Tausendfüßler: Regeln für den Abriss

Der Antrag liegt bei der zuständigen Behörde. Es gibt einen Ratsbeschluss für die Niederlegung des Bauwerks, das aus den frühen 60er Jahren stammt. Aber es steht unter Denkmalschutz. Trotzdem ist eine Beseitigung möglich. Wir erklären die Details.

Im Rat gibt es derzeit eine Mehrheit für den Abriss des Tausendfüßlers. Die 50 Jahre alte Hochstraße soll im Rahmen des neuen Verkehrskonzeptes Kö-Bogen weichen, der dort fließende Verkehr wird künftig durch ein Tunnelsystem laufen. Auch der Abriss-Termin steht fest: Am 1. April 2012 soll die Hochstraße niedergelegt werden. Soweit die Pläne.

Aber es gibt eine Reihe von Gegnern der Beseitigung dieses Bauwerks, das in typischer Form den Glauben an die autogerechte Stadt der 60er Jahre symbolisiert, ein Stück Düsseldorfer Stadtgeschichte ist (ein verdienstvolles, übrigens!) und daher unter Denkmalschutz steht. Damit wird häufig argumentiert, ein Abriss sei nicht durchsetzbar.

Aber das stimmt nicht – auch denkmalgeschützte Objekte können verschwinden, sagte jetzt Raimund Bartella, Referent für Kultur- und Denkmalschutz beim Deutschen Städtetag in Köln. Die Diskussion um den Düsseldorfer Tausendfüßler kennt er nur vom Hörensagen. Aber die Problematik ist ihm geläufig.

Für einen Abriss solcher Objekte sind allerdings klare Regeln gesetzt, sagt Bartella – und ob es am Ende dann dazu kommt, ist längst nicht sicher. Aber grundsätzlich möglich ist es. Voraussetzung ist, dass es ein "überwiegendes öffentliches Interesse" an dem Abriss gibt, das die Stadt so festgestellt hat und mit einer Mehrheit des Rates, der eine Mehrheit in der Bevölkerung vertritt, beschließt. (s. dazu auch den Bericht unten auf dieser Seite). Bis zu einem Abriss (oder dessen Ablehnung) wird des folgende Schritte geben: 1. Bei der "Unteren Denkmalbehörde" wird beantragt, das Objekt abreißen zu dürfen. Diese Behörde prüft die oben genannten Regeln und stimmt zu – oder lehnt ab. Im konkreten Fall ist mit einer Zustimmung zu rechnen, denn diese Behörde ist Teil der Stadtverwaltung, untersteht dem Baudezernenten Gregor Bonin und somit dem Oberbürgermeister. Sowohl Elbers wie Bonin jedoch sind klare Befürworter des Tausendfüßler-Abrisses. Von einer Genehmigung ist also auszugehen. 2. Jetzt kommt die nächst höhere Behörde ins Spiel. Das ist das "Rheinische Amt für Denkmalpflege", auch Landeskonservator genannt. Ein Amt, das dem Landschaftsverband Rheinland zugeordnet und daher unabhängig von kommunalen Einzelinteressen ist. Jede Auflösung des Denkmalschutzes wird von dieser Kontrollinstanz geprüft. Das Amt muss dem Düsseldorfer Entscheid zustimmen. Tut es das, wird abgerissen, tut es das nicht, folgt der dritte Schritt. 3. Wenn Landeskonservator und Stadt uneins sind, kann das Ministerium eingeschaltet werden. Im Gesetzt steht ausdrücklich, dass der Landeskonservator "das Recht hat, eine Entscheidung des Ministers herbeizuführen" – aber er muss das nicht tun. Zuständig ist das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Bauen – und somit Harry Voigtsberger (SPD). Es käme nun zu einem Ministerentscheid über das Vorhaben der Düsseldorfer. Gibt der Minister nach Prüfung der Lage seine Zustimmung, wird abgerissen, gibt er sie nicht, folgt ein vierter Schritt. 4. Der Minister weist in diesem Fall der Uneinigkeit mit der Stadt die Untere Denkmalbehörde (also ein Amt der Stadt Düsseldorf) an, die Genehmigung zum Abriss zu verweigern. Die Ablehnung des Abrissantrages ist jedoch für die Stadt "ein belastender Verwaltungsakt" – und gegen den kann sie klagen, was sie auch täte. Dann käme es zu der kuriosen Situation, dass der OB gegen seinen eigenen Baudezernent (der auf Weisung des Ministers handelt) und damit gegen sich selbst klagen würde. Eine solche Klage vor dem Verwaltungsgericht würde wohl über Jahre laufen.

Diesen Fall halten Fachleute für unwahrscheinlich – und dies aus mehreren Gründen. Sollte der Landesminister der Stadt Düsseldorf verbieten, die Innenstadt nach dem eigenen Ratsbeschluss zu verändern, wäre das ein drastischer Eingriff in die kommunale Eigenständigkeit. Bundesweit, sagt ein Insider, kommt es pro Jahr höchst selten – nämlich nur rund zwei Dutzend Mal – zu solchen Eingriffen.

Außerdem kennen Insider eine Reihe von Fällen, wo sich Untere Denkmalbehörde und Kontrollinstanz (also Amt für Denkmalpflege) uneins waren, aber es nicht zu einer weiteren Streitigkeit kam, weil man der Stadt ihr Entscheidung überließ.

(RP)
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