Zwangspause für Jonny Casselly Von der Zirkusmanege in den Supermarkt
Xanten · Die Corona-Pandemie hat auch den Zirkusdirektor Jonny Casselly Junior hart getroffen. Um über die Runden zu kommen, arbeitet er mit seiner Frau Jessica im Xantener Rewe-Markt und befüllt dort Regale.
Es gibt nicht vieles, was Jonny Casselly Junior aus der Ruhe bringen kann. Auch nicht die Corona-Pandemie, die Zirkus-Familien in Deutschland besonders hart getroffen hat: keine Vorführungen, keine Zuschauer, keine Einnahmen – und das bei laufenden Kosten. Für einen Zirkus kann eine leere Manege über einen längeren Zeitraum das Aus bedeuten. Auch die Casellys haben in den vergangenen Monaten finanziell unter dem Veranstaltungsstop gelitten. Und doch ist die Familie zuversichtlich: „Wir schauen immer nach vorne und hoffen auf das Beste“, sagt Caselly.
In den vergangenen Wochen wurde der Optimismus der kleinen Zirkus-Familie belohnt: Die Sommerferienaktion darf in diesem Jahr unter der Einhaltung gewisser Maßnahmen stattfinden. „Wir freuen uns riesig. Denn gerade jetzt ist es wichtig, dass die Kinder nicht weiter isoliert werden, sondern ein bisschen Normalität und Abwechslung erfahren“, sagt Caselly. Das Angebot darf durchgeführt werden, weil es auch pädagogische Ziele verfolgt. Nicht nur für die Kinder, auch für den Zirkus bedeutet die Nachricht eine enorme Erleichterung. Denn die Sommerferienaktion gehört zu den wichtigsten Einnahmequellen.
Noch wichtiger ist der Kinder-Mitmachzirkus, den die Casellys in den restlichen Monaten des Jahres anbieten: In Schulen und Kindergärten bringen sie Kindern in jeweils einwöchigen Zirkusprojekten das Artistenleben näher. Seit 30 Jahren gibt es das Angebot schon und ist sozusagen die Seele des Zirkus. Von November bis März sind sie normalerweise ausgebucht, jetzt ist der Terminkalender leer.
„Wir lieben die Arbeit mit Kindern. Das fehlt uns sehr“, sagt Casselly. Die Schulen sind seit Mitte März geschlossen, und noch ist unsicher, wann der Mitmachzirkus wieder stattfinden kann. Die Cassellys blicken in eine ungewisse Zukunft: „Die Grundschüler dürfen ab dem 15. Juni wieder in die Schule, deswegen gehen wir davon aus, dass weitere Lockerungen folgen und wir wieder unseren normalen Zirkusalltag leben können“, sagt Casselly.
Mit normalem Zirkusalltag hat das Leben der Cassellys in den vergangenen Wochen nicht viel zu tun. Um finanziell über die Runden zu kommen, haben sie die NRW-Soforthilfe bekommen. Da das alleine nicht ausreicht, arbeiten Jonny und seine Frau Jessica übergangsweise im Rewe in Xanten und befüllen dort an zwei bis drei Abenden die Woche Regale. „So unterstützen wir den Markt und verdienen uns etwas dazu“, erzählt Casselly. Für die großen laufenden Kosten reiche das natürlich nicht aus. Aber für den wöchentlichen Einkauf. Und fürs Gewissen – anstatt herumzusitzen und auf Lockerungen zu warten, möchten beide aktiv daran arbeiten, ihre Situation zu verbessern. Ihnen ist es wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen: „Wir sind kein Bettelzirkus. Wir gehen nicht von Haus zu Haus, um zu überleben“, sagt Casselly. Deswegen seien sie sich für nichts zu schade. Und außerdem sei es spannend, auch mal in andere Berufe hineinzuschnuppern. „Natürlich arbeiten wir am liebsten mit Kindern zusammen. Aber wir sind zuversichtlich, dass das bald wieder möglich sein wird“, sagt Casselly.