Siebenfache Mutter wird Deutschlands erste Verteidigungsministerin Von der Leyen übernimmt das Kommando

Berlin · Sie bescherte Deutschland Kinderkrippen und Elterngeld. Nun wird die siebenfache Mutter Deutschlands erste Verteidigungsminsterin.

Siebenfache Mutter wird Deutschlands erste Verteidigungsministerin: Von der Leyen übernimmt das Kommando
Foto: dpa, Marcus Brandt

Sie ist seit Jahren die Alzweckwaffe der CDU für ein modernes Frauenbild und ein soziales Image. Sie setzte sich in jede Talkshow, um die Politik "ihrer Kanzlerin" mit klaren Worten und eisernem Lächeln zu erklären. Nun geht Ursula von der Leyen gestärkt aus dem Ministerposten-Geschacher hervor, in dessen Verlauf sie unter anderem als Super-Gesundheitsministerin, als Ressortchefin für Bildung und Internet und als Innenministerin gehandelt wurde.

Von der Leyen wird Verteidigungsministerin. Sie hat künftig das Kommando über 185 000 Soldaten und 70 000 Zivilbeschäftigte. Ihr dürfte als erste Ressortchefin eine ähnliche Aufmerksamkeit zuteil werden wie dem früheren CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg. Mit dem neuen Job ist sie auch zurück als Kronprinzessin und mögliche Nachfolgern Angela Merkels — immerhin muss ausgerechnet Thomas de Maizière den Stuhl für sie räumen. Auch er wurde immer wieder als Nachfolger der Kanzlerin gehandelt.

Wer von der Leyen kennt, weiß, dass das neue Amt für sie viel bedeutet: eine interessante Herausforderung, Auftritt auf internationalem Parkett, tolle Bilder für die Kameras von einer zierlichen blonden Frau, die Reihen von stramm stehenden Soldaten abschreitet. Außerdem ist — das ist der Vorkämpferin für die Frauenquote besonders wichtig — die Entscheidung auch ein gesellschaftspolitisches Signal: Erstmals steht eine Frau an der Spitze der Truppe. Mit zehn Prozent Frauenanteil liegt die Bundeswehr noch deutlich unter dem selbstgesetzen Ziel von 15 Prozent.

Die 55-jährige von der Leyen legte einen kometenhaften politischen Aufstieg hin, der 2001 in der Kommunalpolitik begann. Anderthalb Jahre später zog sie in den niedersächsischen Landtag ein; der damalige Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) holte die siebenfache Mutter als Sozialministerin in sein Landeskabinett. Den Niedersachsen war sie damals schon als Tochter ihres früheren Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (ebenfalls CDU) ein Begriff. Nur zwei Jahre später gelang der rührigen Christdemokratin überraschend als Familienministerin der Sprung ins Kabinett der großen Koalition in Berlin. Sie strapazierte die Nerven der CDU mit dem Ausbau der Kinderbetreuung und dem Elterngeld. Zugleich gelang es ihr, mit ihrem modernen Frauenbild neue Wählerschichten für die Partei zu erschließen. Als Arbeitsministerin in der schwarz-gelben Koalition ab 2009 und Parteilinke geriet sie dagegen in schweres Fahrwasser: Die Liberalen und der CDU-Wirtschaftsflügel blockierten ihre Projekte einer Geringverdienerrente, den Mindestlohn und die Frauenquote.

In den letzten Monaten vor der Bundestagswahl machte sie deutlich, dass ihr das milliardenschwere Arbeits- und Sozialministerium ein wenig zu klein geworden war. Sie organisierte internationale Konferenzen gegen Jugendarbeitslosigkeit und empfahl sich so ganz unverblümt als neue Außenministerin. Nachdem das Außenamt an die SPD gefallen ist, werde von der Leyen in ihrem neuen Job wieder "Feuer fangen", heißt es in ihrem Umfeld. Sie freue sich auf die internationale Management-Aufgabe.

In dem neuen Job wird es ihr helfen, dass sie viel Auslandserfahrung hat: Sie wird in fließendem Englisch und Französisch mit den Nato-Partnern verhandeln können. Einen Großteil ihrer Kindheit verbrachte von der Leyen in Brüssel. Sie studierte in London und arbeitete in Stanford, Kalifornien.

Einen heftigen Dämpfer musste sie 2010 hinnehmen: Nach dem Rücktritt von Horst Köhler als Bundespräsident wurde sie zwischenzeitlich als dessen Nachfolgerin gehandelt. Sie selbst ließ die Debatte in der Öffentlichkeit laufen, obwohl Merkel nie mit ihr über den Posten gesprochen hatte. Aus dieser Personalspekulation ging sie reichlich gerupft hervor. Dass es damals so weit kam, liegt auch in dem schwierigen Verhältnis zwischen Merkel und von der Leyen begründet. Während Merkel lange denkt, Gespräche führt und abwartet, bevor sie entscheidet, prescht von der Leyen einfach los.

Auch im Kampf für die Frauenquote riskierte sie Kopf und Kragen. Gegen die Interessen der eigenen Partei und des Koalitionspartners paktierte sie mit den sozialdemokratischen Frauen. Am Ende setzte sie sich durch.

In ihrer eigenen Partei ist sie wegen solcher Alleingänge unbeliebt. Stets bindet sie nur ihre engen Vertrauten ein, nimmt die Parteifreunde aber nicht mit. "Die könnte ja einfach mal anrufen", empört sich ein führendes CDU-Mitglied. "Total überschätzt", giftet eine andere führende Unionsfrau. Bei einem solchen Ruf fehlen in Situationen wie vor gut drei Jahren eben die wohlmeinenden Parteifreunde, die vor Fehlern warnen können. Ihre Gegner bringt auf, dass sie stets den Eindruck erweckt, als gebe es kein praktisches Problem, das sie noch nicht gelöst habe: Vereinbarkeit von Ministeramt und sieben Kindern, Machtkämpfe in der Partei, die Pflege eines demenzkranken Vaters.

Trotz teils beißender Kritik an von der Leyen weiß die Bundeskanzlerin, was sie an ihrer Ministerin hat. Wie keine Zweite kann sie Talkshows bespielen, Politik erklären und auch noch gut aussehen, wenn gerade alles schiefläuft. Stehvermögen braucht man auf der Hardthöhe und im Bendlerblock auch.

Denn das Verteidigungsministerium gilt als politische Schlangengrube. Die Sozialpolitikerin wird den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan organisieren müssen, die Bundeswehrreform zu Ende zu bringen und sich um die vielen verfahrenen Rüstungsprojekte zu kümmern haben. Auch der Beschaffungsskandal um die Drohne "Euro Hawk" ist noch nicht ausgestanden. Zudem hat die Bundeswehr seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 Nachwuchsprobleme.

Das typische Strickmuster der Politik von der Leyens geht so: Probleme orten und öffentlich benennen, Lösung im kleinen Kreis ausknobeln und öffentlich durchstechen, Lösung des Problems zur eigenen politischen Mission machen, Tunnelblick einstellen und Lösung ohne Rücksicht auf Verluste durchdrücken. Auf diesen Mechanismus darf sich auch die Truppe gefasst machen. Für die Bundeswehr bedeutet von der Leyen aber auch die Rückkehr des Glamour-Faktors, den sie seit Guttenbergs Abgang vermisst.

Vor ihrer Aufgabe hat die designierte Ministerin nach eigenen Angaben einen "Mordsrespekt" — das sagte sie am Abend in der ARD: "Ich bin absolut neu in dem Gebiet. Jetzt habe ich mich in den letzten 72 Stunden ununterbrochen damit beschäftigt." Platz für Humor war trotzdem noch — auf die Frage von Moderator Günther Jauch, ob sie etwas von dem Fachgebiet verstehe, antwortete von der Leyen nämlich auch: "Ich habe nicht gedient."

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort