Rätselraten um seinen Besuch Warum Prinz Harry unbedingt zur Krönung will – und auch sollte
Meinung | Düsseldorf · Noch gibt es großes Rätselraten um Prinz Harrys Besuch zur Krönung seines Vaters in London. Doch das ist Teil der Strategie. Warum der jüngere Sohn des Königs sich sehen lassen muss, wenn auch nur kurz.

Der königliche Rebell - Das ist Prinz Harry
London steht am Samstag ein Jahrhundertereignis bevor: Die Krönung von König Charles III. wird von Millionen Menschen rund um den Globus verfolgt werden und sorgt für einen gewaltigen Promiauflauf in der britischen Hauptstadt. Doch für einen ist das prunkvolle Fest eine heikle Mission in eigener Sache: für den jüngsten Sohn des Königs, Prinz Harry.
Denn die Krönungsfeier mit all ihren Traditionen, all ihrem Pomp und Circumstance, ist zugleich auch ein Familienfest. Das unterscheidet Mitglieder von Königshäusern ja gerade von anderen Promis: Ihre Herkunft macht sie interessant von Geburt an, ihre Zugehörigkeit zu einem uralten Adelsgeschlecht, zu einer Familie. Wenn also einer mit dieser Familie bricht, so wie es Harry ausgiebig getan hat, steht er vor dem Problem, unglaubwürdig zu wirken, wenn er wieder Nähe sucht – bei kompletter Distanz aber in Bedeutungslosigkeit zu fallen.
Harry braucht das Königshaus, es ist Quelle aller Geschichten, die ihn interessant machen, es ist sein Kapital. Also muss er zur Krönung erscheinen, muss sich der Weltöffentlichkeit weiter als Teil der Sippe präsentieren und zugleich seiner Außenseiterrolle treu bleiben. Denn für die hat er sich entschieden, als er seine royalen Pflichten niederlegte und in die USA ging, sich in langen intim inszenierten Interviews über seine Familie ausließ und zuletzt noch ein Enthüllungsbuch folgen ließ. Darin warf er seinen nächsten Verwandten cholerisches Verhalten, rassistisches Denken und allgemeinen Snobismus vor.
Eigentlich sollte man nach solchen Auslassungen erwarten, dass einer auch Konsequenzen zieht, aus der Ferne höflich gratuliert und ansonsten in den USA Kindergeburtstag feiert, wenn der Vater seinen großen Tag hat. Doch dann wäre Harry nur noch Harry, einer mit royaler Vergangenheit und amerikanischen Zukunft. Er könnte nicht mehr davon profitieren, zum innersten Zirkel der Royals zu gehören – und darüber zu plaudern und zu klagen gegen satte Honorare.
Also ist nun zu erleben, wie der verbürgerlichte Prinz einer Stippvisite bei seiner Familie maximale Aufmerksamkeit verschafft. Informationen darüber, wie er an den Krönungsfeierlichkeiten teilnehmen wird, lässt er an die Öffentlichkeit tröpfeln. Er werde erst am frühen Samstag mit dem Privatjet zur eigentlichen Krönungszeremonie anreisen und dann gleich wieder fliegen, um in den USA den vierten Geburtstag seines Sohnes Archie zu feiern, heißt es jetzt. Wann und wo er genau auftauchen wird, soll selbst der königlichen Familie noch unbekannt sein. So hält man die Kameras auf sich gelenkt. Wer sicher sein will, dass man ihn sieht, muss zu spät kommen, das gilt für jedes Familienfest. Harry wird es schon pünktlich schaffen, aber er wird möglichst lange aus möglichst allem, was er in London tut, ein Geheimnis machen. Um der Geschichtenlieferant zu bleiben.
Und die interessierte Öffentlichkeit spielt die Spielchen mit, sortiert sich in royale Lager: Team William, Team Harry. Die einen verzeihen dem Königshaus allen Snobismus, alle PR-Kampagnen gegen die ungeliebte Schwiegertochter aus den USA, lieben sogar das demonstrativ Elitäre der Royals, an dem sie bei öffentlich begangenen Festen wie der anstehenden Krönung als Zuschauer partizipieren. Die anderen empören sich über den Umgang der Royals mit Meghan Markle, die auch wegen ihrer Hautfarbe auf Vorbehalte stieß und von Teilen der britischen Boulevard-Medien erst bejubelt, dann getrieben wurde. Sie lieben die jungenhafte Art von Harry und konsumieren begierig, was seine Frau und er an Vertraulichkeiten verraten.
Und dann gibt es natürlich noch die Anti-Royalisten, die all das für ein zu teures Hobby einer nicht wirklich aufgeklärten Gesellschaft halten – und bekämpfen. Und jene, die am Samstag einfach etwas Anderes machen, wenn Londons Glocken läuten. Auch die Royals sind schließlich nur eine schrecklich nette Familie mit Knatsch. Muss man keine Zeit mit verschwenden. Aber man kann.