75 Jahre Rheinische Post Zwischen Freiheit und Hoffnung

Düsseldorf · Am 2. März 1946 - also vor 75 Jahren - erschien die Rheinische Post zum ersten Mal. Was die Geschichte uns aufträgt und wofür unser Haus stehen will – eine Einordnung der Chefredaktion. Eine große Sonderausgabe folgt am 17. April.

 Die erste Ausgabe der Rheinischen Post erschien am 2. März 1946.

Die erste Ausgabe der Rheinischen Post erschien am 2. März 1946.

Foto: Krebs Andreas / Repro/Krebs, Andreas (kan)

Eine Zeitung mag aus Papier und Druckerschwärze bestehen, aus Texten und Fotos. Sie wird verkörpert von einer Redaktion, von Druckern, Zustellern und Kaufleuten. Aber eine gute Zeitung ist vor allem: eine Idee. Die Rheinische Post, die exakt vor 75 Jahren zum ersten Mal erschien, ist das bis heute – und sie ist es auch längst in der digitalen Welt, die ohne Papier und Druckerschwärze auskommt.

Ihr Anspruch blieb und bleibt derselbe, auch wenn die Welt sich gewandelt hat: Antworten zu geben auf die relevanten Fragen der Zeit – ehrlich, offen, schonungslos. Verpflichtet der Freiheit, auch der Lesefreiheit, der Vernunft und den Werten der Aufklärung. Eine Stimme des Westens, also einer Region, aber eben auch einer großen Idee.

Die letzten zwölf Monate des Ringens mit einer globalen Pandemie zeigen überdeutlich das Spannungsfeld, in dem sich die Rheinische Post bewegt. Sie steht nicht für einfache Antworten, sondern für Diskurs. Wo endet die Selbstbestimmtheit, wie weit darf, soll, muss der Staat gehen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden?

75 Jahre Rheinische Post - Historische Titelseiten
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75 Jahre Rheinische Post

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Das Herantasten an das richtige Verhältnis von persönlicher Eigenverantwortung und staatlichem Handeln fordert die Redaktion in diesen Wochen besonders, denn es findet in einer polarisierten Stimmung statt, in der viele nur noch richtig oder falsch kennen. In einer lauten Zeit sind die leisen Töne besonders schwer zu finden und gelten Zweifel als Schwäche. Aber es geht, auch in dieser Corona-Zeit, um zwei universelle Werte, denen sich die Rheinische Post besonders verpflichtet fühlt: die Idee der Freiheit und den christlichen Grundsatz der Nächstenliebe. Es gilt, beide auf einen Nenner zu bringen.

Vor 75 Jahren war vieles schwerer, aber der journalistische Anspruch ließ sich leichter formulieren. Die Gründer der Rheinischen Post, allesamt Geknechtete der Nazi-Diktatur, wollten ein freies, demokratisches Deutschland. Ihre Zeitung sollte ein Beitrag dazu sein, als nachhaltiger Neuanfang nach den Schrecken von Krieg und Gewaltherrschaft. Seitdem hat die Rheinische Post auf ungezählten Seiten deutsche Geschichte beschrieben und alles darangesetzt, den Auftrag der Gründer zu erfüllen: kritischer Wegbegleiter zu sein für ein Land im stetigen Wandel.

Aber wenn heute bei der Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen „von der größten Herausforderung nach dem Krieg“ gesprochen wird, dann haben die wenigsten eine Vorstellung davon, wie schwer das Leben damals wirklich war. Ein ganzes Land lag in Trümmern, war wirtschaftlich und moralisch am Ende.

Anfang 1946 galt es, den Hunger zu stillen – mit Nahrung für Körper und Geist. Die Rheinische Post wollte ihren Beitrag dazu leisten, war angetreten, Orientierung zu geben, Mut zu machen, Missstände anzuprangern, im Kleinen wie im Großen. Die Rheinische Post, so die Vorstellung von Gründungsverleger und Hauptlizenzträger Anton Betz und seiner wichtigen Mitstreiter Karl Arnold und Erich Wenderoth, sollte mehr sein als nur ein Mitteilungsblatt der britischen Militärregierung, die eine Lizenz zur Gründung der „Zeitung für Politik und christliche Kultur“ erteilt hatte. Die Rheinische Post war Teil des Wiederaufbaus, der weit mehr bewegen musste als Stahl und Steine. Es galt, ein neues politisches Bewusstsein zu schaffen für ein Leben in Demokratie, in Frieden und Freiheit.

Betz, der zuletzt in München verlegerisch tätig gewesen und von den Nazis aus dem Amt gejagt worden war, wollte dem Rheinland eine Stimme geben. Im Namen der Entrechteten, der Unterdrückten und auf ewig Verstummten erhob die Zeitung das Wort. Gerichtet war es an alle, die dem Krieg entkommen waren und der Hoffnung bedurften: „Äußerste Anstrengungen zur Versorgung Deutschlands“: So lautete die Titelzeile am 2. März 1946.

Es herrschte Mangel an allem, eben auch an Papier. Die Rheinische Post erschien deshalb zu Anfang nur zweimal in der Woche mit gerade mal vier Seiten. Weil die Papierzuteilung weiter reduziert wurde, musste der Verlag die Zustellung in Teilen des weiten Verbreitungsgebietes wieder aufgeben. Nicht jeder, der wollte, konnte die Rheinische Post bekommen.

Das Profil der Zeitung, von Gründer Erich Wenderoth als rheinisch-liberal gesehen, orientierte sich am Aufklärungsbedürfnis der Menschen und stellte das christliche Werteverständnis der Vernichtungs- und Rassenideologie der Nazis entgegen. Wenderoth, profilierter Jurist und bekennender evangelischer Christ, sah wie Arnold und Betz das Leitmotiv von Glaube, Liebe und Hoffnung als stärkendes Element einer suchenden Gesellschaft.

Die Zeitung begleitete die Geschicke des Landes Nordrhein-Westfalen, wie die Rheinische Post vor 75 Jahren gegründet, und stand an der Wiege der Bundesrepublik Deutschland. Sie war Stimme des Westens in der Bonner Republik und hat diesen Ruf nach der Wiedervereinigung ausgebaut. Sie wird in Berlin gehört und in ganz Deutschland geschätzt. Das Flaggschiff einer Mediengruppe, in die 1970 die Familie Droste ihr Druckhaus einbrachte und zu deren Gesellschaftern auch der Girardet-Verlag zählt, hat seine wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahrt und damit die publizistische Freiheit gesichert.

Am Anfang war das gedruckte Wort. Es steht, so der Auftrag der Gründer, für Wahrheit und Klarheit. Doch das gilt seit 25 Jahren auch für das Digitale: Als eines der der ersten deutschsprachigen Medien schuf die Rheinische Post mit rp-online.de einen Internetauftritt, dessen Seiten im vergangenen Jahr knapp 1,2 Milliarden Mal aufgerufen wurden. Inzwischen setzt sich auch im Netz die Erkenntnis durch, dass substanzielle und glaubwürdige journalistische Arbeit nicht gratis zu haben ist. Die Zahl der zahlenden Abonnenten, also der gedruckten Rheinischen Post und ihrer Digitalangebote, wächst. Es gibt eben unverzichtbare Antworten auf die Fragen der Zeit, 1946 wie heute. Und die Rheinische Post bleibt eine Idee – getragen von ihren heutigen Herausgebern Manfred Droste, Flo­rian Merz-Betz und Irene Wen­de­roth-Alt sowie Redaktion und Verlag. Sie steht zum Versprechen, sich stets neu den Herausforderungen einer Gesellschaft im Wandel zu stellen.

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