habe allerdings deutliche Schleifspuren gezeigt. Warum die Besatzung nicht reagierte, soll noch geprüft werden.

Für Müller, der selbst Pilot ist, erklärt sich das möglicherweise durch die große Entfernung des Cockpits zum Heck. "Es liegen ja 30, 40 Meter dazwischen. Zudem laufen die Triebwerke auf Höchstlast, da bekommt man vorne nichts mit", so Müller. Wenn das Heck nur über den Boden kratze, seien im Flugzeug kaum Erschütterungen zu spüren. Laut Müller kommen "tailstrikes" etwa zwei- bis dreimal pro Jahr vor. "Bisher hat es dabei meines Wissens noch keinen Fall gegeben, der zu einem schweren Unglück geführt hat", so der Luftfahrtexperte.

Vor allem bei bestimmten, sehr langgestreckten Flugzeug-Typen ist die Gefahr leicht erhöht, bei Start oder Landung mit dem Heck aufzukommen. Zum Schutz besitzen diese Modelle häufig einen sogenannten "tailbumper", also eine Vorrichtung, die den Stoß dämpft oder eine Berührung des Rumpfes mit dem Boden verhindert. Dies können Schienen oder Kufen, aber auch kleine Räder sein. Die Boeing 777-300 beispielsweise besitzt einen einziehbaren Schleifsporn. Andere Hersteller setzen auf ein elektronisches System, das beim Start verschiedene Parameter misst und den notwendigen Rotationswinkel errechnet. Oft kommen bei Bodenberührungen schwer kalkulierbare Faktoren hinzu, etwa starke Winde oder eine nicht ordnungsgemäß gesicherte Ladung, die herumrutscht.

Noch ist unklar, was bei dem Lufthansa-Flug passiert ist. Auch wenn die Maschine nicht schwer beschädigt wurde, bleibt ein ungutes Gefühl angesichts der zurückgelegten Distanz. Laut "stern.de" hatte der achteinhalbstündige Flug LH 435 in einer Höhe von rund 11 000 Metern stattgefunden, wo erhebliche Druckunterschiede zwischen Kabine und Umgebung herrschen. Ein Leck in der Druckkabine kann in dieser Höhe verheerende Folgen haben. Zur Reparatur soll der Jet in nur 2000 Meter Höhe nach Hamburg geflogen worden sein.

Lufthansa bestätigt den Zwischenfall, wollte sich aber mit Verweis auf die laufenden Untersuchungen nicht zu Einzelheiten äußern. "Wir wollen das genau aufgeklärt haben", sagte ein Sprecher des Unternehmens. Verwundert sei man über die Bekanntgabe von Zwischenergebnissen durch die BFU. Der Jet mit der Kennung D-AIKJ sei noch nicht wieder im Einsatz. Laut BFU soll ein Zwischenbericht zu dem Vorfall im Mai erscheinen.

(RP)
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