Wende in Xanten Stadt rückt von Krematorium ab

Xanten · Überraschung: Die Stadt Xanten will zunächst doch kein Krematorium bauen. Bürgermeister Görtz erklärte, die Stadt werde abwarten, bis der Rechtsstreit über die Baugenehmigung geklärt ist. Den Gegnern des Krematoriums wirft er Panikmache vor.

 Mit Plakaten wie diesen warnte die Bürgerbewegung Xanten vor dem Bau des Krematoriums.

Mit Plakaten wie diesen warnte die Bürgerbewegung Xanten vor dem Bau des Krematoriums.

Foto: Armin Fischer

Der erste Spatenstich für das Krematorium in Birten ist in weite Ferne gerückt. Die Stadt will den Bau erst genehmigen, wenn der Rechtsstreit über die Baugenehmigung geklärt ist, sagte Bürgermeister Thomas Görtz im Ausschuss für Bürgerbeteiligung. Das könne mehr als ein Jahr dauern. Eine entsprechende Klausel soll in den Kaufvertrag für das Grundstück aufgenommen werden. Das Grundstück werde nicht vor dem 7. Dezember an den Investor verkauft, also erst nach der Informationsveranstaltung am Montag. Man werde noch einmal alles juristisch prüfen, sagte Görtz. Auch externer Sachverstand würde hinzugezogen. Nachbargemeinden seien vorab nicht über das Bauvorhaben informiert worden. Auch im heutigen Hauptausschuss wird das Krematorium erneut zum Thema.

Zugleich warf Görtz den Gegnern des Krematoriums Panik- und Stimmungsmache vor, wenn auf Plakaten dunkle Wolken über der Stadt gezeichnet würden und von "Leichentourismus" die Rede sei. Es würden viele Fehlinformationen kursieren. Diese wolle man mit dem Infoangebot am Montag korrigieren. "Mit dem Thema wird in unverantwortlicher Weise umgegangen. Die Menschen werden extrem verunsichert. Mit Sachinformationen wollen wir Ängste nehmen."

Zwei Händler reichen Klage ein

Zwei Händler aus Birten haben, wie angekündigt, Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereicht. Ihr Rechtsbeistand ist Wolfram Tacke von der Kanzlei Madert, Wohlgemuth, Fahr & Partner in Moers. Ziel der Klage: Aufhebung der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2016. Sie sei rechtswidrig und verletze die Rechte der Kläger, fasst der Jurist zusammen: Zum einen führt er formalrechtliche Einwände ins Feld, zum anderen Gründe des Umweltschutzes sowie wirtschaftliche Schäden.

Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans könne das Gewerbe- und Industriegebiet nicht für ein Krematorium genutzt werden, argumentiert der Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Als Beleg führt er ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts an, wonach ein Krematorium als Gewerbebetrieb mit dem Leitbild eines Gewerbegebietes unvereinbar sei. Zwar ging es in jenem Urteil um ein Krematorium mit einem Pietätsraum, damit sich die Angehörigen vom Verstorbenen angemessen verabschieden können.

Doch für Tacke ist klar, dass dies auch die geplante Anlage gilt, obwohl dort kein Abschiedsraum geplant ist. "Die Geschäftigkeit eines Gewerbe- und Industriegebietes, das den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten ist, widerspricht der Durchführung der Feuerbestattung in würdiger Weise", sagt der Jurist.

"Dies scheint, soweit Verwaltungsgerichte hierüber entschieden haben, einhellige Meinung zu sein." Dabei zitiert er aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück. Nach Ansicht der Richter widersprechen Geschäftigkeit und Unruhe in einem Gewerbegebiet dem sittlichen Empfinden der Allgemeinheit. Als zweites Argument gegen die Baugenehmigung führt Tacke den seiner Ansicht nach fehlenden Gesundheitsschutz ins Feld.

Belastete Abluft könnte in die Umwelt gelangen

Bei Störfällen würde belastete Abluft über einen Bypass an den Filtern vorbei in die Umwelt abgeleitet. "Solche Risiken drohen insbesondere aus Erschütterungen", fürchtet Tacke. Sie würden ausgelöst durch den Salzbergbau sowie durch die Bahntrasse. Dritter Auslöser könnten Erdbewegungen auf dem Recyclinghof sein. Dort soll zudem eine Steinbrechanlage geplant sein.

"Erschütterungen können zu Störungen des Filterbetriebs, namentlich zum Reißen, führen", so der Anwalt. Begonnene Verbrennungsvorgänge würden aber zu Ende geführt. "Dabei werden Quecksilber und andere Schadstoffe aus dem menschlichen Körper freigesetzt, die sich, insbesondere bei feuchtem Wetter, Inversionswetterlage oder Niederschlägen, auf den zum Teil im Freien gelagerten Nahrungsmitteln eines der beiden Kläger niederschlagen könnten." Dies könne dazu führen, dass die Lebensmittel beanstandet würden und unverkäuflich seien.

Auch die Nachbarschaft diskutiert das Thema. Pastor Dr. Hartmut Becks spricht "aus aktuellem Anlass" am Donnerstag, 8. Dezember, 19 Uhr, im Gemeindehaus Menzelen-Ost über Trauer- und Bestattungskultur in Deutschland.

(RP)
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