Xanten Von Fehden und Degenduellen

Xanten · Katharina Hülscher hat die Statuten von Dekan Arnold Heymerick von 1490 erforscht. Ihre Abhandlung ist jetzt als Buch erschienen.

 Katharina Hülscher (Mitte) präsentiert das Statutenbuch mit dem Verleger Bernward Kröger (v. l.), Propst Klaus Wittke, Wilhelm Barking und Jens Lieven.

Katharina Hülscher (Mitte) präsentiert das Statutenbuch mit dem Verleger Bernward Kröger (v. l.), Propst Klaus Wittke, Wilhelm Barking und Jens Lieven.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Der Aufenthalt in Tavernen außerhalb der Immunität war im Xantener Stift gar nicht gern gesehen. Unschicklich war das. Und zwar deshalb, weil da auch die Männer dem Glücksspiel verfielen. Gleichwohl: Alkohol in angemessenen Maßen war natürlich erlaubt. Nur nicht vor den Toren der Immunität.

Dekan Arnold Heymerick hat es im 15. Jahrhundert deutlich gemacht. Im Bereich der Immunität waren Wein und Bier erlaubt. Dieses wurde ohnehin hier gebraut. Wein gab es von den südlicheren Gütern. Wer was im Mittelalter im Bereich des Stifts tun und lassen durfte, das hat Heymerick im Jahre 1490 festgehalten. Katharina Hülscher hat die handschriftlich verfassten Statuten im Rahmen einer Doktorarbeit an der Universität Bochum erforscht (wir berichteten). Ihre Abhandlung ist jetzt auch als Buch im Aschendorff-Verlag erschienen.

Und sie soll nicht die letzte in einer Reihe von Veröffentlichungen sein. Aschendorff-Vertreter Bernward Kröger und der wissenschaftliche Leiter des Dombauvereins, der Xantener Jens Lieven vom Historischen Institut der Universität Bochum, kündigten die Fortsetzung der Reihe an.

Karl Wilkes, Peter Weiler, Erich Weise: Sie standen vor und nach dem zweiten Weltkrieg für wichtige Aufarbeitungen Xantener Archivarien. Die Reihe „Die Kirche des Hl. Viktor zu Xanten“ kam ab 1975 dazu – in großformatigen, leinengebundenen Bänden, die der damalige Landeskonservator Walter Bader verantwortete. Wer sich einmal durch das Werk gekämpft hat, das sicher noch in so manchem Xantener Haushalt zu finden ist, mag sich über die Ausarbeitungen freuen.

Von stringenter Aufarbeitung jedenfalls war keine Rede. Band III/2 folgte mal sechs und sieben: „Bader hatte offensichtlich eine eigene Logik, die damals wie heute allerdings niemand versteht“, sagt der in Xanten lebende Historiker Lieven. Bis zu Baders Tod im Jahr 1986 und danach bis 1993 habe es weitere Veröffentlichungen gegeben, die überhaupt nicht mehr in Baders mögliches Schema passten, „und am Ende gab es ein völliges Durcheinander“. Die Reihe wurde eingestellt.

„Nun aber wollen wir ganz gezielt eine Reihe von Forschungen und Veröffentlichungen fördern, die auch den heutigen Anforderungen selbst zum Beispiel im Layout erfüllen“, sagt Lieven. Mit dem Münsteraner Aschendorff-Verlag wurde ein Partner gefunden, der mitzieht. Zumal: „Neben den 250 Buch-Exemplaren über das Statutenbuch von Katharina Hülscher gibt es auch eine Online-Version, die einen weltweiten ad-hoc-Zugriff mit Suchbegriff-Filtern erlaubt. „Das ist wissenschaftliches Arbeiten von heute“, sagt Kröger. Und eine Reihe von Interessenten, die ihre Forschungen auf die neue Reihe ausrichten, hat Lieven auch schon ausgemacht. Themen wie die Aufarbeitung der Kanoniker-Testamente oder der Xantener Chronik gehören dazu. Und irgendwann müssten sich Wissenschaftler eines wirklich einzigartigen Schatzes annehmen, hofft auch der Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung des Xantener Doms, Hans-Wilhelm Barking.

Über die Arbeiten am Dom gibt es abertausende und vor allem wohl auch lückenlose Rechnungsbelege von 1357 bis 1802. „Einer allein kann das gar nicht auswerten“, sagt Lieven. Aber man könne die Aufgaben unterteilen, um irgendwann ein Gesamtbild zu erhalten. Aufgeführt sind darin nur zum Beispiel Handwerkerlöhne, Holz-, Kohle- und Nägelpreise. Die Verbindung mit den jeweiligen Kosten für Mehl und Brot erlaubten einzigartige Erkenntnisse beispielsweise zur Wirtschafts-, Sozial- und Kunstgeschichte, so der Vorsitzende des Dombauvereins, Hans-Wilhelm Barking, und Xantens Dompropst Klaus Wittke. Die Gemeinde und der Verein hatten jetzt bereits durch Zuschüsse die Veröffentlichung der Hülscher-Dissertation ermöglicht.

Katharina Hülscher jedenfalls hat mit ihren Ausführungen über das „Repetorium Dacani“ eine verlässliche Grundlage gelegt. Die 37-Jährige hat in Kleinstarbeit die 150 Seiten der in spätgotischer Schrift verfassten Anweisungen des Dekans übertragen, dann aus dem Lateinischen übersetzt und einer kritischen Wertung unterzogen. Eigentlich geht es in des Dekans Schrift um einen Machtkampf.

Dass ein vom Erzbistum Köln eingesetzter Prior sich überhaupt nicht oder nur selten im Stift sehen ließ, war allgemein akzeptiert. Dass der eigentliche Chef im Ring, der Dekan, aber zunehmend von der „Schlüsselfigur“ (Portar), der die Arbeiter des Dombaus ein- und auslassen und das auch überprüfen musste, hatte Arnold Heymerick 30 Jahre lang wohl auf die Turmspitze getrieben. Zumal es tatsächlich munter herging seinerzeit.

Der Dekan erinnerte daran, dass die 42 Stiftsherren mit niederen Weihen zum Subdiakon oder Diakon (nur sieben von ihnen waren Priester), nicht nur öffentlich mit einer Frau zusammenlebten, sondern auch die Fehden ihrer adligen Familien mit Degenduellen und Gefangennahmen ins Kapitel tragen durften. Oder dass sie – und wenn es nur der Mindestzahl der Messteilnehmer diente – regelmäßig anwesend zu sein hatten. Sonst, so drohte Heymerik, führe das zur Kürzung der von der Familie eingebrachten jährlichen Pfründe. Eine von vielen Vorschriften, die der Dekan – und eben nicht der Schlüsselträger – wohl begründete mit Verweisen auf zig Vorschriften der Kirche, Klöster und Stifte.

Geringere Einkünfte aus der Mitgift allerdings trafen die „Brüder auf Zeit“, die als Nachgeborene zur Versorgung ins Stift eingezogen waren, wenigstens zu Teilen heftig. Sie hatten auch anderswo ihre Pfründe. Und teilen konnten sie sich nicht. Das kostete.

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