Xanten/Sonsbeck Mit Demenz offen umgehen

Xanten/Sonsbeck · Die Zahl der Betroffenen nimmt zu. Der „Runde Tisch Demenz“ will die Krankheit aus der Tabuzone holen und lädt für den 25. September in die Mensa am Xantener Gymnasium ein.

Eine an Demenz erkrankte Frau malt ein Bild.

Eine an Demenz erkrankte Frau malt ein Bild.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Tendenz steigend: 1,6 Millionen Menschen leiden bundesweit an Demenz, die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher sein. Denn Demenz gehört auch oder vielleicht gerade im 21. Jahrhundert in die Tabuzone, wird geleugnet, oft aus Sorge, man könnte für verrückt erklärt werden. Demenz, so meinen immer noch viel zu viele Betroffene und Angehörige, muss verheimlicht werden. Vor den Nachbarn, den Freunden, den Verwandten.

Genau das muss und darf es nicht, findet der „Runde Tisch Demenz“ Rheinberg-Alpen-Xanten-Sonsbeck, kurz RAXS: Er lädt alle interessierten Bürger für Dienstag, 25. September, 16.30 bis 18.30 Uhr, zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Leben mit Demenz“ in die Mensa am Stiftsgymnasium in Xanten (Poststraße) ein. Gemeinsam mit den beiden Bürgermeistern aus Xanten und Sonsbeck, Thomas Görtz und Heiko Schmidt, begründeten Bettina Schilling (sie leitet seit zehn Jahren die Gerontopsychiatrische Beratungsstelle im Kreis Wesel), Margret Hennewig-Schnock vom Demenz-Servicezentrum Niederrhein in Wesel, Udo Bienefeld (in der Seniorenresidenz Burg Winnenthal zuständig für die Aufnahme der Bewohner), warum sie sich zu einem solchen gemeinsamen Schritt entschlossen haben.

Ambulant statt stationär: „Wir wollen vermeiden, dass die Leute zu früh in ein Altenheim gehen,“ sagt Bettina Schilling. Auch Udo Bienefeld wird oft erst dann kontaktiert, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Dabei sei es möglich, gegenzusteuern, wenn die Diagnose früh gestellt ist. Angehörige müssten frühzeitig wach werden und erkennen: „Ja, bei uns zu Hause liegt was im Argen“. Denn nur ein offener Umgang mit der Krankheit ermögliche es, die Folgen durch entsprechende Medikamente zu verzögern.

„Nicht negieren, nicht zur Seite schieben: Ein Bewusstsein bekommen für die Krankheit ist wichtig, damit Betroffenen, aber auch Angehörigen frühzeitig geholfen werden kann“, ergänzt Margret Hennewig-Schock. Nein, wer in den Keller geht, weil er zwei-drei Dinge holen will, und dann unten vergessen hat, was das dritte doch gleich noch war, der sei wirklich nicht dement, beruhigt sie.

Erste Anzeichen seien beispielsweise, wenn Schuhe plötzlich im Kühlschrank liegen, der Schlüssel ständig weg ist, man keine zeitliche Orientierung mehr hat, nicht mehr weiß, ob man schon etwas gegessen hat oder nicht, einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus hat, sich Zettelchen als Gedächtnisstütze schreibt und dann keine Ahnung mehr hat, warum man dies oder jenes aufgeschrieben hat. Oder wenn man vor der Kaffeemaschine steht und nicht (mehr) weiß, wie man sie bedient. „Der Betroffene fühlt sich ausgegrenzt und grenzt sich selber dadurch aus, dass er sich zurückzieht, sozial isoliert, beispielsweise nicht mehr zum Skatabend geht, weil ihm die ein oder andere Skatregel nicht mehr einfällt.“

„Der Mensch wird immer älter“ als Begründung für die zunehmende Demenz zu nennen, trifft es allerdings nicht; „immer mehr Menschen werden alt“ schon eher, so Bettina Schilling. In der Regel beginne die Demenz, deren bekannteste Form „Alzheimer“ ist, nicht vor dem 65. Lebensjahr.

Dass der „Runde Tisch Demenz“ die beiden Bürgermeister mit ins Boot geholt hat, soll die Brisanz und Wertigkeit der Veranstaltung, ja des Themas überhaupt unterstreichen. Woher diese Tabu-Schwelle, dieses Schamgefühl kommt, fragt sich Heiko Schmidt.

Denn normalerweise tauschten sich ältere Menschen ja gerne über ihre Krankheiten aus. Er gibt zu, Laie zu sein, selber viel zu wenig über die Krankheit zu wissen. Aber es sei wichtig, die Demenz als ein Stück Normalität wahrzunehmen. Und er werde, genau wie sein Amtskollege Thomas Görtz, die Veranstaltung nutzen, sich bei Fachleuten zu informieren, mit Bürgern ins Gespräch zu kommen.

Bei der Veranstaltung am Dienstag geben ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen Informationen sowie folgende Fachleute: Martin Haas, Chefarzt der geriatrischen Abteilung am St.-Josef-Krankenhaus Xanten, Jenny Thate, Leiterin der Sozialstation der Caritas Xanten, und Beate Schilling, Fachgesundheits- und Krankenpflegerin für psychiatrische Pflege mit dem Schwerpunkt Gerontopsychologie,

Im Rathaus in Sonsbeck ist Jörg Giesen (02838-36150) Ansprechpartner für Betroffene und ihre Angehörigen, im Xantener Rathaus hilft Michael Verhalen (02801-772249) mit Ansprechpartnern und Kontakten weiter.

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