Mit 1000 Booten auf der Themse Briten feiern "diamantene" Queen

London · Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Greg McLeish will es unbedingt schaffen, sein altes Schiff wasserdicht und fahrtüchtig machen, es im neuen Glanz erstrahlen lassen, um an einer gigantischen Staatsfeier teilzunehmen, die in die englischen Geschichtsbücher eingehen wird.

 Greg McLeish: "Ich muss noch einen Song für Ihre Majestät schreiben, den ich singen möchte."

Greg McLeish: "Ich muss noch einen Song für Ihre Majestät schreiben, den ich singen möchte."

Foto: Alexei Makartsev

Seit Monaten schon wird auf dem Flüsschen Stour in Kent gehämmert und gesägt. Morsche Bootsplanken werden herausgerissen, die Kabine wird gestrichen und neue Motoren werden montiert. Jetzt ist er fast soweit.

Am Samstagmorgen soll Greg nach sechs Stunden Fahrt in einem Londoner Dock eintreffen, wo sich die anderen Teilnehmer der Flussparade zum Thronjubiläum versammeln. Tags darauf wird die "New Britannic" als eines von 1000 Booten im elf Kilometer langen Festzug auf der Themse das Thronschiff der Queen begleiten.

"Ich muss noch einen Song für Ihre Majestät schreiben, den ich singen möchte", sagt der 51-jährige frühere Profi-Musiker. Greg ist kein Monarchist. Er hält es jedoch für seine "patriotische Pflicht", am 3. Juni die "diamantene" Monarchin vor den Augen der ganzen Welt zu ehren.

Genau wie die anderen 20.000 Mitwirkenden bei der größten Party in der Geschichte Londons mit Musik, Tanz, Theater, Picknicks und mit einer aufwendigen, "fließenden" Show, die selbst die Extravaganz der Tudor-Könige in den Schatten stellen soll.

Der zwölf Millionen Pfund teure Open-Air-Spaß zum 60. Jahrestag der Thronbesteigung durch Elizabeth II. wird voraussichtlich 1,5 Millionen Menschen zur Themse locken. Etwa eine Milliarde Zuschauer wird weltweit die live übertragene Feier im Fernsehen verfolgen können. "Es ist eine Ehre, dabei zu sein", freut sich Greg McLeish, der die Einladung zum "pageant" vor allem seinem historischen Boot verdankt.

Die 16 Meter lange "New Britannic" gehörte 1940 zu einer Flotte aus 700 privaten Schiffen, die die blockierten britischen Truppen aus dem französischen Dunkirk evakuierten. Sie brachte 3000 Soldaten zurück in die Heimat — so viele wie kein anderes kleines Boot.

Als Greg Jahrzehnte später die "NB" kaufte, war sie im kritischen Zustand. "Ich habe alles verkauft, um die nötigen 50.000 Pfund für die Reparaturen aufzutreiben", erzählt der Musiker, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt. Um die Miete zu sparen, lebt Greg auf einem anderen Boot. Er wäre bereit, noch mehr Opfer zu bringen, um das Objekt seines Stolzes bei einer glanzvollen Flussparade den Royals vorführen zu können. So wie es seine Landsleute schon vor einem halben Jahrtausend getan haben.

Henry VII. kam 1486 als erster Herrscher auf die Idee, die Themse als "festliche Prozessionsroute" zu benutzen. "Sie bot zwei Vorteile für die Monarchen", erklärt der Historiker Robert Blyth. "Erstens waren sie auf dem Fluss weg vom Dreck der mittelalterlichen Straßen. Zweitens konnten sie so besser von ihren Untertanen gesehen werden".

1533 feierte Henry VIII. seine Hochzeit mit Anne Boleyn mit einem "pageant" vom Greenwich zum Tower, bei dem ein "feuerspuckender Drache" auf einem Boot für Aufsehen sorgte. Die Festzüge auf dem ,nationalen Fluß‘ endeten im 19. Jahrhundert, als die verdreckte Themse zu stinken begann.

Blyth sieht im Thronjubiläum ein "Comeback" der gereinigten Themse, die sich der Welt wieder als "Londons großartigste" Straße präsentieren könne. "Der Festzug am 3. Juni wird größer und spannender als die Tudor-Feiern sein, weil das Publikum näher am Geschehen sein kann", sagt der Experte.

Ob die 86 Jahre alte Elizabeth II. es genießen wird, ist ungewiss. Laut ihrer Cousine Margaret Rhodes hat die Queen ein wenig Angst vor der Riesenparty auf dem Wasser. "Sie fragt sich, wie sie das Ganze überstehen soll", verriet Rhodes dem "Daily Telegraph".

Dabei haben die Organisatoren des "pageant" keine Kosten und Mühen gescheut, um den dreistündigen Aufenthalt der Jubilarin an Bord des Luxusschiffes "Spirit of Chartwell" so angenehm wie möglich zu machen. Dazu wurde das in den königlichen Farben Gold, Lila und Purpur verzierte Boot mit Blumen aus dem Garten der Queen geschmückt. Die Königin und der 90-jährige Herzog von Edinburgh werden in zwei Thronen sitzen und ihre Familie nah bei sich haben. Charles und Camilla, Harry, William und seine Frau Catherine werden mit dabei sein, wenn die Queen am Sonntagabend nach einer 90-minütigen Flussfahrt am Tower die Parade abnimmt.

Sie ist ein organisatorischer Albtraum. Als "pageant master" muss Adrian Evans dafür sorgen, dass der schwimmende Glockenturm, die Kähne mit Orchestern und Chören sowie die unzähligen Schaufelraddampfer, Drachenboote, Gondeln und Segler sicher die 14 Themse-Brücken passieren, ohne dass es zum Stau kommt oder jemand ins schnell fließende Wasser fällt. "Wir haben und zwei Jahre lang vorbereitet und jede Situation durchgespielt", sagt der Direktor des Festzuges. "Trotzdem bleibt der Fluss eine gefährliche Umgebung".

Evans lässt 190 Sicherheitsboote mitfahren und er verlässt sich auf 7000 freiwillige Helfer und 5500 Polizisten auf 40 Kilometer Themse-Ufern, die dafür sorgen sollen, dass die königliche Freude ungetrübt bleibt. Um das Unfallrisiko zu mindern, gilt auf den Booten ein Alkoholverbot. Was kann noch schief gehen? Angst vor dem schlechten Wetter hat der 54-jährige Veranstalter jedenfalls nicht. "Wir Briten sind es gewohnt. Wenn der Regen kommt, werden wir tapfer lächeln", verspricht Evans, der eine Wiederholung des Mega-Events in den nächsten 300 Jahren fest ausschließt.

(csr)
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