75 Jahre Rheinische Post Am Anfang stand der Traum von einer freien Gesellschaft

Düsseldorf · Karl Arnold, Anton Betz, Erich Wenderoth – mit diesen Namen ist mehr verbunden als die Gründung einer der bedeutendsten Zeitungen in Nachkriegsdeutschland. Die ersten Herausgeber der Rheinischen Post waren Wegbereiter einer neuen Zeit, die Frieden, Freiheit und Demokratie bringen sollte.

 Bundespräsident Frank Walter Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbender zu Gast bei der Rheinischen Post. Hinter ihnen die Porträts von Anton Betz, Karl Arnold und Erich Wenderoth (v.l.).

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbender zu Gast bei der Rheinischen Post. Hinter ihnen die Porträts von Anton Betz, Karl Arnold und Erich Wenderoth (v.l.).

Foto: Krebs, Andreas (kan)

Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, versammeln sich Gesellschafter, Aufsichtsrat und Geschäftsführung unter den Augen der Gründer. Deren goldgerahmte Gemälde hängen in der 13. Etage des hohen Hauses. Es scheint fast so, als ob Anton Betz, Karl Arnold und Erich Wenderoth den Blickkontakt suchten. Dieser Eindruck – durch geschickten Pinselstrich erzeugt - schafft noch nach 75 Jahren spürbare Nähe zu den Vätern der Rheinischen Post.

Deren Beweggründe - der Freiheit zu dienen, den Frieden zu erhalten, die Demokratie zu fördern, die Not zu überwinden und Wohlstand zu schaffen – sind der bleibende Anspruch ihrer „Zeitung für Politik und christliche Kultur“.  Das RP-Hochhaus steht wie ein Ausrufezeichen mitten auf dem Campus in Düsseldorf-Heerdt und markiert weithin sichtbar den Anspruch der Rheinischen Post, als „Stimme des Westens“ wahrgenommen zu werden.

Die Stimme zu erheben, für Gerechtigkeit und Ausgleich, für Menschlichkeit und Würde, war schon zu Beginn die wichtigste Aufgabe der neuen, an christlichen Werten ausgerichteten Zeitung. Die Gründer der Rheinischen Post, allesamt Geknechtete der Nazi-Diktatur, waren für ihre Überzeugungen eingetreten, hatten Haltung gezeigt, als ihr Ruf nach Frieden und Freiheit noch lebensgefährlich war.

So konnten sie - der Schrecken von Krieg und Gewaltherrschaft kaum entronnen – umso glaubwürdiger ihren Anspruch geltend machen, dem Neuanfang eine Stimme zu geben. Ihre Zeitung für Politik und christliche Kultur, die Rheinische Post, erschien vor 75 Jahren zum ersten Mal. Sie ist, wie es die Gründer wollten, ein bleibendes Bekenntnis zur freiheitlichen Demokratie, zum Rechtsstaat, zu einem Leben mit Haltung.

Der gesellschaftliche Diskurs über den besten Weg, in den Jahrzehnten seit 1946 mit den unterschiedlichsten Fragestellungen immer neu geführt und von der Rheinischen Post begleitet, lebt vom Prozess der an Werten orientierten Meinungsbildung.  In Zeiten steten Wandels, braucht es Tatkraft und Zielbewusstsein.

1946 hieß das, anzupacken, aufzuräumen. Das bezog sich nicht nur auf den Schutt in den Straßen, sondern auch auf die Zerstörungen an Herz und Seele, auf die Wunden einer zerrissenen Gesellschaft. Wer war Opfer? Wer war Täter? Die erste Ausgabe der Rheinischen Post beschäftigte sich mit diesen damals wesentlichen Fragen. Sie war, gerade mal vier Seiten stark, ein Abbild der Zeit, „der Kargheit und des bescheidenen Beginns“, wie es im Leitartikel hieß.

Die Zeitung war dennoch umfassend. Sie berichtete über die Not „Äußerste Anstrengungen zur Versorgung Deutschlands“. Sie benannte die Schuldigen, indem sie auf der ersten Seite den Blick auf die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse richtete. Sie bot Orientierung. Sie machte Mut. Verleger Anton Betz schrieb: „Die Zeitung kann weder Brot noch Wohnungen schaffen, aber sie kann helfen, die Bereitschaft herbeizuführen, die für jede aufbauende Arbeit unerlässlich ist.“

Die Gründer trieb die Hoffnung an, dass ihr Traum einer freien Gesellschaft in Erfüllung gehen könne. Ihr Antrieb war die eigene Überzeugung, gewonnen nicht zuletzt durch die leidvollen Erfahrungen der Hitler-Zeit, getragen vom Glauben an eine bessere, gerechtere Zukunft. Erich Wenderoth, Jurist mit scharfem Verstand, beschrieb seinen inneren Antrieb so: „Ordnung in Volk und Staat kann nur bestehen, wo aus dem Gefühl der Pflicht und der persönlichen Verantwortung Wille und Mut zum Handeln erwächst.“ Sozialpolitiker Karl Arnold war davon überzeugt, dass die Zeitung „eine wachsame Hüterin der Menschenwürde, ein Forum der Brüderlichkeit“ sein müsse. Ihnen gemeinsam war der Wille, mit der Rheinischen Post einer verstummten Gesellschaft endlich zur Aussprache zu verhelfen.

Ihre Haltung war nicht Selbstzweck, sondern ausgerichtet am Gemeinwohl. Ihre Haltung war nicht Machtanspruch, sondern stellte die Gründer selbst in den Dienst der Zeitung. Allen voran machte Gründungsverleger Anton Betz die Rheinische Post zu einer wichtigen Stimme – für das neue Land Nordrhein-Westfalen, gegründet wie die Zeitung 1946, und die junge Bundesrepublik Deutschland, deren Entstehen und Wachsen die Zeitung begleitete. Betz, der vier Jahrzehnte Verantwortung trug, tat dies mit starker Kraft, mit publizistischem Anspruch und der besonderen Gabe, bestimmt, aber väterlich wohlwollend zu führen.

So brachte „Papa Betz“, wie er von manchen im Verlagshaus genannt wurde, zur Weihnachtszeit den Kollegen die Festtagsgratifikation persönlich an Schreibtisch oder Druckmaschine.  Die Sorge um die Mitarbeiter ging bei ihm einher mit einem wachen Interesse an den Geschehnissen im weiten Land. Seine Standardfrage an Redaktionskollegen aus den Außenredaktionen: „Wie steht die Frucht am Niederrhein?“ Als langjähriger Präsident des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger prägte er die Zeitungslandschaft der Bundesrepublik und stand im engen Austausch mit den Größen aus Wirtschaft und Politik.

Mit Erich Wenderoth und Karl Arnold hatte Anton Betz 1946 zwei wichtige Mitstreiter für das Projekt „Rheinische Post“ gewinnen können. Betz selbst, in München verlegerisch tätig gewesen und von den Nazis aus dem Amt gejagt worden, brachte das Wissen um das Zeitungswesen ein. Sie stärkten ihm mit ihren eigenen Erfahrungen, Kenntnissen und Sichtweisen den Rücken. Für Erich Wenderoth, engagierter evangelischer Christ und unternehmerisch denkender Anwalt, war die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Zeitung grundlegend. Er sah darin die unabdingbare Absicherung der inneren und äußeren Pressefreiheit. Für den christlichen Gewerkschaftler Karl Arnold war die Zeitung Ort des politischen Diskurses. Die Auseinandersetzung um den besten Weg sollte die Zeitung befördern, wünschte sich Arnold, der später erster freigewählter Ministerpräsident des Landes wurde.

Arnold starb schon1958. Wenderoth und Betz blieben bis ins hohe Alter prägend für die Rheinische Post, deren auch wirtschaftlicher Erfolg – zur Zeit des kargen Beginns kaum voraussehbar – ihrem Wirken in den ersten Jahrzehnten zuzuschreiben ist. Zukunftsweisende Entscheidungen – wie das Zusammengehen mit der Familie Droste, die 1970 ihr Druckhaus in den Verlag einbrachte - stärkten das Unternehmen weiter und machten außergewöhnliches Wachstum möglich. So entwickelte sich in Folge, in der Wegführung der nächsten Generation mit Gottfried Arnold an der Spitze des Aufsichtsrates, das regionale Verlagshaus zu einer auch international tätigen Mediengruppe mit digitalen wie gedruckten Angeboten.

Gottfried Arnold, der bis zu seinem Tod über fünf Jahrzehnte auch als Herausgeber Verantwortung trug, war wie Herausgeberin Esther Betz dem Haus schon in jungen Jahren eng verbunden und insbesondere der Redaktion nahe. Esther Betz, mit mittlerweile 97 Jahren Ehrenherausgeberin, vertritt bis heute das Grundverständnis der Gründer, die der Redaktion alle Freiheiten gaben, aber eins stets vehement einforderten, das Bekenntnis zu gutem Journalismus. Esther Betz, von der Redaktion in Anerkennung ihrer kenntnisreichen Hinweise, gern als wichtigste freie Mitarbeiterin bezeichnet, schrieb auch selbst für die Zeitung – als Korrespondentin beim Zweiten Vatikanischen Konzil.

Der Blick der Gründer auf den goldgerahmten Gemälden ruht auf einem Lebenswerk, das die heutigen Herausgeber mit denselben Überzeugungen weiterführen, die schon 1946 die Rheinische Post bestimmten. Für Manfred Droste, der eigene Erinnerungen an die Anfänge einbringen kann, für Irene Wenderoth Alt und Florian Merz-Betz ist die Digitalisierung deshalb keine neue Herausforderung, sondern logische Fortsetzung des publizistischen Auftrags. Schließlich ging RP Online als eines der ersten Nachrichtenportale bereits 1996, zum 50. Geburtstag der Rheinischen Post, ans Netz.

Wie wichtig Information ist, Einordnung und Bewertung, wie sehr Klarheit und Wahrheit entscheiden über Geltung und Gewicht von Medien, hat sich während der Corona-Pandemie eindrucksvoll gezeigt: Die Rheinische Post ist digital gewachsen, hat insgesamt an Abonnenten und Reichweite gewonnen, hat vermitteln können, dass Nachrichten und Analyse einen glaubhaften, vertrauenswürdigen Absender brauchen. Heute wie vor 75 Jahren.

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