Bochum Tierschützer protestieren gegen "Gänsereiten"

Bochum · Kopfüber hängt die Gans an dem Seil, das zwischen zwei Bäumen gespannt ist. Im Galopp prescht ein Reiter im blauen Bauernkittel auf das tote Tier zu und greift kräftig nach oben zum Gänsehals. Als er den baumelnden Hals zwischen seinen Fingern zu fassen bekommt, zieht er mit einem Ruck daran. Doch der Hals mit Sehnen, Muskeln und Haut ist zäh und lässt sich nicht abreißen. Fast eine Stunde zerren die Reiter an der Gans, bis der Hals lose am Körper baumelt. Endlich gelingt es einem, den Kopf vom Rumpf zu reißen. Der Reiter hält die Trophäe in den Händen. Das begeisterte Publikum jubelt dem neuen Gänsereiterkönig zu.

Jedes Jahr feiert der Bochum-Wattenscheider Gänsereiterclub Höntrop mit dem "Gänsereiten" den Rosenmontag, die Gänsereiter aus Wattenscheid-Höntrop bereits am Sonntag zuvor. Als letzte Vereine in NRW halten sie an dieser karnevalistischen Tradition mit echten, toten Gänsen fest. "Das ist ein über 400 Jahre alter Brauch, den die beiden Clubs auch weiterhin fortsetzen wollen", sagt Hans-Joachim Hehrs, Bochumer Rechtsanwalt und Sprecher der beiden Clubs. "Ein makabres, blutiges und entwürdigendes Schauspiel, bei der aggressives Verhalten gezeigt und zur Gewalt aufgerufen wird", sagt dagegen Wolfgang Karnowsky, emeritierter Professor für Jura an der Fachhochschule Dortmund und Sprecher des Bochumer "Bündnis für Tierrechte".

Die Tierschützer fordern seit 20 Jahren, dass die Bochumer Gänsereiter keine Tiere mehr für ihre Wettkämpfe einsetzen. Jedes Jahr reichen sie bei der Bochumer Staatsanwaltschaft Klage gegen den Brauch ein. Immer erfolglos. In Dortmund und Essen verzichten die Karnevalisten mittlerweile auf echte Tiere. In Bochum schreitet das Ordnungsamt nicht ein, weil die Karnevalisten die Gans anschließend verzehren, heißt es.

Die Wattenscheider sind nicht die Einzigen in der Region, die an diesem Brauch festhalten. So wird der Karneval in Velbert mit dem "Hahneköppen" begangen. Eine Tradition, die zu anderen Jahreszeiten auch im Bergischen Land, etwa in Wermelskirchen, praktiziert wird. Dabei wird ein toter Hahn kopfüber in einem Korb und an einem Seil zwischen zwei Bäumen aufgehängt. Nur der Kopf ist durch ein Loch im Boden des Korbs zu sehen. Mit verbundenen Augen und einem Holzschwert versuchen Männer, den Hahn zu enthaupten. Den Protest von Tierschützern kann der Präsident der Velberter Karnevalsgesellschaft "Grün-Weiß Langenhorst", Christian Grünendahl, nur bedingt nachvollziehen: "Weil es sich um Brauchtum handelt, das gepflegt werden sollte." Und weil nur Tiere im Wettkampf eingesetzt würden, die zuvor wegen Krankheit oder fortgeschrittenem Alter geschlachtet wurden.

(RP)
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