Überstunden: Absprache führte auf Anklagebank

Absprachen über den Abbau von Überstunden, die bloß mündlich vereinbart wurden, können sogar bis auf die Anklagebank führen. Das musste eine Einrichtungsberaterin (42) gestern beim Amtsgericht erfahren. Laut Anklage habe sie über Jahre hinweg als Chefin der Küchenabteilung in einem Baumarkt etliche Kleinmöbel für 1050 Euro heimlich in ihre Wohnung geschafft. "Falsch", widersprach sie. Die Möbel habe sie doch als Warenersatz für fast 160 geleistete Überstunden mitnehmen dürfen – und das mit ihrem langjährigen Marktleiter mündlich so vereinbart.

Mit einer Mischung aus Empörung und Trotz wehrte sich die unbescholtene Küchenexpertin gegen den Verdacht: "Ich habe zwischen 2007 und Mai 2010 doch fast keine Freizeit gemacht, sogar aus dem Urlaub wurde ich zurückgeholt!" Bis zu 160 Überstunden habe sie damals angehäuft, weil sie allein die Küchenabteilung im Baumarkt zu betreuen hatte. An Bezahlung dafür oder einen Freizeitausgleich sei nicht zu denken gewesen. Also habe sie dem Marktleiter den Warenhandel vorgeschlagen: "Ich renoviere meine Küche, könnte Ausstellungsstücke gut gebrauchen." Der Chef sei einverstanden gewesen: "Machen Sie!" Also habe sie per Spedition und gegen Unterschrift und Lieferschein vier Unterschränke, eine Mikrowelle, eine Abzugshaube und ein Highboard zu ihrer Privatwohnung liefern lassen. "Das macht doch keiner, der die Sachen heimlich verschwinden lassen will!"

Aber als der langjährige Marktleiter durch einen Nachfolger (42) abgelöst wurde, flog der Handel auf. Der neue Chef witterte Unterschlagung oder Untreue. Und sein Vorgänger druckste im Zeugenstand herum. Immerhin hat er die Überstunden-Absprache mit der Angeklagten nicht geleugnet, aber auch nicht bestätigt. Der Richterin genügte das. Sie fragte nicht nach, ob die Überstunden-Regelung mit der Küchenexpertin damals mit der Geschäftsleitung abgesprochen war. Mit Zustimmung aller Beteiligten wurde das Strafverfahren gegen die Angeklagte kurzerhand eingestellt, ohne Auflagen und wegen "geringer Schuld". Immerhin hat die Frau den Baumarkt längst verlassen und arbeitet nun in einem anderen Betrieb – mit geregelten Arbeitszeiten.

(RP)
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