Werner Böcking wird 90 Rastloser Chronist seiner Heimatstadt

Xanten · Mehr als 30 Bücher hat Werner Böcking schon veröffentlicht. Eine neue Kurzgeschichte ist gerade fertig. Am Freitag wird der Heimatschriftsteller 90 Jahre alt.

 Werner Böcking – sein Markenzeichen ist der lange weiße Bart.

Werner Böcking – sein Markenzeichen ist der lange weiße Bart.

Foto: Armin Fischer

„Nimm das Fahrrad deines älteren Bruders und fahr‘ den Niederrhein runter.“ Das waren die bis heute unvergessenen, sorgenvollen Worte der verwitweten Mutter Böcking im April 1945 an ihren damals 16-jährigen Jüngsten. Der folgte, ohne zu zögern, dem eindringlichen Rat seiner Mama. Gefahr war im Verzuge. Auch in Homberg ging der sogenannten Heldenklau um: Die britischen Besatzungstruppen suchten junge Männer, die im noch von der deutschen Wehrmacht besetzten Dänemark Minen räumen sollten.

Diesen höchst riskanten Job wollte der junge Homberger keinesfalls machen. Abhauen war angesagt. Böcking stieg damals auf die Fiets und verschwand rheinabwärts, auf der Suche nach einer ländlichen, sicheren Bleibe. Mittellos und halb verdurstet gelangte er eher zufällig auf den Neuwardterholzhof in Willich westlich von Xanten. Nach fast 74 Jahren ist Werner Böcking immer noch in seiner Wahlheimat und feiert am heutigen Freitag seinen 90. Geburtstag.

Der meinungsfreudige, belesene und viel gelesene Mann mit dem gestutzten weißen Bart, mit Baskenmütze und Mofa ist in Xanten und am Niederrhein kein Unbekannter. Der Schriftsteller aus Leidenschaft ist nun einer der ältesten Xantener und ein Chronist seiner Heimatstadt, die er kennt wie nur ganz wenige. Er begleitet das Xantener Geschehen immerhin seit rund einem Dreivierteljahrhundert.

Böcking stammt väterlicherseits aus einer Partikulier-Schifferfamilie aus St. Goar. „Meine mütterlichen Vorfahren waren Schäfer und Bauern aus der Eifel“, so Böcking. Nach der Volksschule absolvierte er ab 1943 eine Lehre in einem Duisburger Schifffahrtsbüro. „Die musste ich 1945 unfreiwillig abbrechen, da hier sämtliche Rheinbrücken zerstört waren. Als Homberger kam ich nicht mehr über den Rhein nach Duisburg“, erinnert sich der 90-Jährige. Nach dem Krieg – er heiratete 1952 die Xantenerin Käthe Palmowski – verdiente er als Landarbeiter, Fährmatrose, Maurer, Justizangestellter und Fernscheiber bei der Bundeswehr in Birten seinen Lebensunterhalt. Von 1959 bis 1989 lernte er (mit sechsjähriger Unterbrechung) als archäologischer Zeichner beim Landschaftsverband Rheinland die Colonia Ulpia Traiana, die Hinterlassenschaften der einstigen römischen Stadt, gründlich kennen.

Die Begeisterung für die Römer am Niederrhein ließ ihn nicht mehr los. Sie fand ihren Niederschlag in dem populärwissenschaftlichen Buch „Die Römer am Niederrhein“. Es erschien bereits 1974 und ist bis heute erhältlich. In fünfter Auflage. Ein Bekannter meinte seinerzeit: „Boah Werner, jetzt kannst du als freier Schriftsteller leben.“ Böcking grinst. „Ich hab’ ihm entgegnet: Und wovon soll meine Frau einkaufen gehen?“ Trotz bescheidener Honorare blieb er als Kurzgeschichten- und Sachbuchautor sowie Dichter dem Schreiben treu. Es folgten in den 1980er und 1990er Jahren die wichtigen Sachbücher „Nachen und Netze“ über die Rheinfischerei und „3000 Jahre Schifffahrt auf dem Rhein“. Bis heute hat er 31 Bücher und 450 einzelne Beiträge vorgelegt. Stoff dafür fand er reichlich: die Römer am Niederrhein, die Schifffahrt auf Rhein, Mosel und Saar, die Rheinfischerei und sein eigenes buntes (Berufs-)Leben. „Ich hatte bewusst viele Stellen. Sie boten mir stets Stoff zum Schreiben“, so Böcking. Auch mit 90 ist er aktiv. Er hat soeben die Kurzgeschichte „Die geschändete Jugend“ fertiggestellt.

Für seine jahrzehntelangen Fischerei-Forschungen erhielt er 1981 den begehrten Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort