Theaterabend fast wie ein Symposium

"Radikale Gegenwart – 24 Stunden ohne Ich": Ludwig Haugk, Stefan Schneider und Kevin Rittberger haben mit dem Motto des vierten Teiles der Enthusiasmus-Reihe auf der Bühne des Kleinen Hauses wieder hohe Erwartungen geweckt. Doch hat sich das Konzept, das am Anfang der Spielzeit so gewaltig mit einer Rückschau auf die revolutionäre russische Avantgarde begann, aber dann mit Beiträgen zu Casparis Labyrgesellschaft und Alain Badiou immer theorielastiger wurde, scheinbar erschöpft.

Ist Enthusiasmus wirklich nur noch in der Rückschau möglich? Der Versuch, ihn in der Gegenwart zu finden, indem man einen Tag in vierundzwanzig Stücke teilt und Künstlern die Aufgabe gibt, jeweils eine Stunde auf zehn Minuten zu verdichten, ist nicht gelungen. Die Aufführung folglich auf vier Stunden aufzublasen war deutlich überdimensioniert. Das Verlesen von Texten und die wenigen visuellen Beiträge ergaben die Atmosphäre eines unergiebigen Kultur-Symposiums, wobei der Vortrag von Prof. Görling von der Heine-Universität zum "Gegenwartsmoment" wenigstens vorübergehend den Aufmerksamkeitspegel ansteigen ließ. Radikal war an diesem Abend nichts. Das parallel stattfindende Champions-League-Finale in München war sicher nicht der einzige Grund, weshalb kaum ein Zuschauer den 19. Mai noch einmal Stunde für Stunde nachvollziehen wollte. Enthusiasm ist das Theater oder nicht – hieß es in der Ankündigung. Beim "oder nicht" sollte es nicht bleiben.

(RP)
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