Umkämpfter Frauenturm von Köln

Nach Kürzungen der Fördermittel durch drei Landesministerien droht dem im Bayenturm untergebrachten feministischen Archiv von Alice Schwarzer das Ende. Dahinter vermutet die Frauenrechtlerin Taktik: Die Grünen hätten ein Auge auf die mittelalterliche Immobilie geworfen.

Köln Irgendetwas war bei der Anmeldung falsch gelaufen. Denn als man an der Pforte des Bayenturms seinen Namen sagte und sein Anliegen vortrug – man sei mit Frau Schwarzer verabredet –, gab es die wenig charmante Replik: "Uns war eine Frau Schröder angekündigt worden." Nun denn, auch dem Manne ward im Kölner Frauenturm Einlass gewährt, und es verlief gut, freundlich, gleichberechtigt.

Natürlich nährt so etwas unsere Klischeevorstellung wie auch das Bauwerk selbst, das "FrauenMediaTurm" (FMT) heißt und seit 1984 ein feministisches Archiv und Dokumentationszentrum beherbergt: Als Überrest der mittelalterlichen Stadtmauer steht der Bayenturm eher für Abschottung denn für Austausch. Zudem ist die architektonische Gestalt wie keine andere "symbolhaft phalluskonnotiert", worauf Barbara Schneider-Kempf, FMT-Vorstandsmitglied, einmal hingewiesen hat.

So wehrhaft der Frauenturm auch wirken mag, er steht auf einem wackligen Fundament. Denn arg gefährdet ist momentan die Archiv-Finanzierung, die von der Landesregierung noch unter CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mit 210 000 Euro jährlich gefördert, unter Rot-Grün aber auf 70 000 Euro gekürzt wurde. Wobei nicht nur an der Spitze der neuen Landesregierung mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) zwei Frauen stehen; auch alle an den Kürzungen direkt beteiligten Ministerien werden von Frauen geleitet: Frauenministerin Barbara Steffens strich rückwirkend zum 1. Januar 2011 das Fördergeld in Höhe von 70 000 Euro, während Wissenschafts- und Kulturminsterin Svenja Schulze ihre Anteile für Ende 2012 halbierten. Was bleibt, sind 70 000 Euro, die nach FMT-Angaben nur für die Betriebskosten reichten. Verkehrte politische Welt? "Konservative sind nicht qua Parteifarbe unansprechbar in Sachen Frauen, und Linke und Grüne nicht automatisch aufgeschlossen", lautete gestern das Statement von Alice Schwarzer.

Hauptgrund der Einsparung ist jenes Argument, auf das in Zweifelsfällen gern zurückgegriffen wird: die Haushaltskonsolidierung. Das aber ist schwer zu vermitteln, da im Haushaltsentwurf von einer Mittelverlagerung die Rede ist. Denn das in Köln eingesparte Geld soll dem Frauenkulturbüro in Krefeld gutgeschrieben werden. Ein anderer Grund sind die reglementierten Öffnungszeiten des Archivs. Der Missstand aber ist nach FMT-Angaben erst eingetreten, nachdem wegen der Kürzung einer Dokumentaristin gekündigt wurde. Die beanstandeten Öffnungszeiten, so auch der ehemalige Ministerialrat im Wissenschaftsministerium, Friedrich Bode, ist daher "eine Folge der Mittelkürzung". Für ihn sind die Begründungen nur eins: "eine Verhöhnung der Mittelempfänger". Ähnlich, obgleich moderater, äußerte sich gestern im RP-Gespräch Christa Thoben, Ex-Wirtschaftsministerin (CDU) von NRW: "Die Umschichtungen zugunsten rot-grüner Projekte haben das Ziel, eigene Leute mit Stellen zu versorgen. Wie sich die Landesregierung gegenüber Frau Schwarzer verhält, das grenzt an schlechtes Benehmen."

Und die hatte offenbar keine Chance zur Kontaktaufnahme: Sechs Briefe soll Schwarzer an Kraft in dieser Sache geschrieben haben; alle blieben nach ihren Angaben unbeantwortet. Gestern aber folgte eine Stellungnahme der Landesregierung, in der von einem Gespräch zwischen Kraft und Schwarzer "am Rande eines gemeinsamen Termins" die Rede ist. Darin habe man die Frauenrechtlerin über die Gründe "der schmerzlichen, aber notwendigen Haushaltsreduzierungen" informiert. Und: "Trotz aller Wertschätzung für die großen Verdienste von Alice Schwarzer muss die Landesregierung aufgrund der schwierigen Haushaltslage sparen und auch die Verhältnismäßigkeit der Fördermittel für den FrauenMediaTurm zu anderen Frauenkulturprojekten wahren."

Gegen die geplante Umschichtung der Mittel kann nach Auffassung von Sven Lehmann, Parteichef der Kölner Grünen, die derzeitige Bayenturm-Bewohnerin nichts einzuwenden haben: "Ich gehe davon aus, dass auch Alice Schwarzer die bessere Finanzausstattung von Frauenhäusern unterstützt. In der Abwägung bekommen jetzt viele Frauenprojekte im Land mehr, Leuchttürme mit wenig Breitenwirkung weniger."

Möglicherweise ist der eigentliche Schauplatz dieses Kampfes um den Frauenturm weniger landesweit, dafür kommunal zu sehen. Ministerin Barbara Steffens soll zu Alice Schwarzer eine tief sitzende Feindschaft hegen, wie die "FAZ" berichtet. Als der frühere CDU-Bürgermeister Fritz Schramma die Jahrespacht von gut 14 000 auf einen Symbol-Euro senken wollte, vereitelten die Grünen diesen Plan.

Und in der Stadt wird viel gemunkelt, dass die Grünen selbst einen Blick auf die interessante Immobilie geworfen hätten. Ob's stimmt? "Ja", sagte uns gestern Alice Schwarzer. "Es ist unübersehbar, dass die Initiative zur Kürzung der FMT-Förderung von Ministerin Steffens ausgegangen ist. Die SPD-Ministerinnen haben elf Monate später nachgezogen. Frau Steffens kommt aus Köln. Und in der Stadt ist es kein Geheimnis, dass die Grünen & Co. 1994 um jeden Preis in den Bayenturm wollten."

(RP)
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