400 Millionen D-Mark teuer Wie es zum Umzug der Düsseldorfer Messe kam
Düsseldorf · Als Düsseldorfs Messe in den 60er Jahren am Ehrenhof ein Platzproblem bekommt, beschließt die Stadt ein Mammutprojekt: den 400 Millionen Mark teuren Neubau auf Ackerflächen am Stadion.
Es sind nur vier Kilometer stromabwärts am Rhein entlang. Aber für die Messe war der Umzug vom Ehrenhof zum Stadion so etwas wie ein Quantensprung. Ohne diesen Ortswechsel wäre es wohl nichts geworden mit der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte, die im Rückblick so selbstverständlich erscheint. Denn es gab schlichtweg ein Platzproblem.
Die damalige Nordwestdeutsche Ausstellungsgesellschaft mbH (Nowea) hatte sich nach ihrer Gründung 1947 und ihrer Konzentration auf Fachmessen in der Zeit des Wiederaufbaus immer besser entwickelt. Doch dem Wachstum waren auf dem heutigen Ergo-Gelände räumliche Grenzen gesetzt, obwohl alles versucht wurde.
Sogar das Kunstmuseum wurde mitgenutzt und zweitweise sogar geschlossen. Deren Leitungen kündigten, weil sie die Zukunft des Hauses bedroht sahen. Doch trotz Neubau einer weiteren Halle 1958 zeichnete sich in den 60er Jahren immer mehr ab, dass es so nicht weiter gehen würde. Messen in anderen Städten wuchsen, Düsseldorf drohte, den Konkurrenzkampf zu verlieren.
Clemens Hauser, Bereichsleiter Technik bei der Messe Düsseldorf, erklärt, was ganz konkret ein Problem war. Die Maschinen der Aussteller zum Drucken oder Verpacken wurden schwerer und größer. Sie konnten kaum noch in eine erste Etage befördert werden, die es damals noch gab. Auch insgesamt bot die Messe zu wenig Platz für wachsende Zahlen von Ausstellern und Besuchern.
So entwickelte die Messe das Konzept für einen Umzug und eine Idee, wie die ideale Ausstellungsfläche zu sein hätte. Doch wo sollte sie eigentlich entstehen? Hauser berichtet, dass es lange Diskussionen über einen geeigneten Standort gab. Die hat Hauser, geboren 1961, übrigens nicht selbst miterlebt. „Aber als ich 1998 als Elektriker bei der Messe anfing, habe ich noch mit vielen Leuten von damals zusammengearbeitet.“
Und die berichteten ihm, dass zum Beispiel das Hildener Kreuz als ein Kandidat im Spiel war. Der Standort am Stadion wurde zudem von manchem kritisch gesehen. Noch so ein starker Frequenzbringer wie der Flughafen in unmittelbarer Nachbarschaft? Wie sollte der ganze Verkehr eigentlich über die Theodor-Heuss-Brücke fließen? (Die Autobahnbrücke gab es noch nicht). Und wie überhaupt sollte sich der Norden der Stadt entwickeln? Eine Frage, die gegenwärtig übrigens nicht ganz unbekannt ist.

So berichtete die Rheinische Post am 19. August 1971, einem Donnerstag, über den fertiggestellten Neubau der Messe in Stockum mit den prägnanten Fußgängerbrücken im Bild. Am folgenden Wochenende wurde das Gelände der Öffentlichkeit präsentiert. Das Projekt verschlang deutlich mehr Geld als geplant.
Foto: Rheinische PostSchließlich fiel die Entscheidung für die Ackerflächen mit Bauernhof und Kapelle am Stadion, die entweiht werden musste, aber in einen bis heute existierenden Gebetsraum überging. Einstimmig beschloss der Stadtrat 1968 den Neubau. 200 Millionen Mark sollte er zunächst kosten, dann 270, nach der Grundsteinlegung 1969 explodierten die Ausgaben auf 400 Millionen Mark, was der Stadtrat letztlich auch mittrug. Ein Spruch machte die Runde, den Hauser überliefert: „Wir haben eine Messe bestellt, und ein Hochamt bekommen.“
Die höhere Investition war laut Hauser auch nötig geworden, weil größer gebaut wurde. „Die Flächen waren direkt ausgebucht.“ In 26 Monaten waren schließlich zwölf Hallen entstanden, mit einer überdachten Fläche von mehr als 100.000 Quadratmetern. Zum Vergleich: Bei der Gründung der Nowea für eine zunächst von der britischen Besatzung angeregten „Gewerblichen Leistungs- und Exportschau“ waren es 4800 Quadratmeter. Im September 1971 ging dann die „K“ als Weltleitmesse für Kunststoff und Kautschuk als erste Schau in Stockum über die Bühne.

Messe Düsseldorf - Bilder vom Neubau der Halle 1
Hauser erklärt, was dem von Messechef Kurt Schoop maßgeblich vorangetriebenen Neubau den Ruf verlieh, „Europas mondernstes Ausstellungsgelände“ (Rheinische Post, 19. August 1971) zu sein. Die Hallen waren in einem Rundgang angelegt und ebenerdig. Fußgängerbrücken verbanden sie. Die Böden hielten großen Lasten stand. Vor allem: Durch ein modulares System konnten die Hallen stetig erweitert werden, und auf einer Fläche von 30 mal 30 Metern waren nach einer neuartigen Konstruktion von Willi Schüßler und seinem Ingenieurbüro keine störenden Stützen nötig.
Mittlerweile ist die Messe auf genau 262.727 Quadratmeter überdachte Ausstellungsfläche mit 18 Hallen angewachsen. Hunderte von Millionen Euro steckte das Unternehmen in den letzten 20 Jahren nach einem Masterplan aus eigenen Mitteln in Neubauten und Modernisierungen von Hallen. Sie werden heute noch einmal anders konzipiert, mit Tageslicht und noch weniger Stützen.

Messe Düsseldorf - so wird die neue Halle 1 aussehen
Doch der bis 2030 geplante Prozess ist nun nach drei Vierteln des Weges durch die Corona-Krise ins Stocken geraten. Der schon geplante Umbau für 100 Millionen Euro der Halle 9 liegt für unbestimmte Zeit auf Eis, auch die Halle 3 stammt noch aus der Zeit des Messe-Neubaus. „Sie ist aber technisch nach wie vor voll einsatzbereit“, sagt Hauser. Lediglich die Klimatisierung sei nicht so gut und der Reparaturaufwand sehr hoch.
So schlecht die Nachrichtenlage aktuell mit immer neuen Absagen von Ausstellungen ist, zum Neubau-Jubiläum soll es im Sommer dennoch eine Überraschung geben. Denn dann ist es genau 50 Jahre her, dass Düsseldorfs Messe umzog.