900 Jahre Obermörmter A wie Alteingesessene: Jutta Neinhuis

Obermörmter · Die Bauernschaft Obermörmter begeht am Wochenende ihre 900-Jahr-Feier. Ein Grund mehr, den Ortsteil im Norden von Xanten aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

 Sie würde niemals in einen anderen Ort oder aber in eine Stadt ziehen: Jutta Neinhuis lebt und liebt Obermörmter.

Sie würde niemals in einen anderen Ort oder aber in eine Stadt ziehen: Jutta Neinhuis lebt und liebt Obermörmter.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Irgendwo bellt ein Hund. Die Kühe heben nicht einmal den Kopf, wenn sich der Spaziergänger dem Deich nähert. Auch die Gänse recken eher lustlos ihre Hälse. Insekten sind an dem Eindringling schon eher interessiert. Es duftet nach Gras, nach Hecken. Obermörmter – der älteste Stadtteil Xantens.

Vor 900 Jahren ist der Ort zum ersten Mal erwähnt. Am 30. September 1118. Gefeiert wird am Sonntag, 2. September. Der Termin passt besser in den Plan des Rheindorfs mit der St.-Petrus-Kirche, deren Grundriss einem Schiffsrumpf nachvollzogen ist. Direkt hinterm Deich ducken sich rund um das Gotteshaus das alte Pfarrhaus samt Garten und Friedhof, der Jansen-Hof. Weite Felder, Höfe, Viehzucht: Ein Dorf. Selbst die alte Schule gibt es noch.

„Hier bin ich zur Schule gegangen“, sagt Jutta Neinhuis. Es schwingt Heimatstolz mit. Die 57-Jährige gehört zu den Alteingesessenen des Dorfes. Ein Jahr hat Neinhuis noch in der alten Volksschule mit ihren zwei übereinander gelegenen Klassenräumen erlebt. Lehrer waren damals noch eine Autorität für sich. Wie die Pfarrer und der Bürgermeister. Dann wurde die Schule dicht gemacht, mit dem Schulbus ging es nach Vynen und später zum Stiftsgymnasium. Nach der Mittleren Reife trat Neinhuis eine Lehre bei der Sparkasse in Moers an. „In die Stadt aber wollte ich nie ziehen“, sagt die zweifache Mutter. „Das Dorfleben ist eben wirklich paradiesisch“, sagt sie. Hier sei sie groß geworden zu einer Zeit, als noch jeder jeden kannte – einschließlich der jeweiligen Familiengeschichte. Zu einer Zeit, als man die Kinder vor die Tür schickte und diese dann irgendwann sicher wieder auftauchten.

Der Vater hat alte Autos aufpoliert. „Ich habe mehr Schrauben gezählt als mit Puppen gespielt“, erzählt Neinhuis, die heute im Büro eines Kfz-Sachverständigen in Goch arbeitet und abends immer gern in die Heimat zurückfahre.

Neinhuis bezeichnet sich selbst als „Vereinsmensch“. In die St.-Petri-Schützenbruderschaft ist sie „ganz natürlich hineingewachsen“. Und weil sie schließlich eine Bank-Lehre gemacht hat, wurde sie eben Kassiererin der Bruderschaft. 34 Jahre lang hat sie den Posten bekleidet, die Kirmes hat sie mit organisiert, die Karnevalsfeiern, das Frauencafé. Doch es fehlt ein großer Festraum. Immer muss ein Zelt her. Die Zahl der Feste reduzierte sich allerdings. „Weil auch das Interesse der Gäste nachließ. Viele der Zugezogenen wollen einfach nur ihre Ruhe.“

Jutta Neinhuis gefällt diese Entwicklung nicht. Und auch das nicht: Früher gab es mal zwei Lebensmittelgeschäfte im Dorf, heute muss zum Einkaufen das Auto angelassen werden. Von den ehemals drei Gaststätten gibt es nur noch das Landhaus von Sternekoch Jürgen Köpp.

Ja, auch sie liebe die Natur, das eher zurückgezogene Dorfleben, die Schiffe, die über den Rhein tuckern. Aber ein Dorf lebe eben auch von Gemeinsamkeit und Gemeinschaft. „Und das müssen wir doch irgendwie packen.“ Am Sonntag gibt es eine weitere Chance.

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