50 Jahre Loriot Und wozu brauchen Sie dann ein Doppelbett?

North Cothelstone Hall · Vor 50 Jahren erschien Loriot im Fernsehen. Sein Humor wirkte vornehm, war aber auch politisch inkorrekt, anzüglich und zynisch.

Das war Loriot - Victor Christoph-Carl von Bülow
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Das war Loriot

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Die Anfänge waren bescheiden, ja bieder. Morgen vor 50 Jahren begann Loriot seine Fernsehkarriere, mit der Reihe "Cartoon". Loriot, bürgerlich Vicco von Bülow, stellte zunächst Karikaturisten vor und interviewte sie. Was seinen Ruhm begründete, zumindest in Deutschland, folgte nach und nach: die eigenen Knollennasenmännchen und Sketche über das Scheitern im Alltag.

Nach "Cartoon" lief das als "Loriots Telecabinet" und schließlich, ab 1976, einfach unter "Loriot". Sein TV-Schaffen hat Loriot zur Marke gemacht, lange vor dem furiosen Alterswerk der beiden Filme "Ödipussi" und "Pappa ante Portas". 2015 erklärten die Deutschen ihn in einer Umfrage zu ihrem beliebtesten Komiker. 50 Jahre Loriot im Fernsehen sind deshalb ein würdiger Anlass für einen Streifzug in sechs Etappen.

"Ich heiße Erwin Lottemann." - Keine Witze mit Namen? Von wegen. Der verwirrte Lottogewinner Erwin Lindemann ist ebenso in den deutschen Wortschatz eingegangen wie Herr Müller-Lüdenscheid oder die "Zwei Cousinen" Priscilla und Gwyneth Molesworth. Loriot veralbert gern Doppelnamen, mit denen er, der alte Konservative, die überschießende Emanzipation verspottet. Wie überall, gilt bei Loriots Namen: Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht? Bettenverkäufer Hallmackenreuter wird im Verkaufsgespräch erst zu Hackenreiter und dann zu Heckmullenreiter. Und Ministerialrat Oldenberg wird in einer Diskussionsrunde so häufig falsch angesprochen, dass er am Ende wie Erwin Lindemann seinen eigenen Namen nicht mehr weiß.

Natürlich ist das Loriot-Universum auch voller normal benamter Menschen und Dinge. Aber unsterblich geworden sind eben Frau Berta Panislowski aus Massachusetts ("Ein Klavier, ein Klavier!") und die geschmacklich zweifelhafte 77er Oberföhringer Vogelspinne des Weinvertreters Blümel. Mit den Namen fängt das Unglück an.

"Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann." - Guter Humor ist doppelbödig. Bei Loriot ist diese zweite Ebene nicht selten die des Unanständigen. Eine seiner Fernsehreihen hieß "Sauberer Bildschirm", was eine glatte Lüge war. Tatsächlich hat Loriot den Deutschen viel zugemutet, etwa Evelyn Hamann als betrunkene Mutter Hoppenstedt, die den Werbespruch des Saugblasers Heinzelmann ("...wo Mutti sonst nur saugen kann") unter die Gürtellinie verlängert. Oder das Probeliegen im neuen Bett, Modell Allegro: Als der von Loriot gespielte Herr erfährt, dass das andere probeliegende Paar nicht verheiratet ist, reagiert er entrüstet: "Ach, und wozu brauchen Sie dann ein Doppelbett?"

Bei Loriot gibt es sexuell frustrierte Psychotherapeutinnen, exhibitionistische Mainzelmännchen, schwule Maskenbildner und brünstige Chefs. Ganz schön starker Tobak - und keineswegs so betulich, wie der gesetzte Herr im Dreiteiler auf seinem Sofa immer wirkte.

"Deutsch gutt!" - Der Urpreuße von Bülow arbeitete sich ausgiebig an deutschen Klischees ab. In "Gran Paradiso" lässt er naiv-rassistische Urlauber durch eine spanische Betonwüste irren. "Deutsch gutt!" ruft ihnen der Einheimische auf seinem Esel zu, was aber auch niemandem hilft. Der Satz ist Programm: Kaum jemand verkörperte die deutsche Wohlanständigkeit so wie Loriot. Kaum jemand untergrub sie aber auch so lustvoll. Loriot hat das Fremdschämen erfunden, lange bevor es das Wort überhaupt gab.

Zur Herbeiführung dieses Zustandes wird häufig gegessen, häufig auch (zu viel) getrunken. Je größer die Fallhöhe, je vornehmer also die Gesellschaft, umso besser. Das ist in der freudlos strengen Benimmschule so, in der dem Kunden, einem Herrn reifen Alters, die Kontrolle entgleitet. Und natürlich bei der Zimmerverwüstung ("Das Bild hängt schief"): Aus fast perfekter Ordnung wird binnen Minuten das Chaos, fast ohne Worte übrigens, aber mit Musik. Dass Loriot so intensiv den Deutschen ihre Förmlichkeit, ihre Verklemmtheit und ihre Marotten unter die Nase rieb, mag ein Grund dafür sein, dass er im Ausland weitgehend unbekannt blieb.

"In dieser wunderschönen Nacht / hat sie den Förster umgebracht." - Das Böse lauert, wie der Sex, bei Loriot an jeder Ecke. Zum Beispiel im gefälligen, tadellos gereimten Adventsgedicht von der Försterin, die ihren Mann schlachtet und in Paketen an Knecht Ruprecht verschenkt. Loriot-Fan Günther Jauch hat über diese geschickte Tarnung einmal gesagt, erst beim zweiten oder dritten Hören falle einem auf, was in dem Gedicht wirklich passiert. Auch der Streit über ein Frühstücksei in den "Szenen einer Ehe" mündet in Mordfantasien. Loriot hat die deutsche Sprache mit "Jodelschnepfe" und "Winselstute" um zwei Schimpfwörter bereichert. Er macht Witze über Blinde und fiktive Minderheiten wie Vampire und Schweifträger. Politisch korrekt ist das alles zum Glück nicht.

"Im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal." - Politiker kommen als Heißluftproduzenten in Loriots Sketchen meist schlecht weg. Das ist etwas ungerecht. Genial bleibt es, eine ganze Bundestagsrede nur aus Worthülsen zusammengeklebt zu haben ("Draußen im Lande, hier und heute stellen sich die Fragen, und damit möchte ich schließen: Letzten Endes, wer wollte das bestreiten"). Loriots politischer Humor war heikler, als es scheint, denn er zielte in die politische Aktualität. So unterlegte er Fernsehbilder von Helmut Schmidt erst mit sinnlosem Hamburger Gefasel und zeigte dann zum Originalton des Interviews einen Cartoon, in dem der Kanzler grotesk die Zähne bleckt. Die Minutenzählerei zwischen CDU und SPD um Sendezeit im Fernsehen entlarvte Loriot als die Absurdität, die sie war ("Sie haben jetzt noch eine Drittelsekunde für Frieden und Freiheit").

"Monelasa bratbrat fettfett mitmit." - Loriot war nicht nur intellektuell, politisch oder sozialkritisch, er war auch schlicht albern. Der Kulturbanause zum Beispiel, der eine Konzertkarte gewonnen hat, weil er die Silben eines Bratfett-Werbespruchs in die richtige Reihe brachte, zitiert diese Silben stolz immer wieder, ohne zu merken, wie lächerlich das ist. Der sprechende Hund kann, wie schließlich auffällt, "nur einen einzigen Buchstaben, so etwas wie O", macht davon aber ausgiebig Gebrauch. Vom Jodeldiplom war da noch gar keine Rede, das deutsche Pedanterie und dadaistisches Sprachspiel zusammenbrachte. Ach ja - 1973 verweilte Loriots Zeichentrickhund Wum für acht Wochen in den deutschen Charts. Und zwar mit dem Titel "Abbl-dibabbl".

Das ist gepflegter Unsinn, nicht mehr, nicht weniger. Auch Unsinn muss man allerdings erst mal können - wie Loriot. In diesem Sinne: Zickezacke, Hühnerkacke!

(fvo)
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