„Woche der Demenz“ in Xanten Über eine Krankheit, die jeden treffen kann

Xanten · „Woche der Demenz“ in Xanten: Einfühlsames Solotheater bewegt rund 160 Zuschauer.

 Solotheater in der „Woche der Demenz“: Gisela Nohl spielte einfühlsam die Rollen von Mutter und Tochter.

Solotheater in der „Woche der Demenz“: Gisela Nohl spielte einfühlsam die Rollen von Mutter und Tochter.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Ein gut besuchter Vortrag von Albert Sturtz, Fachberater Demenz der Grafschafter Diakonie, im Haus der Begegnung und das anschließende Konzert des Seniorenchores „Die Goldies“ bildeten den Auftakt der „Woche der Demenz“, die am Donnerstagabend mit einem Theaterstück in der Mensa des Gymnasiums fortgesetzt wurde. „Du bist meine Mutter“ lautete der Titel – und mit Gisela Nohl schlüpfte eine Schauspielerin des D.a.S.-Theaters „Die andere Sicht“ aus Königswinter in dem einfühlsamen, leisen Solotheater gleich in beide Rollen. In die der Tochter Hannah (59). Und die der dementen Mutter (86), die seit drei Jahren in einem Pflegeheim lebt.

Immer wenn sie gerade die Mutter spielte und sprach, senkte die Schauspielerin ihre Stimme, unterstrich die Gebrechlichkeit durch ein Einziehen des Kopfes, schlurfende Schritte, eine zitternde rechte Hand. Das schlichte Bühnenbild verstärkte die sehr persönliche Auseinandersetzung mit den Themen Alter und Abhängigkeit, Einsamkeit und Verlust. Auf der linken Seite ein Stuhl, ein Tisch mit einer brennenden Kerze drauf, ein Paravent, an dem einige Kleidungsstücke hingen. Auf der rechten Seite ein Bett mit Metallgestell, weißes Kopfkissen, weißes Laken, weiße Bettdecke.

Jeden Sonntag besucht die Tochter die Mutter, fährt dafür von Bremen mit dem Zug und dem Bus nach Pinneberg, bringt ihr Blumen und einen Schokoladenpudding mit. „Den isst du doch so gerne.“ Während die Tochter den roten Bademantel aus- und ihren Mantel anzieht, erzählt sie von früher, von ihrer Kindheit in Erfte. „Ich war zwölf, da hab ich mich zum ersten Mal gegen meine Mutter aufgelehnt. Da hab’ ich ihr gesagt, dass ich samstagnachmittags nicht mehr für sie mit dem Fahrrad einkaufen fahre.“ Als sie bei der Mutter ankommt, liegt die im Bett, klagt. „Hannah, ich will nicht mehr. Charlotte kann doch wohl Tabletten besorgen. Meta hat auch welche genommen.“ Charlotte ist Hannahs jüngere Schwester, Meta eine von sieben Geschwistern der Mutter.

Jeden Sonntag geht Hannah mit der Mutter in den Garten des Pflegeheimes, hört den stets gleichen Geschichten zu, beantwortet geduldig die stets gleichen Fragen. „Früher habe ich mir alles aufgeschrieben, auf kleine gelbe Zettel. Heute kann ich nicht mehr schreiben, meine Hände zittern“, sagt die Mutter. Letzte Szene: Mutter liegt im Bett, kann wegen eines Sturzes nicht aufstehen, erkennt ihre Tochter nicht mehr. „Wer sind Sie? Weiß meine Mutter, dass ich hier bin? Warum kommt die mich nicht holen?“ Dann sagt sie ihn wieder, den Satz, der so weh tut: „Ich will nicht mehr.“

Scheinwerfer aus, die Bühne wird dunkel. Blumen und stehender Applaus von rund 160 Frauen und Männern für eine Schauspielerin, die sich äußerst einfühlsam mit einem Thema auseinandergesetzt hat, das hoffentlich endlich aus der Tabuzone heraus geholt wird, mit einer Krankheit, die jeden treffen kann und für die sich niemand schämen muss.

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