Tourismus in der Region NRW rückt der Toskana näher

Düsseldorf · NRW wurde bekannt als Land mit Kohle und Stahl, tatsächlich spielt aber das Reisen dort eine stetig wachsende Rolle. Der Trend hat vor der Corona-Pandemie begonnen und könnte durch den Klimawandel verstärkt werden.

Beliebtes Wander- und Ausflugsziel: die Drachenburg auf dem Drachenfels im Siebengebirge bei Bonn.

Beliebtes Wander- und Ausflugsziel: die Drachenburg auf dem Drachenfels im Siebengebirge bei Bonn.

Foto: dpa

Urlaub und schöne Ausflüge im Ausland – das ist das Hauptgeschäft von Tui. Doch privat hat der in Duisburg lebende Chef des Reise-Riesen, Fritz Joussen, auch die schönen Seiten von Nordrhein-Westfalen entdeckt. „Wir waren jüngst den Baldeneysteig entlang des Baldeneysees wandern“, erzählt Europas mächtigster Tourismusmanager, „das war mit rund 20 Kilometern Wegstrecke eine tolle Sache.“

Das alte Industrieland NRW hat sich in den letzten 30 Jahren immer mehr auch zu einer Destination für Ausflüge, Kurzurlaube, Fahrradtouren, Kulturtourismus und Messebesucher entwickelt. Ein Teil dieser Aktivitäten wie Städtebesuche und Messevisiten sind wegen Corona zwar weitgehend weggebrochen, doch Ausflüge aufs Land oder Zweiradausflüge entlang von Ruhr und Rhein, durchs Münsterland oder am Niederrhein entlang boomen umso mehr. Und weil die Pandemie irgendwann vorbeigeht, werden sich eine Reihe von Trends fortsetzen.

Die Entwicklung in Zahlen: Obwohl NRW sich erst seit 2011 touristisch als Einheit vermarktet, stieg die Zahl der Gäste mit mindestens einer Übernachtung von 16,2 Millionen im Jahr 2005 auf 24,3 Millionen im Jahr 2019. In jedem Jahr gab es einen Zuwachs. Die Zahl der Übernachtungen ging gleichzeitig von 38,4 Millionen im Jahr 2005 auf 53,3 Millionen im Jahr 2019 hoch, der einzelne Gast blieb also im Durchschnitt etwas mehr als zwei Tage. „Wir sind weiterhin eher Kurzurlauberland“, heißt es bei Tourismus NRW. Rund 75 Prozent der Gäste sind Kurzzeitbesucher, sie bleiben also maximal drei Tage.

Natürlich zählt Bayern mit dem Voralpenland und München doppelt so viele Übernachtungen wie NRW, aber gegenüber Baden-Württemberg mit den Attraktionen Schwarzwald, Bodenseeregion oder dem Taubertal liegt NRW nicht einmal zehn Prozent dahinter. Alle anderen Bundesländer haben deutlich weniger Übernachtungen.

Die Nachfrage füllt auch die Kasse: Laut einer Studie von DIW Econ arbeiten mehr als 600.000 Menschen in touristisch geprägten Geschäften an Rhein und Ruhr, wobei auch Gaststätten, Restaurants oder Mitarbeiter in Unternehmen gezählt werden, die Auslandsreisen vermitteln, etwa Reisebüros. Damit kamen im letzten Jahr vor der Corona-Krise 46 Milliarden Euro zusammen, 2020 war es wohl deutlich weniger als die Hälfte.

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Foto: Röös/Monschau Tourismus

Die Übernachtungen in den Messestädten Köln und Düsseldorf sind um mehr als 60 Prozent eingebrochen, im ganzen Land um rund 55 Prozent. „Messen finden fast keine statt“, sagt ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Hotel- und Gaststättenverbands, Dehoga NRW: „Geschäftsreisen sind auf extrem niedrigen Niveau.“

Einige ländliche Regionen halten sich aber überraschend gut: In der Eifel, im Münsterland, im Sauerland und am Niederrhein ist es gelungen, deutlich mehr als die Hälfte des Geschäfts trotz wochenlange Lockdowns zu retten.

Wie geht es nun weiter, falls ab Sommer wie zu erwarten die Corona-Pandemie nicht mehr das öffentliche Leben lähmt? Geschäftsreisen werden mittelfristig wahrscheinlich eher schwächeln, weil Videokonferenzen viele persönliche Treffen oder auch manchen Messebesuch eher unnötig machen. Andererseits: Nach anderthalb Jahren reduzierter Kontakte wird es im Herbst einen hohen Nachholbedarf geben, die Hoteliers in Köln oder Düsseldorf könnten am Ende auch bei Geschäftsreisenden nicht ganz so schlecht dastehen wie viele denken.

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Foto: Shiutterstock.com/Andreas Sell

Private Touren könnten aber einen neuen Boom erleben. Allein wegen der Debatte um den Klimawandel könnten Urlaube in NRW so manchen Städtetrip nach Venedig, Madrid oder Lissabon ersetzen. Und weil die Temperaturen steigen, werden Rheinland, Ruhrgebiet, Sauerland, Eifel oder Niederrhein teilweise ähnlich attraktive Ziele wie die Toskana vor 30 Jahren.

Dies zeigte sich auch schon in den Zahlen von 2019: Damals lagen Köln und Umgebung mit fast acht Millionen Übernachtungen ganz vorne, gefolgt vom Ruhrgebiet mit 7,2 Millionen und Düsseldorf mit sechs Millionen. Aber im Sauerland wurden immerhin 6,8 Millionen Übernachtungen gezählt, im NRW-Teil der Eifel 3,2 Millionen und am Niederrhein 4,6 Millionen. „Städtereisen werden neben Messebesuchen für Nordrhein-Westfalen nach dem Überwinden der Pandemie wieder wichtig sein“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), „aber auch bei kürzeren Urlauben mit einem hohen Aktivitätsanteil sehe ich interessante Perspektiven.“

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