Unterhaltsame Lesung mit der Berlinerin Tanja Dückers

Im Getümmel, das im Hinterraum des Restaurants Schmalbauch herrscht, geht Tanja Dückers an ihrem Lesetisch fast unter. Die Berliner Autorin war angereist, um ihren aktuellen Roman "Hausers Zimmer" vorzustellen; aber die sie umschwirrenden Fotografen und Techniker sowie die Kellner, die sich ihren Weg durch das Publikum zur Küche zu bahnen versuchen, lassen sie erst mit reichlich Verspätung zu Wort kommen.

"Die Kellner gehören jetzt zum Décor", begrüßt Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW die Schriftstellerin und das Publikum – und entschuldigt, dass das Wetter dem Plan, die Lesung im schönen Künstlerhof gegenüber stattfinden zu lassen, einfach zunichte gemacht hat.

Mit "Hausers Zimmer" zeichnet Tanja Dückers ein Porträt West-Berlins von 1982. Ein Berlin, das heute fast in Vergessenheit geraten ist. Ein düsteres West-Berlin ist es, in dem die Besucher Angst haben, dass "der Russe noch die Pforten schließt", bevor sie wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind und die Bewohner "Das Traumschiff" gucken und sich heimlich in den Süden wünschen. Es ist das West-Berlin der 14-jährigen Julika, aus deren Sicht die Geschichte denn auch erzählt wird.

Julikas Familie besteht aus ihren kunstaffinen Eltern, "The Wiebkes & The Klauses" (nach ihrer Lieblingsband "The Mamas & The Papas"), und ihrem pubertierenden Bruder Falk. Im Innenhof ihres Hauses tummeln sich der Künstler Herr Kanz – der am laufenden Band Brüste fabriziert – sowie der "Erfinder" Herr Olk, auch genannt "Grottenolk", weil er im Souterrain seine Schrotthaufen namens "urbane Collagen" versammelt. Außerdem ist da noch der langhaarige Hauser, der Julika mit seiner Hawaii-Tapete und seinen Bikerklamotten den Schlaf raubt.

Beim Lesen flößt Dückers ihrer Hauptfigur mit frecher Berliner Schnauze so viel Leben ein, dass man sich mit ihr und Hauser in die schnell Ferne träumen kann und am Ende ebenso enttäuscht ist wie die 14-Jährige, dass Hauser nicht annähernd das hält, was sein Lebensstil verspricht: "Die Tapete hab ik doch, damit ik nüsch weg muss, Kleene."

Also aus der Traum von der Flucht aus Berlin. Was bleibt, ist die Erinnerung an die äußerst unterhaltsame Lesung eines empfehlenswerten Romans.

(RP)
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