Geschichte in Sonsbeck Ein Dompteur, der Raubtiere zähmt
Sonsbeck · Der berühmte Zirkusdirektor Adolf Althoff wurde 1913 in einem Wohnwagen auf der Hochstraße in Sonsbeck geboren. Er starb vor 22 Jahren. Weitgehend unbekannt ist, dass er jüdische Artisten vor den Nazis und so vor dem Tod gerettet hat.
Er war ein Mann des Rampenlichts, feierte als Artist, Dompteur und Direktor des international renommierten Circus Adolf Althoff über Jahrzehnte lang große Erfolge. Und doch lagen die größten Verdienste von Adolf Althoff im Verborgenen. Denn der gebürtige Sonsbecker hat während der Zeit des Nationalsozialismus mehrere Juden in seinem Zirkus-Ensemble versteckt, schützte sie so vor der Deportation und rettete ihnen das Leben. In dieser Woche hat sich Althoffs Todestag zum 22. Mal gejährt. Und bis heute noch ist das große menschliche Engagement des namhaften Zirkusdirektors weitgehend unbekannt.
Das wollen Veit Scheuermann sowie Christiane und Thomas Grütters nun ändern. Die Sonsbecker unterstützen den Verein für Denkmalpflege dabei, das jüdische Leben in der Gemeinde aufzuarbeiten. Zufällig stießen sie bei ihren Recherchen auf den Namen Adolf Althoff. „Wir haben uns sehr gewundert, bislang kaum etwas von ihm erfahren zu haben“, erzählt Christiane Grütters. „Dieser Mann hat sich so große Verdienste erworben – uns war sofort klar, das muss man publik machen.“
Also forschte das Trio weiter. Insgesamt rund ein halbes Jahr lang. Entstanden ist nun ein Video, das das Leben des bekannten Zirkusdirektors aufzeigt und dessen Zivilcourage würdigt. „Gerade in Zeiten des wieder zunehmenden Antisemitismus ist es wichtig, an Menschen zu erinnern, die gegen Unrecht gekämpft haben und für andere Menschen eingetreten sind“, betont Heinz-Peter Kamps, Vorsitzender des Vereins für Denkmalpflege.
Adolf Althoff entstammt einer der ältesten und bekanntesten Zirkusdynastien Europas, deren Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Er kam am 25. Juni 1913 als zweitjüngstes von acht Geschwistern zur Welt – während einer Zirkusvorstellung. Die Artistenfamilie gastierte damals in Sonsbeck. Zelte und Wagen waren um die Marktlinde mitten auf der Hochstraße aufgebaut. Während sein Vater Dominik in der Manege stand, lag seine Mutter Adele in den Wehen. Althoff sagte später: „Ich bin im Wohnwagen meiner Eltern mit Musik auf die Welt gekommen, während die Nachmittagsvorstellung lief.“
In den folgenden Jahren besuchte Althoff nur sporadisch die Schule, da der Zirkus durch ganz Europa tourte. Dafür schulte er von klein auf sein artistisches Talent, interessierte sich vor allem für Technik, entwickelte unter anderem die elektrische Laufschrift Circus Althoff. In den 1930er Jahren übernahm Adolf Althoff zusammen mit seinen Geschwistern die Leitung des Zircus.
Berühmtheit erlangt Althoff 1937 mit einer aufsehenerregenden Show-Premiere: mit dem Tiger, der auf einem Pferd reitet. In den 60er Jahren führte er zudem als erster Dompteur überhaupt das Raubtier selbst als zahmes Reittier vor. 30 Jahre lang war er Zirkusdirektor und stand noch bis ins hohe Alter in der Manege.
Lange verborgen blieben dabei Althoffs größten Verdienste. Erst in den 80er Jahren wurden diese durch einen Zeitungsartikel publik. Während des Zweiten Weltkrieges nahmen er und seine Frau Maria 1941 die jüdische Artistin Irene Danner auf, die ebenfalls einer berühmten Zirkusfamilie angehörte, gegen die aber die Nazis wegen ihrer Abstammung ein Berufsverbot verhängt hatten.
Im Circus Althoff aber durfte sie unter falschen Namen weiter auftreten, lernte dort ihren späteren Mann, den berühmten Clown Peter Bento, kennen. Nachdem Irene Danners Großmutter und ihr Großonkel 1943 nach Auschwitz deportiert worden waren, fanden weitere Familienmitglieder Unterschlupf im Zirkus-Ensemble. Für die Althoffs ein lebensgefährliches Risiko.
So kam es auch zu brisanten Situationen: In jeder Stadt, in der der Zirkus gastierte, wurde er von Gestapo-Beamten kontrolliert. Althoff, der fast überall Freunde hatte, wurde aber vorab über die Kontrollen informiert und konnte die jüdischen Artisten warnen. Als Hinweis galten Klopfzeichen an den Wohnwagen – Stichwort „Geht angeln“.
Als Versteck diente ein spezieller Wagen mit einem verborgenem Gang. Wurde die Zeit knapp, lenkte der Zirkusdirektor die Gestapo-Beamten mit einigen Gläsern Alkohol so lange ab, bis alle in Sicherheit waren. Alle bei Althoff versteckten Familienmitglieder überlebten die Nazi-Herrschaft und die Kriegszeit.
Für diesen selbstlosen und couragierten Einsatz hat die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem Adolf und Maria Althoff 1995 mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ geehrt – die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an Nichtjuden verleiht. Ein prominentes Beispiel aus diesem Kreis ist Oskar Schindler.