Wie Mode-Händler mit der Corona-Krise umgehen Anprobe am rollenden Kleiderschrank

Xanten · Mode-Händler müssen jetzt schon für 2021 planen. Die Corona-Krise erschwert das. Messen fallen aus oder fallen kleiner aus. Also müssen sich Händler, Hersteller und Vertreter eine Alternative überlegen. Ein Beispiel aus Xanten.

 Lars Fischer zeigt Claudia Wonning und ihrer Mitarbeiterin Brigitte Juretzka (l.) eine von mehreren Westen, die er mitgebracht hat.

Lars Fischer zeigt Claudia Wonning und ihrer Mitarbeiterin Brigitte Juretzka (l.) eine von mehreren Westen, die er mitgebracht hat.

Foto: RP/Markus Werning

Lars Fischer erreicht gerade Xantens Marktplatz. Seit drei Wochen ist er schon unterwegs, sieben Wochen liegen noch vor ihm. Quer durch Deutschland fährt er, mehr als 250 Einzelhändler will er treffen und ihnen die neuen Kollektionen verschiedener Mode-Hersteller vorstellen. In den vergangenen Jahren machte er das auf mehrtägigen, großen Messen. In diesem Sommer ist das wegen der Corona-Krise kaum möglich. Aber wie kommen dann die Hersteller und die Händler zusammen? Das Geschäft muss schließlich weiterlaufen. Arbeitsplätze hängen daran.

Er sei Vertreter, also sei es auch seine Aufgabe, Klinken putzen zu gehen, sagt Fischer. Der Münchener hat sich deshalb einen Van besorgt und ist mit einer Auswahl an Kleidungsstücken verschiedener Hersteller losgefahren – sie hängen hinten an einer Stange. Nachts schläft der 45-Jährige in dem Auto, morgens wäscht er sich in Seen oder in Badeanstalten, tagsüber präsentiert er die Ware, und abends kann er Geschäftspartner noch auf einen Gin einladen – im Van ist eine kleine Bar eingebaut. Eiswürfel gibt es auch. Ungewöhnliche Zeiten erfordern eben ungewöhnliche Maßnahmen. Und trotz der anstrengenden Wochen hat er sichtlich Freude an seinem Job.

An diesem Tag ist er mit seinem rollenden Kleiderschrank also nach Xanten gekommen. Für heute ist es seine letzte Station, es ist schon Abend. Mit seinem Transporter hält er direkt vor der Modeboutique Zsa Zsa von Claudia Wonning. In anderen Jahren wäre sie in diesen Wochen auf einer großen Modemesse in Düsseldorf und würde sich die Kollektionen von zig Herstellern für den nächsten Sommer anschauen. Zwei Tage würde sie von Stand zu Stand laufen, um Röcke, Hosen, Kleider, Blusen, T-Shirts und mehr anzuprobieren und Fotos zu machen. Sie würde die Sachen im Kopf miteinander kombinieren und überlegen, welche Stücke zu Xanten und ihren Kundinnen passen könnten. Aber 2020 ist alles anders.

Trotzdem muss Wonning in den nächsten Wochen schon die Ware für die Sommersaison 2021 bestellen, damit die Sachen auch rechtzeitig hergestellt und geliefert werden. Nun will sie aber nicht nur in Katalogen blättern. Wonning und ihre Mitarbeiterinnen wollen den Stoff auch anfassen, die Verarbeitung prüfen und die Kleidung selbst anprobieren. Angezogen sitzen Hosen und fallen Kleider manchmal doch ganz anders als es auf den Fotos aussieht. Und wenn Wonning einen Rock mehrmals bestellen sollte, den sie nachher aber nicht verkaufen kann, weil er keiner Kundin gefällt, hat sie den wirtschaftlichen Schaden.

Also fährt sie in diesem Jahr selbst zu Herstellern. Sie bekommt auch Ware zugeschickt. Und sie wird an diesem Abend von Lars Fischer besucht. Begeistert umringen Wonning und ihre Kolleginnen sofort den Van, halten Sachen hoch, prüfen die Nähte, probieren die Kleidungstücke direkt auf der Straße an oder laufen damit ins Geschäft. „Die Weste ist toll“, sagt eine Mitarbeiterin, während sie sich prüfend im Spiegel anschaut. Die anderen nicken. Aber würde die Weste auch einer anderen Frau stehen? Und was könnte sie dazu kombinieren? In den Köpfen der Modeverkäuferinnen arbeitet es. Schließlich wollen sie die Kundinnen gut beraten. Am Ende bestellen sie einige Westen, auch Hosen.

Wonning hat noch Termine mit anderen Herstellern. Was sie sonst in wenigen Tagen schaffen kann, zieht sich in diesem Jahr über Wochen. Es ist eben alles etwas aufwendiger, mühsamer. Für alle. Dafür hat sie dann aber auch im nächsten Jahr wieder „interessante Looks“ und eine gut verarbeitete, gut tragbare Mode. „Ich freue mich auf die Kollektion“, sagt sie.

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