Comedy in Xanten Atzes Absolution im Wardter Regen
Xanten · Comedian Atze Schröder lässt den Regen bei seinem Auftritt vor 3000 Fans im Wardter Strandbad vergessen. Diesmal gab sich der Mann mit dem Lockenkopf als Erlöser und erntet Riesenapplaus.
Den Mann mit dem Lockenkopf kann nichts erschüttern. Schon gar nicht plötzlich einsetzender Regen. Die dunklen Flecken am Himmel nehmen zügig zu, als Atze Schröder am Samstagabend kurz nach 20 Uhr auf die wechselweise in rotes und blaues Scheinwerferlicht getauchte große Bühne im Strandbad springt, die Arme ausbreitet und den geschätzt 3000 Frauen und Männern vor ihm gleich zu Beginn eines klar macht: Sie sind nicht schuld, an gar nichts. Und er sei der Erlöser, er sei daher gekommen, damit die Menschen ihre Sünden auf ihn werfen können.
Nein, er sei nicht Jesus aus Essen, dann hätte er doch das mit Holz von Hornbach selbst gezimmerte Holzkreuz mitten auf die Bühne gepflockt. Hat er aber nicht, sondern nur sich selber mitgebracht und zum Auftakt seiner 90-Minuten-Show von seinem Technik-Team „What ever you want“ von Status Quo aufdrehen lassen. Und dann spielt und erzählt er gegen den aufkommenden Regen und die Trübsal mancher Zeitgenossen an. „In Xanten ist immer gutes Wetter, geil! Alle haben sich letztes Jahr in die Hose gemacht, als ich hier spielte.“ Kaum habe er auf der Bühne gestanden, sei die Sonne durchgebrochen, erinnert sich der Comedian, der seit 30 Jahren mit dafür sorgt, dass Menschen zumindest für ein paar Stunden mal ihre Sorgen vergessen und einfach nur herzhaft lachen können.
„Bei dem hast du immer das Gefühl: Der geht auf die Bühne und haut einfach raus, was ihm gerade so einfällt“, stellt ein Besucher später beim Rausgehen fest. Und genau so ist es: Atze legt einfach los, nimmt die Besucher, von denen 70 Prozent durch durchsichtige Plastikcapes zumindest einigermaßen geschützt sind, und auch die restlichen 30 Prozent unverhüllten Frauen und Männer mit auf seine kurzweilige Reise als „Erlöser“. „Ich habe euch vermisst. Letztes Jahr war es schon vom Allerfeinsten hier. Als die mich fragten, ob ich nochmal kommen würde, hab ich sofort ‚ja klar‘ gesagt.“
Solange er noch seine Locken auf dem Kopf habe, sei übrigens windtechnisch alles im grünen Bereich. „Ich würde auch bei Windstärke 12 für euch auftreten“, versichert er und kündigt gleich zu Beginn an, dass er den Xantenern „mental die Gurkenscheiben ins Gesicht legen und den roten Teppich ausrollen“ würde. Und wenn alle einverstanden seien, würde er ohne Pause durchspielen bis 21.30 Uhr, „so entgehen wir einem möglichen Unwetter“. Das Publikum ist einverstanden, kommt aus dem Lachen nicht heraus, macht mit, als der Comedian bekannte Schlager anstimmt und seine textsicheren Gäste animiert, lautstark den Refrain zu singen.
Und immer wieder schwadroniert Atze Schröder. Über das Fremdgehen, das sich lohnen müsse. Über Frauen, die audio-erotische Wesen seien und „juckig“ würden, wenn sie eine schön tiefe Männerstimme hörten. Über die 50 Sorten Senf und Brot, die in deutschen Supermärkten in den Regale lägen und die doch wirklich keiner brauche. Über Werbung, die er mal für Bruzzler gemacht habe („als mich einer mal fragte, wie die schmecken, habe ich die Schultern gezuckt: Keine Ahnung, ich esse so einen Schei… nicht“). Über einen Kindergeburtstag in Hamburg-Eppendorf, wo alles eingestilt und nichts dem Zufall überlassen wird. Das sei früher anders gewesen, erinnerte sich Atze Schröder. „Die Eltern saßen im Wohnzimmer, haben die Bude zugequalmt, wir waren draußen und konnten tun und lassen, was wir wollten. Das haben die drinnen gar nicht mitgekriegt.“
Camping, so habe sein Opa immer gesagt, sei die Fähigkeit, die eigene Verwahrlosung als Urlaub zu empfinden. Und Bildung komme heute von Bildschirm, nicht von Buch. Sonst hieße es ja Buchung. Was ihn immer wieder beeindrucke sei die Vertrautheit von Pärchen. Wenn der Mann zum Beispiel nach einer Hotel-Übernachtung morgens am Frühstücksbüffet stehe, seiner Frau quer durch den Saal zurufe, ob er Gouda-Käse möge, und sie zurückrufe: „Nimm’ Leberwurst, die schmeckt dir.“ Das habe auch was mit Erlösung zu tun.
90 Minuten Atze Schröder im Wardter Strandbad (sorry: Naturbad), ein bestens aufgelegter Comedian und ein genauso gut aufgelegtes Publikum, das sich trotz immer wiederkehrender Regengüsse die Laune nicht verderben lässt: Das hat was, das ruft nach Fortsetzung. „Alles wird gut“, mit diesen Worten entlässt Schröder seine Fans und schiebt hinterher: „Ich erteile euch die Absolution. In 20 Jahren werde ich auch noch nach Xanten kommen. Wenn alle um euch herum wegbrechen: Ich bleibe euer Freund.“
Gut zu wissen.