Krönung von Charles III. am 6. Mai Das Warten ist vorbei – der ewige Prinz wird König

London · König Charles III. tritt nach dem Tod der Queen in große Fußstapfen. Lange Zeit wurde er in Großbritannien belächelt, dann wegen der Trennung von Diana kritisiert. Doch als fürsorglicher Vater und „Schattenkönig“ erarbeitete er sich sein Ansehen im Volk zurück. Ein Porträt.

Aus Prinz Charles wird King Charles - sein Leben in Fotos: Camilla & Co.
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King Charles III. - ein Leben in Bildern

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Foto: dpa/Aaron Chown

Andere Menschen in seinem Alter haben schon längst die Arbeit aufgegeben und es sich im Ruhestand bequem gemacht, doch er tritt mit seinen 74 Jahren den Job seines Lebens gerade erst an. Charles Philip Arthur George Windsor wurde im dem Moment, als Queen Elizabeth II. ihren letzten Atemzug tat, zum neuen Souverän des britischen Königreichs. Es war gegen halb fünf Uhr am Nachmittag des 8. September 2022 auf Schloss Balmoral in Schottland: Da wurde der Thronfolger zum König Charles III. Er dürfte der am besten ausgebildete Monarch aller Zeiten sein. Der älteste König bei Amtsantritt wird er auf jeden Fall.

Es gab einmal eine Zeit, das stand in Frage, ob er tatsächlich den Thron besteigen wird. Spekulationen schossen ins Kraut, dass Charles zugunsten seines beliebten Sohnes Prinz William verzichten sollte. Charles hatte mit Kritikern zu kämpfen, die ihm sein Geburtsrecht absprechen wollen. Der Mann, der jetzt als 63. König der britischen Monarchie herrschen wird, wurde in Massenblättern wie der „Sun“ oder dem „Mirror“ gerne als Lachnummer porträtiert: Man wollte nicht hinnehmen, dass er seine Jugendfreundin Camilla Parker-Bowles seiner Ehefrau Prinzessin Diana vorgezogen hatte.

Mittlerweile haben solche umstürzlerischen Gedankenspiele aufgehört. Die Queen hatte deutlich signalisiert, wen sie als ihren Nachfolger sehen wollte, als sie bestätigte, dass Charles nach ihrem Ableben ihre Position als Oberhaupt des Staatenverbundes Commonwealth übernehmen wird. Schon seit Jahren hatte sie immer mehr Aufgaben an ihn delegiert, hat langsam Abschied von ihren Dienstpflichten genommen, hat Auslandsreisen aufgegeben und ließ Charles an ihrer Stelle repräsentieren. „Reibungslos, diskret und von vielen unbemerkt“, kommentierte der Royal-Experte Robert Jobson, „findet eine Übergabe der königlichen Macht genau vor unseren Augen statt.“ Der Thronfolger war schon seit längerem der „Schattenkönig“, weil er den Hauptteil der Aufgaben eines Monarchen übernommen hatte. Tatsächlich ist die Arbeitslast des 74-Jährigen in den letzten Jahren deutlich gewachsen. 14-Stunden-Tage sind üblich, rund 600 offizielle Termine im Jahr nimmt Charles wahr. Da die Queen nicht mehr außer Landes reiste, waren die Überseetouren des Thronfolgers de facto Staatsbesuche.

King Charles III.: Als Monarch am Buckingham-Palace
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King Charles III. - ein Volk empfängt seinen König

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Foto: dpa/Yui Mok

Jetzt ist Charles in der Position angelangt, auf die er sich ein Leben lang vorbereitet hat. Schon seine Erziehung bedeutete einen Bruch mit der Tradition. Charles wurde nicht von privaten Hauslehrern wie zum Beispiel seine Mutter, sondern im Eliteinternat Gordonstoun aufgezogen. Als erster Royal besuchte er eine Universität, bevor er sich seine Offiziersschnüre bei der Königlichen Luftwaffe und Marine verdiente. Charles war ein scheuer, sensibler und musisch interessierter Jüngling, der andererseits zugleich die eher martialischen Vergnügungen der Hocharistokratie wie Schießen, Fischen und Jagdreiten genoss. Er hatte seinen eigenen Kopf. Früh dachte er über Themen wie Umweltschutz, eine menschenwürdige Architektur oder Hilfe für soziale Randgruppen nach.

Vor seiner Begegnung mit Diana Spencer sah das öffentliche Image des Prinz bei den Briten so aus: ein eher linkischer Junggeselle, der immer noch bei seinen Eltern wohnt. Die Heirat mit Lady Di katapultierte Charles dann in die Position eines Märchenprinzen, der dazu verdammt war, all die Hoffnungen zu erfüllen, die eine gläubige Schar von Verehrern in das Eheglück des Traumpaares hineinprojiziert hatte. Das konnte nicht gutgehen, die Ehe wurde ein Desaster, sie stand von Anfang an unter einem unglücklichen Stern. Weniger aus Liebe, mehr aus Pflichtgefühl nahm der Thronfolger Diana zur Frau. Die wiederum hatte von Anfang Grund zur Eifersucht, weil Charles den Kontakt zu seiner alten Jugendliebe Camilla nicht abbrechen wollte.

Auch die beiden Söhne William und Harry, die 1982 und 1984 zur Welt kamen, machten aus Charles und Diana kein glückliches Ehepaar. Nicht, dass die Welt das geahnt hätte: Man hielt die Märchenprinzessin Diana für die Apotheose von Glück und Glamour. Bis dann 1992 ein Buch herauskam, das mit dem schönen Schein aufräumte. Diana, die sich gefangen fühlte im golden Käfig des Hoflebens, hatte mit dem Journalisten Andrew Morton kollaboriert und lieferte ausführliche Interviews, die zu der Veröffentlichung von „Diana: Ihre wahre Geschichte“ führten. Ab da wusste die Welt von Charles‘ Untreue, von der Bulimie Dianas, von ihren Depressionen und den Selbstmordversuchen. Wenige Monate später, im Dezember 1992, kam es zur Trennung.

Da der Märchenprinz die Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, so gründlich zerstörte, wurden fortan andere Seiten seines Charakters entweder ignoriert, belächelt und gleich niedergemacht. Der Einsatz des Prinzen für biologischen Landbau und alternative Medizin, für die Regenerierung der Innenstädte und die Verständigung mit dem Islam oder auch sein Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit – all dies ging weitgehend unter. Schlagzeilen dagegen machte, als Charles zugab, mit Pflanzen zu reden, oder sein Wunsch, als Camillas Tampon wiedergeboren zu werden.

Nach seiner Scheidung von Diana war die Popularität des Prinzen an einem Tiefpunkt angelangt. Die Wende kam erst nach dem Tod von Lady Di 1997. Die Popularitätswerte des Thronfolgers kletterten danach wieder, weil er als fürsorglicher Vater gesehen wurde, der seine beiden Söhne William und Harry über das Trauma des Mutterverlustes hinweghalf. Im Jahr 2005 konnte Charles zu guter Letzt die Frau ehelichen, in die er verliebt war, seit Camilla ihn 1970 auf einem Poloturnier traf und auf die Affäre ihrer Vorfahrin Alice Keppler mit Edward VII. anspielte: „Meine Urgroßmutter“, begrüßte sie ihn, „war die Geliebte deines Ururgroßvaters – also wie wäre es mit uns beiden?“

Nach der Hochzeit versöhnten sich die Briten mit ihnen. Man hat akzeptiert, dass Camilla ihren Platz an der Seite des Thronfolgers gefunden hat. Camillas Strategie ist genau das Gegenteil von dem, was Diana tat: Sie hält sich im Hintergrund, erträgt stoisch alle Pflichten und unterstützt ihren Mann, wo sie kann. Das nimmt man beifällig zur Kenntnis. „Es ist außerordentlich“, urteilte Judy Wade vom „Hello“-Magazin, „wie gut sie sich für einen Neuling gehalten hat. Und sie macht den Prinzen viel umgänglicher.“ Auch James Whitaker, altgedienter Hofreporter des „Daily Mirror“, meinte: „Als Brite bin ich daran interessiert, einmal einen zufriedenen und glücklichen König zu haben. Und das hat Camilla geschafft.“

Als König wird Charles von seinem Aktivismus lassen müssen, denn die ungeschriebene britische Verfassung verpflichtet ihn zu politischer Neutralität. Als Thronfolger hatte er seine konstitutionelle Pflicht als Prinz von Wales darin gesehen, Anwalt für die unausgesprochenen Belange der Leute zu sein. Er machte von seinem Recht Gebrauch, das ihm die ungeschriebene Verfassung einräumt: zu warnen, zu protestieren und zu beraten. Das hat er zum Beispiel ausgiebig vor, während und nach dem Irak-Krieg von 2003 getan, als er, wenn auch erfolglos, gegen die Kriegspläne von Premierminister Tony Blair intervenierte.

Danach hielt er weiterhin engen Kontakt zur Politik und antichambrierte gerne bei Regierungsministern. Er arbeitete hinter den Kulissen daran, dass es in Großbritannien nicht zum Anbau von genmodifiziertem Mais kam, und hat Formen der alternativen Medizin den Boden bereitet. Seine Wohltätigkeitsorganisation „The Prince’s Trust“ greift seit 1976 jungen, unterprivilegierten Briten unter die Arme. Regelmäßig tritt er für schärfere Maßnahmen beim Klimaschutz ein. Schon vor 40 Jahren, so hatte Charles in einem Interview mit „Vanity Fair“ bemerkt, habe er gegen die Verschmutzung der Welt durch Plastik gewarnt, aber damals sei er „als altmodisch und weltfremd“ abgetan worden. Mittlerweile hat die Welt mit ihm aufgeholt. Als 74-Jähriger ist Charles III. zeitgemäßer denn je.

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