Mönchengladbach Weihnachten ist die Zeit der Hausmusik

Mönchengladbach · Zum Fest wird in vielen Familien nicht nur gesungen, sondern auch gemeinsam musiziert. Häufig spielen alle Kinder ein Instrument – wie bei Familie Joeris aus Mönchengladbach. Die Musik hilft dabei auch in anderen Lebensbereichen.

Zum Fest wird in vielen Familien nicht nur gesungen, sondern auch gemeinsam musiziert. Häufig spielen alle Kinder ein Instrument — wie bei Familie Joeris aus Mönchengladbach. Die Musik hilft dabei auch in anderen Lebensbereichen.

Auf seine Lieblingsinstrumente muss Konrad, das Nesthäkchen in der Mönchengladbacher Familie Joeris, noch etwas warten: Für Schlagzeug und E-Gitarre ist er mit sieben zu jung. "Mutti hat gesagt, ich soll Klavier ausprobieren", erzählt er, aber Spaß mache das auch. Paul, mit zehn der Zweitälteste, spielt Trompete, weil ihn Marschmusik begeistert. Die zwölfjährige Johanna hat sich für Geige entschieden, weil sie das Instrument schon immer sehr schön fand. Mutter Silvia (42) Joeris spielt Querflöte, Vater Frank (41) fällt die Rolle des stillen Genießers zu. Für die Kammerkonzerte, die er zu hören bekommt, muss er allerdings nicht einmal Eintritt bezahlen — sie finden in seinem Wohnzimmer statt. Und zwar nicht nur an Weihnachten.

In vielen Familien wird an Weihnachten nicht nur gesungen, sondern auch musiziert. Dabei ist es in der Regel so, dass Eltern wie Kinder in die Tasten oder Saiten greifen. Bei Familie Joeris sind die Sprösslinge nahtlos von der musikalischen Früherziehung in den schulischen Musikunterricht gewechselt. Für die Instrumente durften sie sich — abgesehen von Konrad (keine Sorge, deine Zeit kommt noch) — selbst entscheiden. Bereut hat es keiner. "Das gemeinsame Musizieren ist ein Ausgleich zum Schulleben", sagt Silvia Joeris, "dabei lernen die Kinder zu entspannen." Und sie lernen noch etwas anderes: Disziplin. Drei- bis viermal die Woche wird daheim geübt. Natürlich hoffen die Eltern, dass sich diese Disziplin auch auf andere Bereiche überträgt. Johanna zum Beispiel fällt es heute viel leichter, vor der Klasse ein Referat zu halten, weil sie Auftritte vor Publikum gewohnt ist.

Musikschulen profitieren von dem gewachsenen Interesse am Instrument. Zählten die Musikschulen bundesweit vor zehn Jahren noch rund 802 000 Schüler, waren es 2012 bereits knapp 920 000. Die Zunahme erklärt sich auch damit, dass schon Babys und Kleinkinder Früherziehungs-Kurse besuchen und es mehr Kooperationen mit Kitas oder Schulen gibt. So werden beispielsweise spezielle Bläserklassen eingerichtet. Mit gut 132 000 Schülern ist das Klavier das beliebteste Instrument (siehst du, Konrad!), gefolgt von der Gitarre mit gut 110 000 und der Geige mit knapp 61 000 Schülern. Nur mit der Blockflöte geht es bergab. Während es 1995 noch 100 000 Blockflötenschüler gab, waren es im vergangenen Jahr nur noch gut 52 000. "Früher war die Blockflöte das einzige Einsteigerinstrument, heute gibt es eine Reihe von Instrumenten, die von jüngeren Kindern gespielt werden können", erläutert Claudia Wanner vom Verband Deutscher Musikschulen.

Bei der Familie Tilmann aus Düsseldorf sucht man Blockflöten vergeblich. Dafür stehen Streichinstrumente hoch im Kurs. Mutter Brigitte (45) spielt Geige und Bratsche, Vater Matthias (45) Cello, die Kinder Lukas (16) Cello, Clara (14) Geige und Bratsche und Philipp (10) ebenfalls Cello. Die Faszination für die Instrumente sei von den Eltern auf die Kinder übergegangen, sagt Brigitte Tilmann. Sanfter Druck war nicht dabei, die Entscheidung lag bei den Kindern. Der Vorteil dieser Instrumentierung im Vergleich zu Familie Joeris: Musikstücke müssen nicht umgeschrieben werden, damit sie im Zusammenspiel funktionieren. Gemeinsam musiziert die Familie oft und gerne. "Gerade in der Adventszeit ist es bei uns Tradition, mit Familie und Freunden zu spielen", sagt Brigitte Tilmann. Dafür wird natürlich geübt, aber ohne Leistungsgedanke. Die Musik soll Spaß machen, so wie sie auch die Eltern in ihrer Jugend begeistert hat. Und sie soll den Kindern noch mehr bringen. "Ich glaube, dass das Spielen eines Instrumentes die Gehirnhälften besser verkuppelt", sagt Brigitte Tilmann. "Kurz gesagt: Dass das Musizieren schlau macht."

Für Johanna Joeris funktioniert das Geigespielen manchmal noch direkter — weil es die Laune hebt. "Wenn man lustlos ist oder wütend, muss ich nur zur Geige greifen, und ich rege mich schnell wieder ab", sagt sie. Das Zusammenspiel mit anderen schätzt sie besonders, nicht nur mit der Familie, weil es den Zusammenhalt stärkt, sondern auch im Orchester, weil man dann höre, wie alles zusammenklingt. Bei Familienfesten wird mittlerweile vorher schon immer gefragt, ob die Joeris' ihre Instrumente mitbringen. Das ist an Weihnachten nicht anders. "Keine Bescherung, ohne zu musizieren", sagt Brigitte Joeris. Das sei zwar nicht so aufregend, weil an Heiligabend stets das Gleiche gespielt werde, wirft Johanna ein, "aber wir nehmen uns die Zeit und machen das alles in Ruhe". Natürlich nur so lange, bis Konrad endlich sein Schlagzeug hat.

(RP)
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