Xantener Lehrerin schreibt Bücher Gesamtschüler werden zu Romanhelden

Xanten · Agnes Maxsein ist Lehrerin an der Willi-Fährmann-Gesamtschule in Xanten. Über ihre Erlebnisse mit ihrer Klasse schreibt sie Fantasy-Bücher. Dabei geht es um verschwundene Schüler, geheimnisvolle Karten – und „um eine tolle Zeit nach einem harten Anfang“.

 Lehrerin, Schriftstellerin, Malerin und Musikerin: Agnes Maxsein vor ihrer Examensarbeit mit Zeichnungen ihrer Verwandten.

Lehrerin, Schriftstellerin, Malerin und Musikerin: Agnes Maxsein vor ihrer Examensarbeit mit Zeichnungen ihrer Verwandten.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Die Großeltern waren beide Lehrer. Der Vater ist ein bekannter Pianist und Professor an der Folkwang-Uni in Essen, die Mutter Klavierlehrerin: Agnes Maxsein ist in einer künstlerischen Lehrer-Familie groß geboren, hat schon als Kind gerne gemalt, genauso wie der Vater und der Opa. Folgerichtig hat sie an der Uni in Münster Kunst studiert. Und Deutsch.

Beide Fächer unterrichtet die 31-Jährige seit 2017 an der Gesamtschule in Xanten. Ein für sie in vielerlei Hinsicht einschneidendes Jahr. Denn die zierliche junge Frau bekam zum Start in ihr Lehrer-Dasein eine siebte Klasse zugeteilt – begleitete diese Klasse nicht nur bis zum Zehner-Abschluss, sondern schrieb auch über sie, und zwar nach dem Harry-Potter-Prinzip: ein Buch pro Schuljahr. Die Protagonisten beschreibt Agnes Maxsein so: „Es sind Kinder, die in eine Struktur hineingewachsen sind, für die sie nichts können. Kinder, die mich herausgefordert, beeindruckt haben. Mit denen ich eine tolle Zeit hatte nach einem harten Anfang.“

Von diesen Mädchen und Jungen erzählt sie in „Alteras“, wie sie die Buchreihe überschrieben hat. „Es sind Parallelwelten. Die Bücher mussten für mich Ausbruch aus der Realität sein, eine Zeitreise, ein Tor in eine andere Welt.“ Letztlich gehe es um das Magische, das Fantastische hinter den Kindern. Zwei Figuren stehen in den sechs Bänden im Fokus, Milena und Daniel. Aus deren Perspektive erzählt Agnes Maxsein Geschichten mit den Klassenkameraden, von Schlägereien auf dem Schulhof, vom Leben in oftmals zerrütteten Familien.

Die Figuren, die in den Büchern vorkommen, seien Originalfiguren, erklärt Agnes Maxsein. „Es sind die Schüler dieser Klasse. Viele wollten, dass ich ihre echten Namen nenne.“ Es gibt natürlich auch einen Schulleiter, der heißt bei ihr aber nur „der Schulleiter“. Jede Ähnlichkeit mit einer realen Person sei rein zufällig.

Wer auch noch auftaucht, ist ihr „großartiger Kollege“ Stephan Marten, der an der Gesamtschule Englisch unterrichtet, mit ihr zusammen die Klasse geleitet hat und mit dem sie privat viel Musik macht, Pop-Rock. Marten spielt Gitarre, Maxsein Klavier, außerdem singt sie. Beide schreiben ihre Lieder selber.

Im Herbst 2019 habe sie angefangen, sich den Plot zu überlegen, also das Gerüst für die Handlung. Band eins ist fertig und schon auf dem Markt, „Alteras: Die Spur des Torwächters“ hat Agnes Maxsein das 300-Seiten-starke Werk überschrieben. Band zwei („Die Federschlange“) kommt Ende März heraus, Band drei, „Der Weltenspringer“, sei auch mehr oder weniger fertig. Jetzt sitzt sie an Band vier.

Die Bücher erscheinen als Taschenbuch, Hardcover und E-Books. Die Cover hat sie selber entworfen, gedruckt werden die Bücher vom Tredition-Verlag im Print-on-demand-Verfahren – auf Nachfrage also, nicht auf Vorrat. „Als No-Name hat man bei großen Verlagen keine Chance“, sagt die 31-Jährige, die selber für die Vermarktung ihrer Bücher zuständig ist und der es weder um Ruhm, noch um Geld geht: „Es ist eine Gelegenheit, Schule auch einmal anders zu denken“, beschreibt sie ihre Motivation. Und verspricht, dass es in gewisser Weise ein Happy End geben wird, „aber mit melancholischem Einschlag“.

Mit sieben Jahren war Agnes Maxsein mit den Eltern von Essen nach Menzelen gezogen, in ein großes Bauernhaus. Vor zehn Jahren zog sie mit der Mutter um, in eine kleine Katstelle mitten im Dorf, wohin sie nach dem Lehramtsstudium in Münster und einem zweiten Studium der Waldorf-Pädagogik in Witten zurückgekehrt ist. „Ich hatte Zweifel am Schulsystem, habe im Waldorf-Kontext tolle Erfahrungen gesammelt und mit Menschen gemacht“, sagt sie.

Ihre Idee eines Erlebnisbauernhofes mit mehreren Leuten stellte sie aber erst einmal zurück, schickte im Jahr 2017 Initiativbewerbungen an Schulen, unter anderem an die Willi-Fährmann-Gesamtschule in Xanten. Agnes Maxsein kann sich noch genau an das Vorstellungsgespräch mit der damaligen Schulleiterin Regina Schneider erinnern. „Ich wollte eigentlich nur ein paar Stunden unterrichten“, erzählt sie. „Nein, machen Sie Vollzeit“, habe ihr Frau Schneider geraten und ihr die siebte Klasse gegeben. Eine Klasse, mit der andere Lehrerinnen und Lehrer Schwierigkeiten gehabt haben sollen. Eine Klasse mit Schülerinnen und Schülern, die schwere Schicksale hätten.

„Die Schüler und ich haben sehr gekämpft, um unsere Beziehung und darum, wie man Unterricht gestalten kann und dass man füreinander da ist, wenn es darauf ankommt“, sagt Agnes Maxsein. Die Klasse und sie haben es geschafft, sind zusammengewachsen. Bis zur zehnten Klasse hat sie ihre Schülerinnen und Schüler begleitet, im vergangenen Sommer wurden sie verabschiedet. „Es fiel mir schwer, sie gehen zu lassen“, gibt sie zu. Einige sind geblieben, wollen an der Gesamtschule ihr Abitur machen. „Interessierte junge Leute mit so viel Potenzial. Darüber wollte ich schreiben.“

Das macht sie übrigens in ihrem kleinen Atelier, das sie sich in der Katstelle eingerichtet hat und in dem unter anderem Bilder hängen, die ihr Schüler zum Abschied gemalt und geschenkt haben. Ein schöner Dank dafür, dass Agnes Maxsein immer an sie geglaubt hat.

(jas)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort