75 Jahre Rheinische Post Sturmtief Kyrill und seine Milliardenschäden

Düsseldorf · Sturmtiefs im Januar sind nicht ungewöhnlich. Doch was vor 14 Jahren geschieht, sprengt die Grenzen des Normalen. Orkantief Kyrill hinterlässt insbesondere in NRW hohe Schäden – materielle und menschliche. Anlässlich des 75. Geburtstags der Rheinischen Post blicken wir auf dieses Ereignis zurück.

 Die Titelseite zu Sturmtief Kyrill am 19. Januar 2007.

Die Titelseite zu Sturmtief Kyrill am 19. Januar 2007.

Foto: Rheinische Post

Nach Kyrill sind europaweit 47 Menschen tot. Sechs davon stammen aus Nordrhein-Westfalen. Der starke Orkan geht nicht gerade zimperlich mit den Ländern um, über die er hinwegfegt: Die Sachschäden allein in Deutschland schätzt der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft auf 2,6 Milliarden Euro – andere Zahlen sprechen von fast der doppelten Summe mit 4,7 Milliarden Euro. Insgesamt sterben durch den Sturm deutschlandweit elf Menschen, in NRW werden 150 Menschen verletzt. 

Etliche Dächer werden abgedeckt. In einer Grundschule in Bocholt wird das komplette Flachdach von der Schule abgehoben – glücklicherweise befinden sich keine Kinder mehr in den Unterrichtsräumen. Wie in vielen anderen Teilen des Landes sind die Schüler schon früher nach Hause geschickt worden. Auch Arbeitnehmer dürfen teilweise in einen früheren Feierabend.

Auf den Straßen herrscht Chaos durch umgekippte oder verunfallte LKW. Brücken und Straßen werden gesperrt, weil es zu gefährlich ist, bei Windböen von bis zu 200 Stundenkilometern, die über das Land hinwegziehen, weiterzufahren. In Düsseldorf werden Spitzenwerte von 144 km/h gemessen. So werden im Laufe des Abends alle Rheinbrücken in Düsseldorf für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Und nicht nur auf den Straßen stockt der Verkehr: An Flughäfen werden viele Starts verschoben oder ganz abgesagt. Besonders hart trifft der Sturm allerdings die Deutsche Bahn. Zum ersten Mal in der Geschichte wird der gesamte Verkehr eingestellt. Tausende Reisende sind gestrandet – und müssen in Hotels und Zügen übernachten. Zu gefährlich wäre es, die Bahnen weiterfahren zu lassen, denn auf den Gleisen liegen abgebrochene Äste oder ganze Bäume, die noch schlimmere Schäden hätten verursachen können. Zudem ist es wegen etlicher defekter Oberleitungen auf vielen Strecken nicht möglich weiterzufahren, diese Probleme beeinträchtigen den Verkehr der darauffolgenden Tage.

Orkan "Kyrill": Sturm-Fotos unserer Leser
24 Bilder

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Auch zu Hause wird es für viele Menschen ungemütlich. In mehreren Regionen fällt der Strom aus, nachdem Strom- und Telefonmasten zerstört sind. Duisburg etwa meldet um 18 Uhr einen Ausfall, um 19 Uhr ist es in ganz Wuppertal dunkel. Für die Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und andere Rettungskräfte bedeutet der Orkan Dauerstress. Bereits im Vorfeld haben sich etliche Freiwillige gemeldet, um zu unterstützen. Viele davon waren ehemalige Aktive, die bei über 50.000 Einsätzen mithelfen konnten.

Besonders hart trifft es den Wald. Allein in NRW werden 25 Millionen Bäume entwurzelt oder umgeknickt. Die Menge des so angefallenen Holzes entspricht dem normalen Einschlag von rund drei Jahren und vernichtet Existenzen – vor allem aber die Arbeit von Generationen von Forstwirtschaft. In ganz Deutschland fallen Kyrill rund 75 Millionen Bäume. Problematisch ist hierbei vor allem die Monokultur aus Nadelgehölz. Die Wälder sind vom Borkenkäfer ohnehin geschwächt, die flachwurzelnden Baumsorten haben kaum eine Chance gegen die starken Windböen. Jahrelange Belastungen durch Umweltverschmutzungen haben die Fichten zusätzlich geschwächt. Die Schneisen, die dadurch in den Wald geschlagen werden, sieht man noch Jahre später und die Forstwirte nutzen die Gelegenheit, auf Mischwald umzusteigen. Kräftigere Baumarten, die dem kommenden extremeren Klima besser gewachsen sind, sollen jetzt her – womit zumindest ein kleiner Nutzen aus den hohen Schäden gezogen werden kann.

Der Sturm Kyrill ist nicht der einzige in diesem Winter 2006/2007, der Sturmschäden über Deutschland bringt – aber der stärkste. Die Aufräumarbeiten dauern insgesamt bis ins Jahr 2008 hinein – hierbei sterben in NRW weitere acht Menschen, etwa bei Arbeiten im Wald durch herabstürzende Bäume. Über 700 Unfälle in diesem Zusammenhang werden gemeldet.

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