Xanten „Xanten lässt uns leben“

Xanten · Den Beruf saugen sie schon mit der Muttermilch auf. Dennoch: Das Überleben ist für Zirkusleute schwer geworden. Familie Renz lässt sich nicht unterkriegen; drei Generationen geben ab morgen Vorstellung.

Der ganz normale Alltag ist bei Familie Renz nur Nebensache. Eigentlich hat auch Marcel (16) Osterferien, aber seine Tage beginnen trotzdem recht früh. Gestern beispielsweise schälte er sich bereits um 6.30 Uhr aus dem Bett, fütterte die Tiere, mistete aus. Danach ging’s weiter mit „Karten laufen“, wie er es nennt. Fast fünf Stunden lang zog Marcel durch die Straßen, von Haus zu Haus und schob den Xantenern einen gelben Zettel durch den Schlitz ihrer Briefkästen: eine Einladung zur Zirkusvorstellung und gleichzeitig eine Ermäßigungs-Karte im Wert von zwei Euro.

Eine Nullrechnung

„Um die Leute in den Zirkus zu holen, müssen wir uns schon was einfallen lassen“, berichtet Marcels Mutter Katharina Renz. Das Geschäft rund um die Manege kennt die 55-Jährige von der Wiege an, denn genau wie ihr Ehemann Max kommt sie selbst aus einer Zirkusfamilie. Vor mehr als 20 Jahren hat sich das Ehepaar selbstständig gemacht, tourt mit Kindern und inzwischen Enkelkindern die Saison über durch NRW. Die Wintermonate verbringt die Familie in Wesel. Das Geschäft jedoch habe sich in den vergangen zehn Jahren dramatisch verschlechtert: „Wir fahren im März mit Null los und kommen im November mit Null auf dem Konto wieder nach Wesel“, berichtet die Zirkus-Chefin, die bei den Vorstellungen durchs Programm führt.

Zirkusluft als Lebenselixier

Renz gibt trotzdem nicht auf; Zirkusluft ist für alle elf Familienmitglieder schließlich Lebenselixier. „Wenn im Frühling die ersten, warmen Sonnenstrahlen herauskommen, zieht es mich einfach auf die Straße“, beschreibt Katharina Renz das Gefühl, welches sie Jahr für Jahr überkommt. Dann heißt es wieder Wagen rausholen, das Zelt sowie Pferde, Hunde, Ziegen, Lamas und Tauben einladen und losfahren. Den Auftakt hatte der Zirkus Renz in Goch, bis Montag gastiert er nun auf der Wiese am Kindergarten.

„Xanten lässt uns leben“, lobt die Zirkus-Chefin die Domstadt und ihre erschwinglichen Mieten für Stellplatz und Co.. Morgen gibt die Familie ihre erste Vorstellung. Derweil ist am Zeltplatz noch ein Hauch von Alltag zu spüren: Die Schwiegertochter ist mit der Kleinsten beim Kinderarzt, ein anderer Enkel bekommt eine neue Zahnspange. Und doch ist das Leben ein anderes: „Während die Kinder aus den Städten vorm Computer sitzen, proben Zirkuskinder eben ihren Auftritt und kümmern sich um die Tiere“, sagt die Zirkus-Chefin.

Oder sind wie Marcel auch in den Ferien früh auf. Trotzdem steht für den 16-Jährigen schon fest: „Ich kann und ich will nichts anderes.“

(RP)
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