Corona in Xanten „Man darf uns nicht im Regen stehen lassen“

Xanten · Xantens Bürgermeister fordert vom Land einen Ausgleich für zusätzliche Aufwendungen der Kommunen in der Corona-Krise.

 Xantens Bürgermeister Thomas Görtz fordert eine Rettungsschirm für die Kommunen.

Xantens Bürgermeister Thomas Görtz fordert eine Rettungsschirm für die Kommunen.

Foto: Fischer, Armin (arfi)/Fischer, Armin (afi)

Die Kommunen sind in diesen Tagen besonders gefordert: Sie müssen die Regeln zur Ausbreitung der Corona-Pandemie umsetzen, während die übrige Arbeit der Verwaltung weiterlaufen soll. Mit Xantens Bürgermeister Thomas Görtz sprachen wir deshalb über Home-Office, Parkgebühren und Schulsanierungen.

Herr Görtz, durch die Corona-Krise sind auf die Kommunen neue Aufgaben zugekommen. Wie gehen Sie und Ihre Mitarbeiter damit um?

Thomas Görtz Es ist eine besondere Belastungssituation, vor allem für die Abteilungen, die damit unmittelbar zu tun haben, wie das Ordnungsamt. Einige Kollegen gehen dabei an ihre Belastungsgrenzen. Es ist eine starke Team-Leistung, ich bin froh und dankbar, so eine engagierte Mannschaft zu haben. Wir, aber auch andere Kommunen, haben für die Bewältigung der Krise viel zu schultern. Wir müssen die Vorschriften umsetzen und deren Einhaltung kontrollieren, und man muss sich schon fragen, ob das nicht Aufgabe des Bundes oder des Landes wäre. Stattdessen setzen wir unser Personal dafür ein und haben erhebliche Mehraufwendungen, ohne zu wissen, ob uns diese Ausgaben erstattet werden.

Was fordern Sie deshalb?

Görtz Die Situation ist vergleichbar mit 2015, als es um die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen ging. Dafür bekamen und bekommen wir Geld, wenn auch nicht genug. Aber was ist mit den Mehraufwendungen für die Bewältigung der Corona-Krise? Wird es einen Rettungsschirm für die Kommunen geben? Ich fordere dringend eine Unterstützung durch Land und Bund, wenn die Kommunen zur Vollstreckungsbehörde für alle staatlichen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz werden. Bund und Land dürfen die Kommunen nicht im Regen stehen lassen.

Können Sie die Folgen die Corona-Krise für den Haushalt der Stadt schon abschätzen?

Görtz Es wäre blauäugig anzunehmen, dass es ohne Auswirkungen auf den Haushalt bleiben wird. Aber das kann man noch nicht abschätzen. Es kann auf der Ertragsseite zu Einnahmeausfällen führen. Wenn die Wirtschaft einbricht, dann wird es Auswirkungen auf Umsatzsteuer- und Einkommenssteueranteile haben, die an uns weitergeleitet werden. Bei der Gewerbesteuer wissen wir auch nicht, ob der Ansatz angepasst werden muss. Gleichzeitig werden wir vielleicht geplante Investitionen oder auch konsumtive Aufwendungen verschieben müssen. Es kann also sein, dass wir auch etwas einsparen.

In vielen Betrieben sind Mitarbeiter ins Home-Office gewechselt. Wie handhaben Sie es im Rathaus?

Görtz Wir haben mehr als zehn Home-Office-Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen und schauen, wo es sich noch anbietet. Wir wechseln auch: Wer in der Vergangenheit einen Home-Office-Arbeitsplatz bekommen hat, aber im Moment keine systemrelevanten Aufgaben hat, kann seinen Arbeitsplatz einem anderen zur Verfügung stellen. Das Equipment wird dann abgezogen. Eine andere Maßnahme: Wir treffen uns in riesigen Räumen, um den Abstand zu wahren und führen möglichst viele Gespräche telefonisch. Einige Kollegen nutzen die Möglichkeit von Video-Konferenzen, damit wir uns für eine Beratung nicht persönlich treffen müssen. Das verändert das Zusammenarbeiten. Man begegnet sich auf dem Flur, schafft aber Abstand, macht quasi einen Bogen umeinander. Wir haben außerdem Regelungen getroffen, um das Risiko zu minimieren. Überall im Rathaus stehen Handdesinfektionsmittel zur Verfügung, und den Mitarbeitern stellen wir auf Wunsch bei Außenterminen Mundschutz und Handschuhe zur Verfügung, wenn sie mit einem körperlichen Kontakt rechnen müssen, zum Beispiel in der Rufbereitschaft des Ordnungsamtes außerhalb der normalen Dienstzeiten.

Welche Aufgaben kann die Verwaltung in der Corona-Krise noch bearbeiten, welche nicht?

Görtz Das normale Tagesgeschäft läuft im Hintergrund in leicht reduziertem Umfang weitgehend weiter, wir arbeiten zum Beispiel auch weiter Bauanträge ab, aber einige Abteilungen sind heruntergefahren worden. Dadurch können deren Mitarbeiter bei der Krisenbewältigung helfen. Zum Beispiel arbeitet der Fachbereichsleiter Wirtschaftsförderung und Liegenschaften im Krisenstab mit, übernimmt Koordinierungsaufgaben und hält die Verbindung zu Betrieben und Unternehmen, um wichtige Informationen zu Hilfsprogrammen für die Wirtschaft weiterzugeben und zu erläutern.

Gerade das Ordnungsamt ist in die Krisenbewältigung stark eingebunden und kontrolliert die Umsetzung der Maßnahmen. Hat es überhaupt noch Zeit für andere Aufgaben?

Görtz Bei Falschparkern konzentrieren wir uns zum Beispiel auf Verstöße auf Behindertenparkplätzen, auf Rettungszufahrten und Gehwegen, dort kontrollieren wir weiter im Interesse der Sicherheit wie bisher. Aber es kann im Moment nicht jede Parkscheibe oder jeder Parkschein kontrolliert werden. Das ist jedoch kein Freibrief und bedeutet nicht, dass niemand mehr ein Ticket lösen muss, kontrolliert wird trotzdem weiterhin stichprobenartig. Wir müssen sehen, was wichtig und was etwas weniger wichtig ist. Ich brauche die Mitarbeiter im Moment teilweise für andere Dinge.

Was ist mit Investitionen? Was bleibt liegen, was wird verschoben?

Görtz Die Verkehrszählungen für das Mobilitätskonzept zum Beispiel haben wir gestoppt. Das würde im Moment ein verzerrtes Bild ergeben. Zusätzlich zur Corona-Krise haben wir eine besondere Situation, weil wir keinen beschlossenen Haushalt haben.

… Die Ratssitzung mit der Haushaltsberatung musste wegen Corona verschoben werden …

Görtz Wir können einige Themen deshalb nicht weiter anschieben. Wir wollen aber den Prozess, was das Gymnasium betrifft, nicht vollkommen zum Erliegen bringen. Das heißt, wir haben einen Ratsbeschluss, also einen politischen Konsens, daran arbeiten wir weiter. Wir werden auch, was die Gesamtschule angeht, in Kürze ein Gespräch mit der Gemeinde Sonsbeck führen. Wir machen eine Telefon-Konferenz, um zu schauen, wie es weitergeht. Auch Baumaßnahmen werden fortgeführt, sofern Mittel im vorherigen Haushalt eingeplant waren oder es einen politischen Beschluss gibt, zum Beispiel für die Erweiterung der Grundschule in Lüttingen. Wir wollen dort im Sommer einen Aufzug einbauen. Das lassen wir weiterlaufen, und auch der Baubeginn für die Erweiterung soll wie geplant in diesem Jahr sein.

Wie reagieren die Bürger darauf, dass die Verwaltung durch die Krisen-Bewältigung eingebunden ist?

Görtz Die Mehrheit nimmt die Verwaltung im Moment nicht mehr so sehr in Anspruch. Die meisten Stadtverordneten auch nicht. Aber von einzelnen Ratsmitgliedern bekommen wir Anfragen, bei denen ich mich schon frage, ob das in diesen Tagen sein muss. Das werden wir bearbeiten, sobald wir Zeit dazu haben. Mein Appell ist deshalb: So wie jeder Bürger dazu aufgerufen ist, nur in dringenden Angelegenheiten auf die Verwaltung zuzugehen, sollten das die Ratsmitglieder auch tun. Die meisten wissen auch, dass wir im Moment andere Sachen zu tun haben.

Welche Erfahrung nehmen Sie aus den vergangenen zwei Wochen mit?

Görtz Dass wir sehr viele vernünftige Leute in Xanten haben, die die Situation sehr besonnen aufgenommen haben. Es hat keinen Aufschrei gegeben, selbst unter den Geschäftsleuten, die sehr gebeutelt sind. Es hat sehr viel Verständnis gegeben für das, was wir tun müssen. Es ist natürlich eine Zwangslage, in die die Menschen hinein gedrängt werden. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, viele können nicht mehr arbeiten, bekommen vielleicht irgendwann Geldprobleme, die Kinder dürfen nicht mehr auf Spielplätze. Die Situation birgt auf längere Sicht sozialen Sprengstoff. Da müssen wir aufpassen und versuchen, mit unseren Mitteln und Angeboten gegenzusteuern.

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