Uniklinik Essen Transplantations-Skandal an Uni-Klinik

Essen · Der Direktor für Tansplantationschirurgie am Essener Uniklinikum sitzt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm massive Verstöße bei Transplantationen vor. Ermittelt wird gegen ihn wegen Totschlags.

Der Zugriff der Polizei erfolgt am frühen Dienstagmorgen – und zwar so, dass ihn jeder im Krankenhaus mitbekommen kann. Die Beamten sind zum Essener Uniklinikum gekommen, um den Chef der Transplantationschirurgie festzunehmen. „Sie haben das Gebäude zwar nicht umstellt, aber sie hätten durchaus etwas feinfühliger vorgehen können“, sagt ein Mitarbeiter des Klinikums. „Wir sind selbst völlig überrascht worden, weil uns niemand über den Haftbefehl informiert hat.“

Die Staatsanwaltschaft Essen hat eben solchen gegen den 61-jährigen Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie wegen Totschlages in einem Fall, wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen und wegen Verstoßes gegen das Transplantationsgesetz vollstreckt.

Der Mediziner wird verdächtig, dafür verantwortlich zu sein, dass zwischen 2012 und 2015 an sechs Patienten medizinisch nicht indizierte Lebertransplantationen durchgeführt worden sind. An diesen Operationen soll er laut Staatsanwaltschaft zum Teil selbst beteiligt gewesen sein und zugelassen haben, dass andere Ärzte solche Transplantationen durchgeführt haben. „Dabei soll ihm in allen Fällen bewusst gewesen sein, dass die Indikation nicht gegeben war, weil das Risiko der Transplantation höher war als das Risiko der Erkrankungen, an denen diese sechs Patienten litten und für die risikoärmere, alternative Behandlungsmöglichkeiten mit guter Prognose bestanden hätten“, erklärt die Staatsanwaltschaft in einem Schreiben.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen soll der Beschuldigte Ende 2014 selbst an einer solchen, nicht indizierten Transplantation beteiligt gewesen sein, die zum Tod des Patienten geführt haben soll. Nach Angaben der Anklagebehörde ist der Mediziner bereits dem Haftrichter vorgeführt worden. Er hat die Vorwürfe aber zurückgewiesen. Die Festnahme sei nötig gewesen, weil Flucht- und Verdunkelungsgefahr bestanden habe. „Und es gab die Befürchtung, der Beschuldigte könne weitere Taten ähnlicher Art begehen“, so die Staatsanwaltschaft. Er soll Bekannte im Ausland haben, zu denen er hätte flüchten können, heißt es.

Das Klinikum will sich konkret nicht zu den Vorwürfen äußern. „Aufgrund des laufenden Verfahrens können wir zum derzeitigen Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen. Zur Aufklärung der Vorwürfe wird das Universitätsklinikum Essen vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft Essen kooperieren“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung. Aus Kreisen des Klinikums ist aber zu erfahren gewesen, dass man von der Dimension der erhobenen Vorwürfe sehr überrascht gewesen sei. „Wir haben damit gerechnet, dass etwas kommt, weil die Ermittlungen schon seit Jahren andauern. Aber mit dem Ergebnis hat niemand von uns gerechnet“, so ein Mitarbeiter.

Hintergrund der Verhaftung ist das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2017, das durch die Prüfungs- und Überwachungskommission (Pük) eingeleitet worden ist. Die Pük ist eine gemeinsame Einrichtung von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Die Aufgabe der Kommission besteht darin, die Einhaltung der Bestimmungen des Transplantationsgesetzes zu überwachen. Aus diesem Bericht hatte sich laut Staatsanwaltschaft ein Anfangsverdacht wegen möglicher Vergehen wegen Fälschung von Krankendaten gegenüber der Koordinierungsstelle Eurotransplant ergeben.

Im Zuge dieser Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft außerdem einen Sachverständigen mit der Auswertung von beschlagnahmten Krankenunterlagen beauftragt. Diese Auswertung führte dann zu den Vorwürfen gegen den 61-Jährigen, die ihn nun in Untersuchungshaft brachten.

(csh)
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