Ausbildungsinitiative 2014 in Xanten Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt

Xanten · Warnung vor "Akademisierungswahn": Qualifizierte Schulabgänger werden als Facharbeiter der Zukunft gebraucht. Längst vorbei sind die Zeiten, wo die Schulabgänger sich lange vergeblich um eine Ausbildungsstelle bemühten. Heute sind es oft die Arbeitgeber, die ihre Lehrstellen nicht besetzen können.

Der demografische Wandel ist auf dem Ausbildungsmarkt angekommen. Facharbeitermangel bedroht die Abläufe in den Betrieben. Trotzdem gibt es auch weiterhin junge Menschen, die nicht ihre Stelle in den Wunschberufen bekommen oder deren Qualifikationen und Wünsche nicht zu den freien Lehrstellen passen.

Ein Blick auf die Zahlen: 4115 Bewerber für Ausbildungsstellen zählte die Agentur für Arbeit in diesem Jahr im Kreis Wesel (Stand August), 4191 waren es im Jahr zuvor. 473 Lehrstellen blieben unbesetzt, aber auch 672 Bewerber waren zu diesem Zeitpunkt noch ohne Vertrag. "Bei den Betrieben unserer Innungen sind noch 640 Plätze frei", sagt Kreishandwerksmeister Günter Bode. Etwas entspannter ist die Lage im Einzelhandel: "Unsere Betriebe konnten die rund 1000 Ausbildungsstellen in der Region bis auf wenige Ausnahmen besetzen", sagt Wilhelm Bommann vom Einzelhandelsverband Niederrhein.

Schwer falle es nur, auch die Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen als Auszubildende zu gewinnen, um später Führungspostionen zu besetzen. Dr. Wolf-Eberhard Reiff, Geschäftsführer für Bildung und Technologie der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve, bedauert die Entwicklung: "Für die Betriebe wird es immer schwieriger, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Dies hängt mit der kontinuierlich gestiegenen Studierneigung der Schulabgänger zusammen. Eine duale berufliche Ausbildung hält alle Optionen offen und bietet zudem beste Voraussetzungen für eine berufliche Karriere."

"Auch wenn das aktuelle Ausbildungsjahr bereits begonnen hat", so Barbara Ossyra, Leiterin der Agentur für Arbeit Wesel, "gibt es im Kreis vereinzelt Betriebe und Bewerber für Berufsausbildungsstellen, die bislang nicht zueinander gefunden haben. Sie erfolgreich zusammenzubringen, ist weiterhin unser Bestreben."

Aus Sicht des Handwerks wird das nicht oft funktionieren. "Die Qualifikation der Bewerber passt oft nicht zu den Anforderungen. Viele junge Menschen fallen leider durchs Raster", so Günter Bode. "Die Schere wird weiter auseinandergehen". Das Handwerk habe es schwer, gegen das Bestreben, Abitur zu machen und zu studieren. In den Kfz-Werkstätten mache sich der Facharbeitermangel schon deutlich bemerkbar. "Da gibt es gleich 40 Auszubildende weniger als noch vor einem Jahr." Wie wird es weiter gehen? Das Handwerk versucht mit seiner Werbekampagne gezielt, sein Image bei jungen Menschen aufzupolieren. Eine Chance sieht Bode auch darin, Studienabbrecher für die Lehrberufe zu gewinnen.

Klar ist, das man die Jugendlichen früh auf die Berufe und Chancen aufmerksam muss. "Nach dem doppelten Abiturjahrgang im Ausbildungsjahr 2012/2013", so Barbara Ossyra, "ist in diesem Jahr die Zahl der Bewerber für eine Ausbildung, die eine Studienberechtigung besitzen, gestiegen. Betriebe im Kreis Wesel hatten daher erneut die Gelegenheit, diese Bewerber für ihr Unternehmen zu gewinnen, die über eine hohe schulische Qualifikation verfügen. Wenn es den Betrieben gelingt, vermehrt Schulabgänger von Realschulen und Gymnasien für eine duale Ausbildung zu gewinnen, dann ist dies ein richtiger Baustein, den Fachkräftebedarf zu decken."

Wilhelm Bommann sieht auf Dauer auch das Thema "Berufsrückkehrerinnen" ganz vorn angestellt. Es sei Aufgabe des Verbandes, den Wiedereinstieg in den Beruf zu fördern.

"Ohne Ausbildung läuft nichts — das gilt für die Unternehmen, die sich fit machen für die Zukunft mit qualifizierten Mitarbeitern und das gilt für die Jugendlichen, die den richtigen Start ins Berufsleben suchen", sagt Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein. "Deswegen unterstützen wir das Projekt Ausbildungsinitiative der Rheinischen Post, verbunden mit meinem ganz persönlichen Anliegen, in unserer Region Ausbildungsplätze zu schaffen und zu sichern." Gerade die derzeitige schwache konjunkturelle Entwicklung in den Euro-Krisenländern zeige, wie wichtig eine funktionierende Wirtschaft für das Wohlergehen der Gesellschaft ist. Wesentliche Faktoren für die gute wirtschaftliche Entwicklung auch am Niederrhein seien die hoch qualifizierte Ausbildung der Arbeitskräfte, der Mittelstand als Rückgrat der wirtschaftlichen Stabilität und besonders das solide Handwerk.

Und: "In der Zeit des demografischen Wandels ist die heimische Wirtschaft gut beraten, so früh wie möglich ihren Fachkräftebedarf zu sichern. Wir brauchen die praktischen Berufsbilder der Fachkräfte, die dafür sorgen, dass die Produktion auch hier vor Ort am Niederrhein erhalten bleibt. Das kann aber nur gelingen, wenn in unserer Gesellschaft ein Umdenken stattfindet — weg vom ,Akademisierungswahn', der dazu führt, dass immer mehr junge Menschen ein Hochschulstudium anstreben, anstatt mit einer fundierten handwerklichen Ausbildung und den vielen Chancen der Aufstiegsfortbildung, den Grundstein für den beruflichen Erfolg zu legen." In den kommenden Wochen stellen RP und Volksbank Ausbildungsberufe mit Perspektiven vor.

(rp)
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