Was von Charles‘ Krönung bleibt Prunkshow mit Schönheitsfehler

Meinung | London · Die Märchenshow ist passé, Charles III. wurde zum britischen König gekrönt. Doch bei den Feierlichkeiten in London wurde hart gegen Anti-Monarchisten durchgegriffen. Es sind Risse in der sonst so perfekten Inszenierung.

Charles' Krönung in London - Aktivisten skandieren "Not my King"
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Aktivisten skandieren „Not my King“ in London

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Foto: dpa/Piroschka van de Wouw

Auch der Regen hatte Tradition. Immerhin haben sich bei britischen Krönungen seit mehr als 120 Jahren regelmäßig die Himmel geöffnet. Trotz des schlechten Wetters am Samstag entfaltete sich das royale Spektakel in drei Akten reibungslos nach Plan: Krönung, Prozession und Balkonszene begeisterten die Massen. Rund zwei Millionen Menschen, meldete die „Mail“, hatten sich rund um die Westminster Abtei, entlang der Prozessionsroute und am Prachtboulevard Mall vor dem Buckingham Palast versammelt. Die „größte Show auf Erden“ war ihnen versprochen worden, und das Königshaus lieferte.

Krönung Charles III: Viele Gäste und Schaulustige in London
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Schaulustige säumen Straßen zur Krönung von Charles und Camilla

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Foto: dpa/Isabel Infantes

Fast tausend Jahre ist die Zeremonie alt, und Charles III. ist der 40. Monarch, der in der Westminster Abtei gekrönt wurde. Im Mittelpunkt stand ein Akt, der für die Zuschauer gar nicht zu sehen war: die Salbung mit geweihtem Öl. Stellwände wurden um Charles herum drapiert, und dann salbte der Erzbischof von Canterbury den Monarchen auf Händen, Brust und Kopf mit geweihtem Öl. Dies sei, so Justin Welby, das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, „ein privater Moment zwischen dem neuen König und dem König der Könige“. Charles empfing, nach alttestamentarischem Vorbild, seine Autorität direkt von Gott und danach seine Krone vom Erzbischof.

Krönung von Charles und Camilla: Die schönsten Bilder aus London
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Die schönsten Bilder der Krönung von Charles und Camilla

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Foto: AP/Leon Neal

Archaischer und anachronistischer geht es wohl nicht, mögen manche Beobachter da gedacht haben. Freilich hatte man sich bemüht, die Zeremonie auch um modernisierende Elemente anzureichern. Zum ersten Mal nahmen weibliche geistliche Würdenträgerinnen teil. Sämtliche Weltreligionen waren repräsentiert. Unter den Gästen in der Abtei fanden sich nicht nur Staatsoberhäupter, Aristokraten und Promis, sondern auch viele Normalbürger, die sich mit ehrenamtlicher Arbeit verdient gemacht hatten. Ein schwarzer Gospelchor begeisterte die Zuhörer. Die Bibelpassage verlas Premierminister Rishi Sunak, der praktizierender Hindu ist.

Mit dieser wie gewohnt prachtvollen Inszenierung des Königshauses und seinen jubelnden Untertanen demonstriert Großbritannien weltweit wieder einmal eine Soft Power, um die sie minder royale Nationen beneiden. Das Königreich versucht, das Image einer diversen, toleranten und multikulturellen Gesellschaft zu projizieren. Und in vielerlei Hinsicht stimmt das ja auch. Die indische Presse taufte die britische Regierungszentrale die „Browning Street“, denn unter den Inhabern der vier großen Staatsämter gibt es nur einen weißen Mann – Finanzminister Jeremy Hunt. Und die allerwenigsten im Königreich stören sich daran. Kein Wunder, dass das Politmagazin „Spectator“ Großbritannien zu einer der „weltweit erfolgreichsten multi-konfessionellen und multi-ethnischen Gesellschaften“ ausrief.

Es ist ein Bild mit Schönheitsfehler. Bei den Krönungsfeiern verhaftete die Polizei Dutzende von friedlichen Anti-Monarchisten unter fadenscheinigem Vorwand. Man stützte sich dabei auf ein kürzlich verabschiedetes Gesetz, welches das Demonstrationsrecht einschränkt. Für junge Menschen passt das nicht zusammen. Sie sehen einen Monarchen, dessen Engagement für Inklusion, Umweltschutz, Diversität, Nachhaltigkeit, Toleranz und Klimaschutz außer Zweifel steht, aber begeistern können sie sich für ihn nicht. Der 74-Jährige König steht für sie eher für Tradition und Establishment, für Konservatismus und dafür, dass sich nichts wirklich ändert. Allein schon wegen seines Alters ist er für sie, wie auf den Plakaten zu lesen war: „Not my King“.

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