Als „Wetten, dass..?“ im APX war „Ohne Xanten hätte es Mallorca nie gegeben“

Interview | Xanten · Am Samstagabend läuft Thomas Gottschalks letzte Ausgabe von „Wetten, dass..?“. Mit der Show war er auch einmal in Xanten gewesen. Ein Interview mit dem damaligen Producer Holm Dressler.

Xanten: Als „Wetten dass..?“ aus dem APX gesendet wurde
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Als „Wetten dass..?“ aus Xanten gesendet wurde

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Foto: Armin Fischer (arfi)/Fischer, Armin (afi)

Den Regen hat Holm Dressler nicht vergessen. 30 Jahre ist es her, dass „Wetten, dass..?“ erstmals unter freiem Himmel produziert wurde. Es hatte Bedenken gegeben – wegen des Wetters. Und dann schüttete es tagelang. Aber kurz vor Beginn der Sendung am 19. Juni 1991 im Archäologischen Park Xanten (APX) riss der Himmel auf. Holm war damals der Producer. Im Interview spricht er über die Vorbereitungen, die Wetten, den Regen und die Freude über die Sendung.

+++ Hinweis der Redaktion: Dieses Interview erschien im Frühjahr 2021. Anlass war, dass 30 Jahre seit der Open-air-Sendung von „Wetten dass...?“ im APX vergangen waren. +++

Frage Herr Dressler, wieso wurde „Wetten, dass..?“ damals überhaupt in Xanten produziert?

Holm Dressler Zunächst müssen Sie wissen, dass damals eine Show ausgefallen war, die in Offenburg geplant gewesen war. Wir waren auch schon angereist, aber wegen der Situation im Nahen Osten waren wir alle besorgt. Der Ausbruch des Golfkriegs drohte, er begann leider auch. Das ZDF sagte die Sendung dann ab, und wir sind alle wieder nach Hause gefahren. Aber der Sender sagte anschließend, dass wir als Ersatz eine Bonus-Show machen durften, und da hatte jemand die Idee, dafür nach draußen zu gehen, nicht in eine Halle. Also wurden wir gefragt, was wir von einer Open-air-Show hielten, und ich kann mich daran erinnern, dass Thomas und wir anderen, die verantwortlich waren, gar nicht begeistert waren.

Warum nicht?

Dressler Wir sagten uns: Wir werden kein Dach über dem Kopf haben, aber in Deutschland regnet es dauernd. Was machen wir, wenn es während der Sendung regnet? Wir können nicht alles überdachen, da können wir gleich in eine Halle gehen. Es gab also im Vorfeld Diskussionen. Wir fragten uns, ob open-air mit diesem Aufwand überhaupt sinnvoll ist. Auf der anderen Seite erkannten wir den Reiz, Wetten unter freiem Himmel zu ermöglichen, die in einer Halle gar nicht möglich sind. In anderen Sendungen hatten wir zum Beispiel Fallschirmspringer gesehen. Also stand auf der einen Seite die Sorge, dass wir schlechtes Wetter bekommen, auf der anderen haben wir den Reiz erkannt, ein großes Spektakel zu machen. Der Reiz hat dann gewonnen.

Warum fiel die Wahl auf Xanten?

„Wetten dass..?“ in Xanten: Das waren die Wetten im APX
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Das waren die Wetten in Xanten

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Foto: Armin Fischer ( arfi )

Dressler Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir nicht in großen Städten auftreten wollten. Das war Thomas’ Wunsch. Er sagte, dass in großen Städten schon so viele Konzerte und andere Events stattfinden. Wir sollten aber ein Ereignis bleiben. Wenn wir in einem Ort aufschlugen, sollten die Menschen auf uns aufmerksam werden. Aber wo wir dann am Ende auftraten, war keine Entscheidung des Unterhaltungschefs, auch keine Entscheidung von Thomas oder von mir als Redaktionsleiter, sondern vom ZDF. Teilweise waren es auch länderpolitische Entscheidungen und wurden dadurch beeinflusst, welches Bundesland gerade drängelte.

Wie war Ihr erster Eindruck vom Archäologischen Park als Ort für die Show?

Dressler Wir hatten im Archäologischen Park Xanten eine Vorbesichtigung, haben uns alles angeschaut und erkannt, dass es nicht reichen wird, nur die Kameras aufzustellen, sondern dass wir hinter den Kulissen kräftig aufbauen müssen. Wir waren uns auch einig, dass wir auf eine Außenschaltung nicht verzichten wollten, was eigentlich paradox war, weil wir schon draußen waren, aber es war ein besonderes Element, und uns war klar, dass wir redaktionell etwas bieten müssen. Thomas sagte auch: Freunde, lasst mich nicht in große Talk-Runden einsteigen, das ist nicht sinnvoll, wir laden keine Amerikaner ein, die Filme vorstellen, wir laden auch keine Gäste ein, die etwas erzählen wollen.

Warum war Thomas Gottschalk gegen längere Gespräche während der Open-air-Show?

Dressler Wir hatten ja schon Open-air-Erfahrung. Alle zwei Jahre auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin machten Thomas und ich eine Show unter freiem Himmel. Er war also darauf trainiert. Aber er hatte die Sorge, dass in einer Arena ein Talk nicht funktioniert, obwohl „Wetten, dass..“ auf diesen drei Beinen stand: Talk, Wetten, Show. Aber wir dachten uns: In einer Open-air-Situation, in einer Arena unterhält sich das Publikum untereinander, will Action erleben, aber nicht konzentriert einem Gespräch unten in der Arena folgen. Deshalb war Thomas’ Wunsch, dass wir diesmal keine Gäste einladen, die etwas erzählen wollen, sondern andere Moderatoren, weil er sagte: Wenn etwas schiefgeht, dann sind wir zusammen acht Moderatoren, und die anderen wissen, wie es mir geht.

Wie liefen die Vorbereitungen? Sie sprachen einmal davon, dass es eine der aufwendigsten „Wetten, dass.?“-Shows war.

Dressler Das ZDF nahm sich für die Open-air-Sendung mehr Zeit als sonst. Wenn wir mit „Wetten, dass..?“ in eine Halle gingen, buchten wir sie für eine Woche. Dann hatten wir vier Tage für den Aufbau, drei Tage für die Proben. Für die Open-air-Show reiste das ZDF schon zwei Wochen vorher an. Durch die Vorbesichtigung wussten wir, dass wir hinter den Kulissen Zelte aufbauen mussten für die Maske, die Garderobe, das Lager. Wir mussten auch die Arena zum Teil umbauen, wir brauchten Bühnen für die Showteile, für die Scorpions, Herbert Grönemeyer und Heinz Rudolf Kunze. Da wir dieses Mal außerdem sieben statt vier Wetten hatten, mussten wir auch viel mehr Fragen vorher klären. Wo lagern wir die Autos, die ein Kandidat umwerfen sollte? Wann muss der Hubschrauber mit den Fallschirmspringern starten? Wir mussten an so viele Dinge denken. Deshalb ist die Open-air-Sendung in Xanten bis heute eine der aufwendigsten „Wetten, dass..?“-Shows. Nicht, weil wir teure Stars hatten, sondern weil diese Vorbereitungszeit, der Aufbau, der Backstage-Bereich, die ganze Leitungsübertragung mit entsprechend vielen Menschen notwendig waren.

Wie haben Sie die Wetten ausgesucht?

Dressler Sie müssen wissen, dass uns zirka 2500 Menschen angeschrieben und Wetten vorgeschlagen haben, wenn wir einen Wett-Aufruf gestartet hatten. Das bedeutet, man musste 2500 Briefe lesen. Dafür gab es eine Extra-Redaktion unter meiner Leitung. Nicht jeder Vorschlag war ein Treffer. Von den 2500 Wetten blieben vielleicht 250 in der engeren Auswahl. Aber auch 250 Wetten kann man nicht erst testen, um dann die Wetten für die Show auszuwählen. Also haben wir die Leute angerufen und gefragt, wie sie sich ihre Wette vorstellen. Danach blieben 25 übrig, und man sprach noch einmal mit den Leuten, bis es nur noch zehn Wetten waren, die dann getestet wurden. Dafür fuhr ich zu den Kandidaten oder die Kandidaten kamen zu uns, und ich habe mir die Wette angesehen. In einigen Fällen sagte ich dann: Prima, wir wollen es haben. In anderen Fällen sagte ich: Der Ansatz ist gut, aber wir müssen redaktionell etwas ändern. Und ein Drittel der Wetten war nichts für uns, selbst wenn sie klappten. Denn eine wesentliche Sache bei einer Wette war, dass sie auch dann spannend war, wenn sie nicht klappte. Das war mir als Redaktionsleiter wichtig. Ich habe mich immer gefragt: Was sehe ich, wenn die Wette verloren geht? Was passiert dann? Nicht nur eine gewonnene Wette muss großartig sein, sondern auch eine knapp verlorene. Viele Kandidaten dachten, ihre Wette muss klappen, und haben sich beschwert, wenn wir es für sie schwieriger gemacht haben. Aber der Sinn einer Wette ist der offene Ausgang. Diese Spannung muss sein.

Wann haben Sie die Wetten in Xanten geprobt?

Dressler Ab Mittwoch vor der Show haben wir uns alle Wetten vorführen lassen. Dabei ging es aber nicht darum, ob die Wette gewonnen wird, sondern darum, ob die Kameras alles erfassen, das war gerade bei den Fallschirmspringern nicht ganz einfach. Wo ist der Punkt, an dem sie sichtbar sind, welche Objektive brauchen wir? Auch die Außenwetten haben wir geprobt, alles mit dem Ziel, dass am Samstag, 20.15 Uhr, alles läuft. Aber wir wussten: Zur Not haben wir Thomas, wenn wir zwischendurch überbrücken mussten. Wer, wenn nicht Thomas, schafft das? In solchen Momenten haben wir uns auf ihn verlassen.

Wie haben Sie selbst die Sendung erlebt?

Dressler Ich war in der Arena. Mein Prinzip als verantwortlicher Redakteur und später Produzent war es, während der Sendung in Sichtweite des Moderators zu sein. Nur dort konnte ich noch Einfluss nehmen und helfen. Wenn gerade Luft war, konnte ich zum Moderator gehen und sagen, dass alles gut läuft oder dass etwas korrigiert werde muss. Und wenn der Moderator Fragen hatte, konnte ich ihm die Antworten geben. Die Kollegen sind immer in den Übertragungswagen gegangen, aber dort sitzt der Regisseur, dort braucht es mich nicht. Ich war immer der direkte, sichtbare Partner für den Moderator, der neben der Hauptkamera stand, auch in Xanten.

Während der Proben in Xanten hat es geregnet, bis kurz vor der Sendung. Haben Sie befürchtet, dass die Sendung schiefgehen kann?

Dressler Dass etwas schiefgehen kann, gehört zum Wesen einer Live-Sendung dazu. Wenn man das nicht möchte, darf man keine Live-Show machen. Wir gaben uns alle Mühe, um zu vermeiden, dass etwas nicht klappt, aber man konnte es natürlich nie ausschließen. Als es dann in Xanten so fürchterlich regnete und der Wetterbericht auch keine Besserung voraussagte, haben wir uns schon Gedanken gemacht, genauso wie die Kandidaten. Der Mann, der die Autos umwerfen sollte, war gelassen, der konnte seine Wette bei Wind und Wetter machen. Aber die Fallschirmspringer sagten: Wir müssen zumindest die Arena durch die Wolken sehen können. Immer wieder ging dann unser Blick zum Himmel, immer wieder haben wir das Wetteramt angerufen, während die Sendung näher rückte und schon ein Teil des Publikums in Regenjacke in der Arena saß. Aber wir haben uns Mut zugesprochen, vom Naturell her waren wir optimistisch und haben uns gedacht: Das wird schon. Am Ende haben wir immer noch den Thomas, der mit jeder Situation zurechtkommt. Als dann 20 Minuten vor Beginn der Show der Himmel aufriss, die Sonne hervorkam und später noch der Opernsänger Giuseppe di Stefano vorm Sonnenuntergang „O Sole Mio“ sang, haben wir gesagt, das glaubt uns doch keiner, dass wir diese Dramaturgie nicht inszeniert haben. Nach der Sendung fielen wir uns dann in die Arme und waren erleichtert. Wir haben auch Glück gehabt, machen wir uns nichts vor.

Noch während der Show sagte Gottschalk, dass man wieder nach Xanten komme, sollte es noch einmal eine Open-air-Show geben.

Dressler Das war in dem Moment bestimmt ernst gemeint. Der Thomas war natürlich auch froh, dass alles gut gelaufen war, und er ist jemand, der ehrlich und spontan sagt, was er denkt. Zunächst war die Open-air-Sendung aber nur als eine Ausnahme gedacht gewesen. Als dann Xanten hinter uns lag, die Haut wieder trocken war, haben wir uns gesagt: Draußen war schon geil, weil es Ereignis-Fernsehen war, worüber die Menschen gesprochen haben, und am Ende zählt das Publikum. Daraus ist dann die Idee geworden, weitere Open-air-Sendungen zu machen. Nur die Auswahl der Spielorte bestimmen am Ende andere, und es wurde dann gesagt: Lasst uns dorthin gehen, wo die Sonne scheint. Die zweite Open-air-Show war dann in der Türkei, später wurde Mallorca als Ort gewählt, weil die Wahrscheinlichkeit für ein gutes Wetter größer war als in Deutschland. Aber man kann schon sagen, dass es Mallorca ohne Xanten nie gegeben hätte.

Holm Dressler hat eine Aufzeichnung der Sendung auf seinem Youtube-Kanal „Alles nur Show? Holm Dressler erzählt“ veröffentlicht, sodass man sich auch heute die kompletten zwei Stunden von „Wetten dass..?“ aus Xanten anschauen kann.

(wer)
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