NRW fördert Kakao in Schulen Was alles in die Tüte kommt

Düsseldorf · NRW fördert Kakao in Schulen. Foodwatch zufolge nutzt das der Milchindustrie mehr als den Kindern.

NRW fördert Kakao in Schulen: Was alles in die Tüte kommt
Foto: dpa/Marcel Kusch

Gezuckerte Getränke sind Ernährungsexperten ein Dorn im Auge. Besonders bei der Versorgung von Schulkindern sollten sie keine Rolle spielen. Dennoch subventioniert NRW neben drei weiteren Bundesländern gesüßten Kakao mit dem Schulmilchprogramm. Im vergangenen Schuljahr erhielten laut Verbraucherschutzministerium NRW mehr als 200.000 von etwa drei Millionen Schulkindern geförderte Milchgetränke. Martin Rücker, Geschäftsführer von Foodwatch, veröffentlichte am Mittwoch die Ergebnisse einer wochenlangen Recherche. Foodwatch beschuldigt zahlreiche Verbände und Personen, mit zweifelhaften Studien das Image des Kakaos künstlich verbessert und Steuergelder im Sinne der Industrie eingesetzt zu haben.

Im Zentrum der Kritik durch Foodwatch steht die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW. Sie soll sich über Jahrzehnte für die Milchwirtschaft stark gemacht haben, so dass der gezuckerte Kakao im Schulmilchprogramm blieb. Die EU fördert das Programm allein in NRW mit 2,6 Millionen Euro und empfiehlt, nur ungezuckerte Lebensmittel zu subventionieren. Sie lässt aber Ausnahmen zu. NRW macht neben Hessen, Brandenburg und Berlin davon Gebrauch. Und das, obwohl Ernährungswissenschaftler, Kinder- und Zahnärzte vehement gegen gezuckerte Getränke im Kindesalter argumentieren.

8,7 Prozent Zucker enthält die „Schulmilch Schoko“ von Landliebe. Mehr als 50 Prozent der am Schulmilchprogramm teilnehmenden Kinder erhalten das Landliebe-Produkt. 4,5 Prozent des enthaltenen Gesamtzuckers sind Milchzucker (Laktose), die übrigen 4,2 Prozent zugesetzt. Zum Vergleich. Fanta enthält 9,1 Prozent Haushaltszucker (Saccharose), dieser ist aber komplett zugesetzt. Die Marke Landliebe gehört zu FrieslandCampina. Das Unternehmen argumentiert, dass sich der Zuckerzusatz noch weit unter den von der EU erlaubten sieben Prozent halte. Auch befürworte das Unternehmen den Verzehr purer Milch. Das Unternehmen teilt auf Nachfrage mit: „Leider mögen nicht alle Kinder den Geschmack von purer Milch. Auch diese Kinder sollten die Möglichkeit erhalten, Milch in Form von Kakao zu trinken.“

Foodwatch bemängelt zudem die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Milchindustrie und Landesvereinigung. Jede Molkerei müsse laut einer Landesverordnung 0,1 Cent pro angeliefertem Liter Milch an die Landesvereinigung der Milchwirtschaft zahlen. Diese wiederum setzt das Schulmilchprogramm im Auftrag der Landesregierung mit deren Steuergeldern an den Schulen um, kümmert sich um Werbe- und Begleitmaterial. Der Landesverband habe Rücker zufolge ein hohes Eigeninteresse daran, den Milchumsatz oben zu halten, unterstütze mit Steuergeldern vorrangig aber Industrieinteressen.

„Die Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen. Die Kampagne von Foodwatch ist unverantwortlich“, sagt Rudolf Schmidt, Geschäftsführer der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW. Es sei dem guten Kampf der Landesvereinigung geschuldet, dass der Umsatzabbruch der Milchindustrie in NRW zumindest teilweise vermieden werden konnte. Schmidt zufolge machen die 9,5 Millionen Liter, die jährlich als Schulmilch ausgeliefert werden, gerade mal ein Prozent des landesweiten Milchabsatzes aus. Das Interesse daran sei also nicht wirtschaftlicher Natur, sondern im Sinne der Versorgung der Kinder. Würde der Kakao – der im Schuljahr 2016/2017 etwa zwei Drittel der Schulmilch ausmachte – aus der Rechnung rausfallen, würde sich die komplizierte Belieferung der einzelnen Schulen für die Molkereien nicht mehr lohnen.

Ursula Heinen-Esser, NRW-Verbraucherschutzministerin, hatte bereits Mitte September zu einem offenen Dialog eingeladen, darunter Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), der Landesvereinigung der Milchwirtschaft, des Schulministeriums NRW und auch Foodwatch. Dabei gehe es der Ministerin allerdings nicht um eine Abstimmung für oder gegen Kakao, sondern generell um gesunde Schulverpflegung. „Priorität hat für mich hierbei die Trinkmilch“, sagte Heinen-Esser. Nach Einschätzung der DGE sei eine ausreichende Versorgung mit Kalzium ohne Milchprodukte nur schwer zu erreichen.

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