Naturschützer kritisieren Kahlschlag an Straßen bedroht Vögel in NRW

Düsseldorf · Bis Ende Februar dürfen Bäume und Sträucher entlang der Straßen in NRW noch ausgedünnt oder geschlagen werden - dann beginnt die Brutzeit. Der Nabu NRW kritisiert, dass die Fristen seit Jahren nicht eingehalten werden.

Autofahrer kennen das Bild: Wenn die Landschaftspfleger von Straßen.NRW anrücken, sieht es neben den Autobahnen oder Bundesstraßen oft aus wie auf dem Mond. Alljährlich dünnt der Landesbetrieb den Baum- und Strauchbestand hinter (und zwischen) den Leitplanken aus, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Bis Ende Februar dürfen die Bäume geschlagen werden - dann beginnt die Vogel-Brutzeit. Eine Frist, die zu oft nicht eingehalten werde, kritisiert Birgit Königs, Sprecherin des Naturschutzbundes (Nabu) NRW. "In den vergangenen Jahren wurde immer zu lange abgeholzt, oft bis Mitte/Ende März", sagt Königs. "Der Landesbetrieb muss sich an die Vorgaben halten", fordert sie. "Aber das schafft er eigentlich nie."

Ein Grund laut Nabu: Ein Großteil der Gehölzarbeiten werde vom Landesbetrieb an Subunternehmen vergeben. Und die würden es mit den Fristen nicht so genau nehmen. Dem widerspricht Frank Eilermann, bei Straßen.NRW zuständig für Grundsatzfragen der Gehölzpflege. "Wir treffen nicht nur die Auswahl der zu bearbeitenden Flächen und stellen den Zeitplan auf, die Firmen werden auch von uns überwacht", sagt er. Die Zahl der Unternehmen, die für die Gehölzarbeiten engagiert werden, sei in den vergangenen Jahren in etwa gleich geblieben. Vor allem größere Flächen werden von diesen Firmen beackert. Sie dürfen die abgesägten Stämme behalten und weiterverkaufen, müssen die mutmaßlichen Erlöse aber in ihrer Angebotskalkulation berücksichtigen.

Öffentliches Interesse geht vor

Was die im Bundesnaturschutzgesetz vorgegebenen Fristen angeht, versuche Straßen.NRW diese auch zu berücksichtigen. "Wir sehen zu, dass wir mit den Schneidearbeiten bis Ende Februar durch sind", sagt Eilermann. Aber es gebe auch Ausnahmen: Manchmal erlaube die Witterung nicht, die Zeitvorgaben einzuhalten, oder das öffentliche Interesse müsse gewahrt werden - beispielsweise wenn Gefahr im Verzug ist, weil Äste auf die Fahrbahn zu stürzen drohen. "Dazu kommt, dass in den höher gelegenen Regionen des Landes wie in der Eifel und im Sauerland die Brutzeit erst später beginnt", sagt Eilermann. Möglicherweise entstehe oft auch ein falscher Eindruck, weil bis in den März Schnittguthaufen an den Straßen verladen würden.

Vor allem das Grün der straßennahen Zone, die einen Bereich von drei bis fünf Metern neben der Fahrbahn umfasst, wird von den Landschaftspflegern von Straßen.NRW wieder in Form geschnitten. Dabei geht es laut Eilermann jedes Jahr um eine Strecke von rund 3000 bis 5000 Kilometern, die bearbeitet werden muss. Der Unterbereich der Sträucher wird dabei meist stehen gelassen, das Schnittmaterial zerhackt. Reich werde man mit dem Verkauf der Biomasse laut Eilermann allerdings nicht. Brachte eine Tonne erntefrischer Hackschnitzel vor vier, fünf Jahren noch rund 25 bis 28 Euro im Verkauf, werden heute gerade mal rund sieben Euro erzielt. Zumindest minimiere dies die anfallenden Kosten: In der Saison 2016/17 musste Straßen.NRW insgesamt 23,7 Millionen Euro für die Gehölzpflege aufwenden.

Wertvoller Lebensraum für Vögel

Für Königs steckt hinter der Sorge um eine fristgerechte Gehölzpflege aber noch ein viel größeres Problem. "Die Landschaft ist mittlerweile so ausgeräumt, dass die Baumbestände entlang der Autobahnen zu wichtigen Lebens- und Rückzugsräumen für die Tiere geworden sind." Wenn es mehr entsprechende Strukturen in der Fläche gebe, würde es auf die paar Bäume an den Straßen gar nicht ankommen. "Das ist ja nicht gerade ein Top-Spot für Tiere." Die Waldfläche in NRW beträgt laut Landesbetrieb Wald und Holz 935.000 Hektar, das sind 27 Prozent der Landesfläche. Damit gehört NRW eher zu den waldärmeren Bundesländern. Der Bundesschnitt liegt bei 32 Prozent.

Laut Eilermann macht die straßennahe Vegetation nur einen Promillebereich der Grünflächen in NRW aus. "Und wir roden die Bereiche ja nicht, da geht nichts verloren", sagt er. Natürlich würden die behandelten Areale optisch zunächst schrecklich aussehen, trist und trübe. Nach ein paar Monaten entwickele sich aber bereits wieder eine Struktur, bereits im zweiten Jahr sei die Fläche wieder attraktiv für Lebewesen. Auch müssten entnommene Bäume nicht nachgepflanzt werden, weil es genug Samen in den Böden gebe. Eilermann: "Das erledigt die Natur schon selbst."

(jis)
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