Junge Xantenerin berichtet Traumberuf Hebamme

Xanten · Schon in der Grundschule stand für Ramona Dicks fest: Wenn ich einmal groß bin, will ich Kindern auf die Welt helfen. Die junge Xantenerin hat ihre Ausbildung zur Hebamme abgeschlossen und arbeitet jetzt selbstständig.

 Ramona Dicks hat sich als Hebamme selbstständig gemacht. Das Pinard-Rohr, mit dem Herzgeräusche im Babybauch abhorcht werden, und ihre mobile Babytuch-Waage hat die Mutter eines dreijährigen Sohnes in ihrer Tasche immer parat.

Ramona Dicks hat sich als Hebamme selbstständig gemacht. Das Pinard-Rohr, mit dem Herzgeräusche im Babybauch abhorcht werden, und ihre mobile Babytuch-Waage hat die Mutter eines dreijährigen Sohnes in ihrer Tasche immer parat.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Die erste Geburt, bei der sie einer erfahrenen Hebamme als Schülerin assistierte, hat sie noch immer vor Augen: Zwei Jahre ist es her. Ramona Dicks hatte ihren ersten Nacht-Dienst im Kreißsaal des St.-Elisabeth-Hauses in Bochum. Eine junge Frau in der 40. Schwangerschaftswoche und drei Tage über dem errechneten Termin war gekommen, weil sie keine Kindsbewegungen mehr spürte. Sie kam in den Kreißsaal. Es waren keine Herztöne mehr zu hören. Das Kind musste geholt werden. „Es wurde tot geboren.“

Die Schreie der Mutter hat Ramona Dicks noch immer im Ohr. Bei der Erinnerung daran muss sie schlucken. Weinend sei sie aus dem Kreißsaal gelaufen, wollte ihre Ausbildung sofort abbrechen, die sie gerade zwei Wochen vorher begonnen hatte. „Das kann ich nicht, das mach’ ich nicht mehr weiter“ – das stand für sie fest, als sie sich ins Auto setzte, nach Hause fuhr und als erstes ins Kinderzimmer lief, wo ihr damals einjähriger Sohn Henry friedlich in seinem Bettchen schlief.

Aber sie machte weiter. Zwei Jahre lang fuhr die gelernte Krankenschwester jeden Tag nach Bochum, 92 Kilometer hin, 92 Kilometer wieder zurück. In einer HebammenSchule hatte sie Blockunterricht. Die praktische Ausbildung erhielten die Schülerinnen im St.-Elisabeth-Krankenhaus. Morgens um 4 Uhr saß sie im Auto, um 6 Uhr begann der Dienst in einem der drei Kreißsäle. Regulär war er um 14 Uhr zu Ende, aber oft genug ging’s viel länger. Denn Neugeborene kommen nie nach der Uhr. „Man kommt nie pünktlich raus“, sagt Ramona Dicks, die mit ihrem inzwischen dreijährigen Sohn Henry bei ihrem Lebensgefährten auf dem Fingerhutshof lebt. „Ich fühle mich hier pudelwohl. Ich will hier nicht mehr weg“, sagt sie.

Ja, die Ausbildung und vor allem die Fahrerei nach Bochum seien hart gewesen, auch wenn sie die Ausbildung als gelernte Krankenschwester von drei auf zwei Jahre verkürzen konnte. Ihr Lebensgefährte sei ihr immer eine große Stütze gewesen, habe sie oft genug abends abgehört, wenn sie Bücher wälzte und lateinische Begriffe paukte.

Seit dem 1. April arbeitet sie als Beleghebamme beim „Storchenteam Niederrhein“ in Wesel, das Hebammen vor fünf Jahren gegründet haben, nachdem die Geburtshilfe im Emmericher Krankenhaus geschlossen worden war. Ramona Dicks ist eine von sieben selbstständigen Hebammen, die Schwangere vor, während und nach der Geburt im Marienhospital in Wesel betreuen, wechselweise in Rufbereitschaft sind. Nebenbei gibt sie Kurse bei „Menschenskinder“ in Sonsbeck.

„Landhebamme Ramona“ steht auf ihrer Visitenkarte. Das erste Kind hat sie schon auf die Welt geholt. Ob Hebammen ihre Entbindungen eigentlich zählen, habe die junge Mutter sie gefragt, nachdem sie sie Anfang April im Kreißsaal im Marienhospital in Wesel von einem gesunden Jungen entbunden hatte. „Vermutlich nicht, aber ich weiß es ganz genau: Ihr Baby war mein erstes Kind“, habe sie geantwortet. Und Ramona Dicks schiebt lachend hinterher, dass sie dies der Mutter vermutlich nicht gesagt hätte, hätte diese vor der Geburt gefragt.

Ihre Hebammen-Tasche mit Pinard-Rohr – damit hört man die Herztöne bei Schwangeren ab – und Wiegetuch steht immer griffbereit im Hausflur. Ihren Traum, vielleicht einmal eine Landhebammen-Praxis zu eröffnen, hat sie noch nicht aufgegeben. Sie hat auf dem Fingerhutshof auch schon einen Gebäudeteil im Auge, der sich dafür anböte. Jetzt will sie aber erst einmal Berufserfahrung sammeln. „Und dann möchte ich selbst noch einmal schwanger werden – vielleicht auch mehrmals“, sagt die fröhliche junge Frau, die acht war, als ihre Mutter starb, und die mit ihren beiden Schwestern bei den Großeltern aufgewachsen ist. Und wie die erste schlimme Erfahrung im Kreißsaal in Bochum vergisst sie einen Satz nicht, den ihre geliebte Oma einmal gesagt hat: „Ein Kind geht aus dem Herzen, ein Mann weicht von der Seite.“

Landhebamme Ramona ist über die Praxis „Menschenskinder“ in Sonsbeck (Tel. 02838 179445), das „Storchenteam Niederrhein“ in Wesel (Tel. 0281 1041749) und per Handy unter 0173 4119276 erreichbar.

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